
Zusammen mit dem Kanton St. Gallen hat die Eawag untersucht, wie sich der Ausbau der Kläranlage bei Flawil mit einer Stufe zur Entfernung von Mikroverunreinigungen auf die Wasserqualität im Fluss Glatt auswirkt. Jetzt zeigen erste Resultate ein sehr positives Bild.
Der Ausbau der ARA Oberglatt in Flawil mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe gegen Mikroverunreinigungen wirkt. Das zeigen erste, kürzlich im Rahmen des Eawag-Peak-Kurses «Biologische Effekte von Spurenstoffen unterhalb von Kläranlagen» vorgestellte Resultate. Erhoben wurden die Daten in gemeinsamen Untersuchungen vom Kanton St. Gallen und dem Wasserforschungsinstitut Eawag. Laut Christian Stamm, dem stellvertretenden Leiter der Eawag-Abteilung Umweltchemie, ist insbesondere bemerkenswert, dass kein Unterschied mehr festgestellt werden kann zwischen hormonaktiven Wirkungen von Stoffen oberund unterhalb der Rückgabe des gereinigten Abwassers in der Glatt.

Unter dem Begriff Mikroverunreinigungen oder Spurenstoffe wird eine Vielzahl von Substanzen zusammengefasst, zum Beispiel Medikamente, Pflanzenschutzmittel, Lebensmittelzusätze, Inhaltsstoffe von Kosmetika oder Reinigungsmitteln. Viele dieser Stoffe gelangen über das häusliche und das industrielle Abwasser in die ARAs und werden, wenn sie nicht mit einer EMV-Stufe gereinigt werden, in Flüsse und Bäche eingeleitet. Dort beeinflussen sie die Gewässerökologie und können Wasserlebewesen gefährden. Mikroverunreinigungen wirken sich nicht nur negativ auf die Gewässerqualität aus, sie finden sich auch im Grundwasser wieder, das in der Schweiz die wichtigste Trinkwasserressource darstellt.
Bei der EMV-Stufe, die in der ARA Oberglatt im Herbst 2021 in Betrieb ging, kommt Pulveraktivkohle zum Einsatz. Dabei binden sich die Mikroverunreinigungen an Kohlenpartikel, die anschliessend aus dem Abwasser abgetrennt werden. Bereits die ARA Herisau hatte dieses Verfahren für ihre EMV-Stufe gewählt, die seit Juni 2015 erfolgreich im Einsatz ist. Schon kurz nach der Inbetriebnahme gelangten dank dieser Verbesserung deutlich weniger Mikroverunreinigungen mit dem gereinigten Abwasser in die Glatt - und wie das Umweltmonitoring ergab, gingen dadurch unter anderem auch die Stressfaktoren für die Fische zurück. Bloss wurden die im Oberlauf der Glatt erzielte Verbesserung durch das Abwasser der damals noch nicht ausgebauten ARA Oberglatt praktisch wieder zunichtegemacht.
Risiko durch Medikamentenrückstände zurückgegangen
Dem ist heute nicht mehr so. Verschiedene Untersuchungen vor und nach der Inbetriebnahme der EMV-Stufe in Flawil durch das Amt für Wasser und Energie (AWE) des Kantons St. Gallen und durch die Eawag, das Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs, zeigen bei der Qualität des Wassers, das nach der Reinigung in die Glatt geleitet wird, eine positive Entwicklung, dies sowohl bei den chemischen wie bei biologischen Auswirkungen. Das Risiko für Gewässerorganismen durch den Wirkstoff Diclofenac, der zum Beispiel im Schmerzmittel Voltaren enthalten ist, hat sich im Vergleich mit 2020 halbiert. Auch hormonaktive Substanzen sind nachweislich zurückgegangen (siehe Grafik oben). Ausserdem zeigten Untersuchungen an Bachforellen eine Reduktion von Stressfaktoren nach Inbetriebnahme der EMV-Stufe.
«Es ist noch zu früh, um die positiven Folgen der neuen Reinigungsstufe im Detail zu kennen», sagt Vera Leib, Leiterin der Abteilung Gewässerqualität des Amts für Wasser und Energie St.Gallen, «aber schon ein Jahr nach der Inbetriebnahme lässt sich sagen, dass die EMV-Stufe dazu geführt hat, dass die Belastung mit Mikroverunreinigungen nun unterhalb der ARA Oberglatt erheblich abgenommen hat.»