Ein Team der Universität Genf hat sechs psychologische Interventionen gegen Klima-Desinformation getestet. Es zeigt, wie schwierig es ist, diese resistenten Botschaften gegen wissenschaftliche Informationen zu bekämpfen.
Gletscherschmelze, steigende Meeresspiegel, extreme Hitzeperioden: Die Folgen des Klimawandels sind sichtbarer denn je und die Wissenschaftler sind sich einig, dass der Mensch dafür verantwortlich ist. Dennoch zeigen Studien, dass ein Drittel der Bevölkerung diese Fakten immer noch anzweifelt oder bestreitet. Der Grund dafür sind Fehlinformationen, die von bestimmten Einzelinteressen verbreitet werden. Um diesem Phänomen vorzubeugen, hat ein Team der Universität Genf sechs psychologische Interventionen entwickelt und an fast 7000 Teilnehmern in zwölf Ländern getestet. Die Arbeit, die in der Zeitschrift Nature Human Behavior veröffentlicht wurde, verdeutlicht, dass Desinformation sehr überzeugend ist und dass mehr getan werden muss, um sie zu bekämpfen.
Die Bekämpfung von Fehlinformationen über den Klimawandel ist eine große gesellschaftliche Herausforderung. Während die Verantwortung des Menschen - die im sechsten Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bekräftigt wurde - seit Jahrzehnten Gegenstand eines wissenschaftlichen Konsenses ist, zweifelt ein Drittel der Bevölkerung weiterhin daran oder bestreitet sie. Dieses Phänomen ist auf die Desinformation zurückzuführen, die von bestimmten Unternehmen und Lobbys in den letzten 50 Jahren verbreitet wurde.
Tobia Spampatti , Doktorand am Labor für Verbraucherentscheidungen und nachhaltiges Verhalten (CDSB Lab) der Fakultät für Psychologie und Erziehungswissenschaften und am Interfakultären Zentrum für Affektive Wissenschaften (CISA) der Universität Genf, erklärt: ’Diese Botschaften können zum Beispiel die Form einer unbegründeten Infragestellung des wissenschaftlichen Konsenses oder einer Überschätzung der sozio-finanziellen Belastung durch die Klimapolitik annehmen’.
Viele psychologische Faktoren
Dieses Phänomen schwächt die Zustimmung eines Teils der Bevölkerung zur Klimapolitik. Um es zu bekämpfen, hat Tobia Spampatti zusammen mit Forscher/innen der Universität Genf einen theoretischen Rahmen entworfen, um die Entstehung und Aktualisierung von (anti)wissenschaftlichen Informationen zu beschreiben. Dieser Rahmen, der auf der Grundlage früherer psychologischer Ansätze ( Philippe Mueller et al. und Ulrich Ecker et al. im Jahr 2022) aufgebaut wurde, berücksichtigt die Quelle der Nachricht, ihren Inhalt, ihre Adressaten sowie die psychologischen Faktoren, die diese beeinflussen können. Dieser theoretische Rahmen zielt darauf ab, die Eintrittspunkte von Desinformation in die Psyche eines Individuums zu identifizieren. Er kann zur Intervention genutzt werden, um die Zustimmung zu einer Information zu blockieren bzw. zu fördern.
’Als Individuen verarbeiten wir wissenschaftliche Botschaften nicht als neutrale Informationsempfänger, sondern wägen sie gegen unsere früheren Überzeugungen, die gewünschten Ergebnisse, unsere emotionalen Bindungen und unseren soziokulturellen und ideologischen Hintergrund ab. Je nach Konfiguration dieser psychologischen Faktoren können wissenschaftsfeindliche Überzeugungen verstärkt und korrekturresistent werden’, erklärt Tobia Spampatti, Erstautor der Studie.
Sechs Präventionsstrategien auf dem Prüfstand
Auf dieser Grundlage entwickelten die Forscher/innen sechs psychologische Interventionsstrategien, um die Auswirkungen von Klimafehlinformationen auf die Überzeugungen und das Verhalten von Menschen zu verhindern. Sie wurden an 6816 Teilnehmern in zwölf verschiedenen Ländern getestet. Jede Strategie war mit einem bestimmten Thema verknüpft (wissenschaftlicher Konsens, Vertrauen in Klimawissenschaftler, transparente Kommunikation, Moralisierung von Klimaschutzmaßnahmen, Genauigkeit, positive Emotionen gegenüber Klimaschutzmaßnahmen). Die Teilnehmer wurden in acht Gruppen eingeteilt: sechs Gruppen, die eine der Strategien anwandten, eine Gruppe, die Desinformation ohne Prävention anwandte, und eine Kontrollgruppe.
Die Gruppe "Vertrauen in Klimawissenschaftler" erhielt zum Beispiel geprüfte Informationen, die die Vertrauenswürdigkeit der IPCC-Wissenschaftler belegen. Die Gruppe ’Transparente Kommunikation’ wiederum bekam Informationen über die Vor- und Nachteile von Klimaschutzmaßnahmen präsentiert. Anschließend wurden jeder Gruppe zwanzig falsche oder verzerrte Informationen vorgelegt, zehn über die Klimawissenschaft und zehn über die Klimapolitik. Die Forscher/innen der Universität Genf maßen dann nach ihren präventiven Interventionen ihre Wirkung, indem sie die Teilnehmer/innen zu ihren Gefühlen befragten.
Geringe präventive Wirkung
Wir haben festgestellt, dass die Schutzwirkung unserer Strategien gering ist und bereits beim zweiten Kontakt mit der Desinformation verschwindet, aber auch, dass die in dieser Studie verwendeten Klima-Desinformationen den Glauben der TeilnehmerInnen an den Klimawandel und ihr Verhalten negativ beeinflusst haben.Tobias Brosch , außerordentlicher Professor am Labor für Verbraucherentscheidungen und nachhaltiges Verhalten (CDSB Lab) der Fakultät für Psychologie und Erziehungswissenschaften und am Centre interfacultaire en sciences affectives (CISA) der Universität Genf und letzter Autor der Studie. ’Desinformation ist also extrem überzeugend, mehr als wissenschaftliche Information. Nur die Gruppe ’’Genauigkeit’’, die gebeten wurde, eingehend über die Genauigkeit der Informationen nachzudenken, auf die sie online stießen, zeigte einen leichten Vorteil.’’
’Die Forschung im Bereich der Desinformation befindet sich noch in der Entwicklung. Wir werden daher unsere Arbeit fortsetzen und nach effektiveren Formen der Intervention suchen. Es wird immer dringender, dieses Phänomen zu bekämpfen, da es die Umsetzung einiger dringender Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels verzögert’, so Tobia Spampatti abschließend.
30. Nov. 2023