Eine interdisziplinäre Studie, an der die Universität Bern massgeblich beteiligt war, wirft ein neues Licht auf zwei vulkanische Extremereignisse und eine darauffolgende globale Abkühlung in der Antike. Mithilfe einer hochpräzisen Analyse von Vulkanasche und Schwefel in Eisbohrkernen aus Grönland und der Antarktis wurde klar, dass die globale Abkühlung um 1627 v. Chr. nicht dem Vulkan Thera in Santorini zuzuschreiben ist, wie bisher angenommen, sondern einem Vulkan im weit entfernten Alaska.
Kleinste Schwefelsäuretröpfchen, die durch explosive Vulkanausbrüche bis zu 40 Kilometer hoch in die Stratosphäre gelangen, können zu plötzlichen Klimaschocks mit weitreichenden Folgen führen. Das war bereits in der Antike so, als sich um 1600 v. Chr. die wohl berühmteste Vulkaneruption der Geschichte ereignete, die Eruption von Thera auf der Ägäisinsel Santorini, einem bedeutenden antiken Handelszentrum im Mittelmeer.
Weit weniger bekannt ist ein zweiter Vulkanausbruch ungefähr zur selben Zeit: die Eruption von Aniakchak II, einem abgelegenen Vulkan in der Alëutenkette im heutigen Alaska. Mit über 100 Megatonnen Schwefeldioxidausstoss, grösstenteils in die Stratosphäre, und der nachgewiesenen globalen Ausbreitung der Aerosole bis in die Antarktis, war dies die stärkste klimawirksame Eruption der vergangenen 4’000 Jahre. Dies zeigt eine Studie mit Beteiligung der Universität Bern, die in der Proceedings of the National Academy of Sciences-(PNAS) Nexus publiziert wurde. In der Untersuchung wurden die Ausbruchsjahre und die Klimawirksamkeit aller bedeutenden Vulkanausbrüche zwischen 1700 und 1500 v. Chr. rekonstruiert.
Der wahre Auslöser der globalen Abkühlung
’Bis anhin wurde die globale Abkühlung im Jahr 1627 v. Chr. dem Ausbruch von Thera zugeschrieben. Das hat sich als falsch erwiesen. Wir konnten zeigen, dass dafür die kolossale Eruption von Aniakchak verantwortlich war’, sagt Michael Sigl, Koautor der Studie. Er ist Assistenzprofessor für Klimaund Umweltphysik an der Universität Bern und leitet die Forschungsgruppe Paläovulkanismus und Klimafolgen am Oeschger-Zentrum für Klimaforschung.
Der Ausbruch des Vulkans hinterliess in der arktischen Landschaft einen Sprengkrater von 10 Kilometer Durchmesser. Und er war so gross, dass die Forschenden sogar in der über 16’000 Kilometer entfernten Antarktis die Schwefelsäure nachgewiesen haben - und zusätzlich mit Hilfe von Baumringen der langlebigen Kiefernart Pinus longaeva, den einzigen noch lebenden Zeugen dieser Zeit, die Eruption auf das exakte Jahr genau 1628 v. Chr. datieren können. Diese Erkenntnis klärt eine wissenschaftliche Kontroverse um den Verursacher des vulkanischen Winters (eine durch einen Vulkanausbruch ausgelöste Kältephase) von 1627 v. Chr. Die Eruption von Aniakchak II, so die Studie, ist die erste in den mittleren Breiten der Nordhemisphäre nachgewiesene, die Schwefel global verteilt hat und somit verantwortlich für eben jenen vulkanischen Winter war.
Geochemische Detektivarbeit
Die Erstautorin der Studie ist Charlotte Pearson, die an der University of Arizona als Geoarchäologin und Dendroklimatologin die bronzezeitliche Thera Eruption erforscht. Sie hat zusammen mit dem Berner Forscher Michael Sigl ein internationales Team an Forschenden aus den USA, dem Vereinigten Königreich, Italien und der Schweiz zusammengestellt, das vor allem auf geochemische Methoden zur Bestimmung der Zusammensetzung von Kryptotephra (mit dem blossen Auge unsichtbare Aschepartikel im Mikrometerbereich) und Schwefelsäure spezialisiert ist.
Ziel des vom ERC Horizon Programm mitfinanzierten Projekts war es, geochemische Fingerabdrücke der Vulkanausbrüche, die im ewigen Eis Grönlands und der Antarktis konserviert sind, mit den Fussabdrücken, die diese Eruptionen im globalen Klima hinterlassen haben, in Verbindung zu setzen. Die Erforschung von vergangenen Vulkanausbrüchen ist wichtig, um die Wahrscheinlichkeit und Konsequenzen solcher Extremereignisse in Zukunft abschätzen zu können. Zudem liefern solche vulkanischen Ereignisse exakt datierte Ankerpunkte, um unterschiedlichste Klimarekonstruktionen besser zu synchronisieren und damit natürliche Klimaschwankungen vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung zu charakterisieren.
Diese Studie wurde vom Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Forschungsund Innovationsprogramms Horizont 2020 der Europäischen Union (THERA-Projekt 820047) mitfinanziert.