Ein Team der Universität Genf und der LMU hat einen Nanotransporter entwickelt, um ein entzündungshemmendes Medikament viel wirksamer und weniger toxisch zu machen.
Wie kann man ein Medikament genau dorthin bringen, wo es benötigt wird, und gleichzeitig das Risiko von Nebenwirkungen minimieren? Die Verwendung von Nanopartikeln zur Verkapselung eines Medikaments, um es an seinem Wirkungsort zu schützen, wird zunehmend untersucht. Dies erfordert jedoch, dass für jedes Medikament der richtige Nanopartikel anhand einer Reihe von Parametern identifiziert wird. Einem Team der Universität Genf und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) ist es gelungen, einen vollständig biologisch abbaubaren Nanopartikel zu entwickeln, der ein neues entzündungshemmendes Medikament direkt in die Makrophagen - die Zellen, in denen unkontrollierte Entzündungsreaktionen ausgelöst werden - bringen und so seine Wirksamkeit garantieren kann. Darüber hinaus verwendeten die Wissenschaftler eine In-vitro-Screening-Methode, die den Einsatz von Tierversuchen auf ein Minimum reduziert. Die Ergebnisse, die im Journal of Controlled Release zu lesen sind, ebnen den Weg für eine äußerst wirksame und gezielte entzündungshemmende Behandlung.
Entzündungen sind eine physiologische Reaktion des Körpers, die für die Abwehr von Krankheitserregern unerlässlich ist. Sie können sich jedoch als problematisch erweisen, wenn sie chronisch werden, wie bei Krebs, Autoimmunerkrankungen oder bestimmten Virusinfektionen. Es gibt bereits zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten, aber da ihre Wirkung oft nicht zielgerichtet ist, sind hohe Dosen erforderlich und schädliche Nebenwirkungen sind häufig. Makrophagen, große Immunzellen, deren natürliche Aufgabe es ist, Krankheitserreger zu phagozytieren und eine Entzündung auszulösen, um sie zu zerstören, sind häufig an entzündlichen Erkrankungen beteiligt. Überaktiviert lösen diese Zellen eine übermäßige Entzündungsreaktion aus, die sich gegen den Körper wendet, anstatt ihn zu schützen.
Necrosulfonamid ist ein neues Molekül, das die Freisetzung mehrerer wichtiger entzündungsfördernder Mediatoren hemmt und somit einen vielversprechenden Durchbruch bei der Linderung bestimmter Arten von Entzündungen darstellt. Aufgrund seiner extrem hydrophoben Natur reist es jedoch schlecht durch das Blut und könnte viele verschiedene Zelltypen angreifen und so potenziell toxische Wirkungen auslösen. Aus diesem Grund ist dieses Molekül noch nicht als Medikament erhältlich", sagt Gaby Palmer, Professorin am Departement für Medizin und am Zentrum für Entzündungsforschung der Medizinischen Fakultät der Universität Genf, die die Studie mit leitete. ’Durch den Einsatz eines Nanopartikels als Transportgefäß könnten diese Mängel umgangen werden, indem das Medikament direkt in die Makrophagen geliefert wird, um die entzündliche Überaktivierung dort zu bekämpfen, wo sie beginnt.’
Drei Nanopartikel unter dem Mikroskop
Die Wissenschaftler testeten verschiedene Nanopartikel, wobei die Hauptkriterien eine geringere Toxizität, eine geringere erforderliche Dosierung und die Fähigkeit, das Medikament erst dann freizusetzen, wenn es das Innere der Makrophagen erreicht hat, waren. Wir haben dazu eine In-vitro-Screening-Technologie für diese menschlichen und murinen Zellen verwendet, die wir vor einigen Jahren entwickelt haben. Das spart sowohl Zeit als auch den Einsatz von Tiermodellen stark ein’, erläutert Carole Bourquin, Professorin an der naturwissenschaftlichen Fakultät (Institut für pharmazeutische Wissenschaften der Westschweiz) und der medizinischen Fakultät (Abteilung für Anästhesiologie, Pharmakologie, Intensiv- und Notfallmedizin, Zentrum für translationale Forschung in der Onkohämatologie und Genfer Zentrum für Entzündungsforschung) der Universität Genf, die diese Arbeit mitbetreut hat, im Detail. So wird nur das vielversprechendste Partikel an Mäusen getestet, was eine wichtige Voraussetzung für klinische Studien am Menschen ist.
Drei sehr unterschiedliche Nanopartikel wurden untersucht: ein Nanopartikel aus Cyclodextrin, einer Substanz, die häufig in Kosmetika oder industriellen Lebensmitteln verwendet wird, ein Nanopartikel aus Magnesiumphosphat und ein Nanopartikel aus porösem Siliziumdioxid. Bart Boersma, Doktorand im Labor von Carole Bourquin und Erstautor der Studie, sagt: "Das erste war nicht sehr zufriedenstellend, während das zweite sich als kontraproduktiv erwies, da es die Freisetzung von entzündungsfördernden Mediatoren verursachte, die die Entzündungsreaktion stimulierten, anstatt sie zu bekämpfen".
Unser Siliziumdioxid-Nanopartikel hingegen erfüllte alle Kriterien: er war vollständig biologisch abbaubar, hatte die richtige Größe, um von Makrophagen geschluckt zu werden, und konnte das Medikament durch seine vielen Poren transportieren, ohne es zu früh freizusetzen. Das Team wiederholte die Tests, indem es die Nanopartikel mit einer zusätzlichen Lipidschicht überzog, aber auch hier war der Nutzen nicht größer als bei Siliziumdioxid-Nanopartikeln allein.
Winzige Kieselschwämme
Andere Siliziumdioxid-Nanoschwämme, die von dem deutsch-schweizerischen Team entwickelt wurden, hatten sich bereits als wirksame Transportmittel für Anti-Tumor-Medikamente erwiesen. Hier transportieren sie ein ganz anderes Medikament, das das Immunsystem hemmt", sagt Carole Bourquin. Die noch wenig bekannte poröse Kieselsäure erweist sich nach und nach als ein bevorzugtes Nanopartikel in der Pharmaindustrie, das sehr wirksam, stabil und ungiftig ist. Die Kombination dieses starken Entzündungshemmers mit den Nanopartikeln aus porösem Siliziumdioxid zeigt eine vielversprechende Synergie, die das Forscherteam weiter untersuchen wird.
9. Nov. 2022