Regelmässige Virustests können Infektionsraten senken

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Zehntausende Tests: Die Kampagne des Kantons Graubünden ist die grösste in der S
Zehntausende Tests: Die Kampagne des Kantons Graubünden ist die grösste in der Schweiz. Bild: Kanton Graubünden/Mattias Nutt

Seit Februar 2021 setzt der Kanton Graubünden freiwillige speichelbasierte PCR-Tests unter den mobilen Arbeitnehmenden ein, um die COVID-19-Pandemie einzudämmen und die Infektionsraten zu senken. Empa-Forschende leiten die Datenauswertung aus den ersten acht Wochen des Testprogramms. Sie beobachteten eine Reduktion der Inzidenzrate zwischen 20 und 50 Prozent, je nach Wirtschaftssektor, und eine spürbare Verringerung der Positivitätsrate bei denjenigen, die sich regelmässig testen liessen. Das deutet darauf hin, dass die Virusausbreitung durch regelmässige Massentests tatsächlich eingedämmt werden kann.

Auf ihrem Höhepunkt hat die aktuelle COVID-19-Pandemie das soziale und wirtschaftliche Leben nahezu zum Erliegen gebracht. Obwohl sich «Lockdowns» und «Social Distancing» als wirksam erwiesen haben, um die Infektionsraten und COVID-assoziierten Todesfälle zu senken, führten sie zu erheblichen Kosten und unvorhersehbaren medizinischen und psychologischen Langzeitfolgen. Anstatt die gesamte Bevölkerung in ihrer Mobilität einzuschränken und Geschäfte und Läden zu schliessen, wäre es wünschenswerter, die Ausbreitung des Virus zu unterbinden, indem nur diejenigen isoliert werden, die tatsächlich infiziert sind.

Was in der Theorie einfach klingt, ist in der Praxis jedoch kompliziert. Denn COVID-19 wird zu einem grossen Teil von asymptomatisch oder präsymptomatisch Infizierten weiterverbreitet, die also gar nicht wissen, dass sie einen potenziell tödlichen Erreger in sich tragen. Daher ist eine frühzeitige Erkennung von infizierten, aber symptomfreien Personen der Schlüssel zur Eindämmung der Pandemie.

Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, besteht darin, einen grossen Teil der Bevölkerung zu ermutigen, sich wiederholt mittels sogenannter PCR-Tests (für Polymerase-Kettenreaktion) testen zu lassen und ermittelte Identifizierte anschliessend aufzufordern, sich in Quarantäne zu begeben. Diese Tests sind in der Lage, selbst winzige Mengen viraler RNA aufzuspüren, bevor das Virus charakteristische Symptome wie Husten, Fieber oder ähnliches verursacht.

Im Februar 2021 startete der Kanton Graubünden ein freiwilliges Testprogramm, das sich an mobile Arbeitnehmende, an Schulen und Gesundheitseinrichtungen des Kantons richtete. Im Rahmen des Testprogramms werden fast 50’000 Personen wöchentlich getestet. Dies entspricht über 30 Prozent der mobilen arbeitenden Bevölkerung des Kantons und macht die Testkampagne des Kantons Graubünden zur grössten in der Schweiz.

Im vergangenen Jahr hat der Empa-Forscher Hossein Gorji zusammen mit Kollegen an der ETH Zürich ein mathematisches Modell entwickelt, um die Wirksamkeit möglicher Bekämpfungsstrategien, darunter auch Massentests, zu bewerten. Die Empa-Forscher arbeiten nun mit dem Kanton Graubünden zusammen, um die Daten zu analysieren, die im Rahmen der Massentestkampagne des Kantons gesammelt wurden.

Obwohl die Datenlage noch begrenzt ist, wie Gorji einräumt, sind die Ergebnisse äusserst ermutigend: Unter den regelmässig getesteten Personen beobachteten die Forscher eine Reduktion der Inzidenzrate, also der Zahl der Infizierten pro 100’000 Einwohnern, um 20 bis 50 Prozent. Dabei liessen sich die durchaus signifikanten Unterschiede auf verschiedene Wirtschaftszweige zurückführen: Die geringeren Reduktionswerte wurden in der Tourismusbranche beobachtet, die höhere Reduktion bei Angestellten, die in Büros und Fabriken arbeiten. Das mache durchaus Sinn, so Gorji, denn im Tourismus und in der Gastronomie hätten Angestellte noch relativ viele berufsbedingte soziale Interaktionen - und damit eine höhere Wahrscheinlichkeit, sich bei Personen anzustecken, die nicht am Testprogramm teilnehmen.

Dieser Effekt ist in Regionen wie Graubünden besonders ausgeprägt; der Kanton empfängt in der Wintersaison rund 200’000 Touristen, von denen im vergangenen Winter 20 Prozent aus dem Ausland kamen. Eine erste Analyse der Daten aus den Schultests scheint dies zu bestätigen; die Zahl der Ausbrüche unter Schülern ging nach Einführung der Massentests ebenfalls deutlich zurück. Die Massentests scheinen also tatsächlich zu helfen, die Pandemie einzudämmen. Oder, wie Empa-Forscher Gorji es ausdrückt: «Durch wiederholte Tests sind wir dem Virus einen Schritt voraus, weil wir ’versteckte’ Virusverbreiter identifizieren und isolieren können.»

Welche Lehren haben die Forscher aus dem Testprogramm in Graubünden gezogen? Zunächst einmal zeigten die Daten, dass Massentests funktionieren, wenn sie wiederholt durchgeführt werden. Drei Dinge seien dabei entscheidend, so Hossein Gorji, der derzeit eine wissenschaftliche Publikation zu den in Graubünden gesammelten Daten vorbereitet: Möglichst viele Menschen sollten regelmässig zum Testen eingeladen werden; die Tests sollten so schnell wie möglich ausgewertet - und Virusträger identifiziert - werden. Und die Tests müssten über einen längeren Zeitraum fortgesetzt werden - sonst könne die Virusübertragung relativ schnell wieder auf das vorherige Niveau ansteigen.