Auch nicht-einheimische Arten sind für das Ökosystem von Vorteil.

- EN- DE - FR- IT

Ein Team von Wissenschaftlern plädiert für eine Neubewertung der missbrauchten nichtheimischen Arten.

Die nicht-einheimische Bachforelle ist zum Beispiel bei den Neuseeländern sehr b
Die nicht-einheimische Bachforelle ist zum Beispiel bei den Neuseeländern sehr beliebt, die neue Umweltbestimmungen zum Schutz dieser Art in ihren Gewässern eingeführt haben (Foto: pixabay).

Das Bewusstsein für nichtheimische Arten, die oft als ’invasiv’ bezeichnet werden, hat in den letzten fünfzig Jahren erheblich zugenommen, so dass jeder umweltbewusste Mensch von ihnen und ihren negativen Auswirkungen gehört hat, sei es die Zebramuschel oder die Ambrosia. Allerdings können diese Arten auch positive Auswirkungen haben, wie z. B. Regenwürmer, die zur Verbesserung der Prozesse in der ökologischen Landwirtschaft beitragen. Dies zeigt eine Untersuchung, die von einem Team der Brown University in den USA durchgeführt wurde und an der auch Forscher/innen der Universität Genf beteiligt waren. Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift Trends in Ecology and Evolution zu finden.

In der wissenschaftlichen Literatur haben langjährige Vorurteile gegenüber nicht-einheimischen Arten die Forschungsprozesse vernebelt und das Verständnis der Öffentlichkeit behindert. In einem kürzlich in der Zeitschrift Trends in Ecology and Evolution veröffentlichten Übersichtsartikel weist ein internationales Team mit Forscherinnen und Forschern der Brown University, der Universität Genf und der Universität Washington darauf hin, dass sich die meisten Studien über diese Arten auf ihre negativen Folgen konzentrieren. In diesem neuen Artikel schlagen die Wissenschaftler vor, den Fokus zu verlagern und auch die Vorteile und den Nutzen dieser Arten zu betrachten, um eine ausgewogenere Debatte zu führen.

Die positiven Auswirkungen nichtheimischer Arten werden oft als zufällige Überraschungen erklärt, die Art von Dingen, die man von Zeit zu Zeit unter bestimmten Umständen erwarten würde", sagt Dov Sax, Professor an der Abteilung für Ökologie, Evolution und organische Biologie der Brown University. ’Unsere Studie unterstützt, dass die positiven Auswirkungen nichtheimischer Arten weder unerwartet noch selten sind, sondern im Gegenteil häufig, wichtig und oft von großem Ausmaß.’

Gut für Mensch und Natur

Die Studie leiht sich einen kürzlich von IPBES, einer internationalen Plattform zur Bewertung der Biodiversität und ihrer Ökosystemleistungen, entwickelten Rahmen, der die Vorteile der Biodiversität für Mensch und Natur untersucht, und wendet diesen auf nicht-heimische Arten an, um die vielfältigen, häufigen und wichtigen Formen ihres positiven Beitrags zu demonstrieren. ’Wir wollen einen Rahmen bieten, der es Wissenschaftlern ermöglicht, diese Arten konstruktiv zu betrachten und ihren Nutzen explizit zu dokumentieren’, erklärt der Forscher. ’Erst dann werden wir in der Lage sein, sie genau und umfassend zu vergleichen und gegenüberzustellen, um ’Kosten-Nutzen’-Analysen zu erstellen, die bei politischen Entscheidungen wirklich hilfreich sein können.’

Die Autoren räumen ein, dass einige nicht einheimische Arten, wie eingeschleppte Krankheitserreger und landwirtschaftliche Schädlinge, unbestreitbar hohe Nettokosten verursachen. Sie stellen jedoch fest, dass die meisten domestizierten Arten - darunter Nahrungsmittel wie Weizen und Tomaten, Fasern wie Baumwolle und Wolle sowie Haustiere wie Hunde und Goldfische - den menschlichen Gesellschaften große Nettovorteile bringen. Die Wissenschaftler konzentrierten sich bei ihrer Untersuchung auf Arten, die nicht direkt vom Menschen gemanagt werden - die sogenannten ’wilden’ oder ’eingebürgerten’ Arten - und stellten fest, dass viele von ihnen gleichzeitig Kosten und Nutzen für Mensch und Natur mit sich bringen.

Das ’Plus’ des Regenwurms auf die biologische Landwirtschaft

Die Studie nennt Regenwürmer als Beispiel für eine nicht-einheimische Art, deren Nutzen unterschätzt wird. Zwar können sie Waldökosysteme negativ verändern, doch können sie auch die ökologische Landwirtschaft verbessern. Eine Metaanalyse ergab, dass ihre Anwesenheit die landwirtschaftliche Produktivität um 25% steigern kann. Die daraus resultierenden niedrigeren Lebensmittelkosten und die erhöhte Fähigkeit, Menschen zu ernähren, stellen einen direkten wirtschaftlichen Vorteil dar.

Die Studie hebt auch die unerwarteten Vorteile einer anderen nicht einheimischen Art, der Bachforelle, hervor. Am Beispiel Neuseelands zeigt die Studie, dass die meisten nicht-einheimischen Arten, die in das Land eingedrungen sind, negative Folgen haben und die Einwohner sich daher auf ihre Ausrottung konzentrieren. Die Neuseeländer schätzen die ernährungsphysiologischen Vorteile und den Freizeitwert des Fischfangs so sehr, dass sie neue Umweltvorschriften zum Schutz der Art in ihren Gewässern eingeführt haben.

Der Rahmen, den wir aufstellen, bietet eine nützliche Topologie, um die verschiedenen Arten zu betrachten, in denen nicht-heimische Arten einen Wert liefern, und wir verwenden ihn hier, um repräsentative, aber nicht erschöpfende Beispiele für solche Werte aus verschiedenen Ökosystemen und Regionen zu illustrieren", sagt Martin Schlaepfer, Lehrbeauftragter am Institut für Umweltwissenschaften der Universität Genf.

Ein neuer Denkrahmen

Die Studie empfiehlt, den IPBES-Rahmen, der die vielen Möglichkeiten beschreibt, wie die Natur aufgewertet werden kann, auch auf nicht-einheimische Arten anzuwenden. ’Die Beziehung der Menschen zur Natur, ihr intrinsischer Wert, die Ökosystemdienstleistungen, die Versorgung mit Ressourcen sind alles Elemente, die wir an einheimischen Arten schätzen. Es gibt auch Möglichkeiten zu sehen, dass nicht-einheimische Arten zu diesen Vorteilen beitragen’, sagt Martin Schlaepfer.

Beispielsweise können nicht-einheimische Arten eine Hauptursache für das Aussterben von Arten sein, aber auch durch ihre eigene Migration zur regionalen Biodiversität beitragen, indem sie den Artenreichtum erhöhen, auch in der Schweiz. In Schweizer Seen eingeführte Muschelarten können beispielsweise die verfügbaren Nährstoffe beeinträchtigen und gleichzeitig die Klarheit des Wassers erhöhen. ’Wir argumentieren, dass die langjährigen Vorurteile gegen nicht-einheimische Arten in der Literatur nicht nur den wissenschaftlichen Prozess vernebelt haben, sondern auch den politischen Fortschritt und das richtige Verständnis in der Öffentlichkeit behindert haben. Zukünftige Forschung sollte sowohl die Kosten als auch den Nutzen nicht-einheimischer Arten berücksichtigen’, schließt Martin Schlaepfer.

10. Okt. 2022