In einer Zeit, in der die Ökosysteme der Korallen durch menschliche Aktivitäten und den Klimawandel bedroht sind, ist es von entscheidender Bedeutung, ihre Stärken und Schwächen zu verstehen. Mit der Webapplikation RECIFS bieten Wissenschaftler der EPFL ein Werkzeug dafür an.
Die Webanwendung RECIFS (Reef Environment Centralized InFormation System) soll ein Verzeichnis aller Umwelt- und Kontextdaten von Korallenriffen auf der ganzen Welt schaffen. Die Anwendung wurde von Wissenschaftlern der EPFL in Zusammenarbeit mit der Unité Mixte de Recherche de l’Écologie Marine Tropicale des Océans Pacifique et Indien (ENTROPIE) entwickelt und ermöglicht den Vergleich verschiedener Datensätze, um besser zu verstehen, wie sich die Korallen an den Klimawandel und bestimmte menschliche Aktivitäten anpassen - oder auch nicht.
RECIFS wurde auf der Grundlage öffentlicher Referenzdaten konzipiert und enthält fast vier Jahrzehnte an physikalischen (Wassertemperatur, Hitzewellen, Geschwindigkeit der Meeresströmungen usw.) und chemischen (Chlorophyllkonzentration, Salzgehalt, pH-Wert usw.) Informationen. Diese Daten sollen es Wissenschaftlern und lokalen Managern ermöglichen, Hypothesen über ihre Einflüsse aufzustellen und wirksame Erhaltungsstrategien zu entwickeln. Die App listet auch Daten auf, die mit menschlichen Aktivitäten zusammenhängen, wie z. B. die Intensität des umliegenden Schiffsverkehrs, der eine Verschmutzungsquelle darstellt, die Nähe zu einer Stadt und deren Bevölkerungsdichte mit potenziellen Überfischungsproblemen sowie das Vorhandensein von landwirtschaftlichen Flächen und damit von Düngemitteln, die ins Meer geleitet werden. Die Anwendung wurde gerade in der Zeitschrift Global Ecology and Biogeography vorgestellt.
Irreversible Prozesse identifizieren
"Diese Zentralisierung der Daten wird uns helfen, all das zu identifizieren, was in der Vergangenheit irreversible Prozesse wie das durch Hitzewellen verursachte Korallensterben ausgelöst hat. Wir werden auch verstehen können, was bestimmte Riffe vor solchen Schädigungen bewahrt, und können dort, wo es nötig ist, Meeresschutzgebiete errichten", erklärt Oliver Selmoni, Erstautor der Studie, Doktor der Umwelttechnik an der EPFL und Gewinner des Chorafas-Preises 2020 für seine Korallenforschung. Der Forscher nennt als Beispiel das Auftreten aufeinanderfolgender Hitzewellen seit den 2000er Jahren, die mit dem Klimawandel in Verbindung stehen. "Wie viele Hitzewellen mit welcher Intensität sind nötig, damit sich die Korallen anpassen können, ohne abzusterben? Erhöht die lokale Umweltverschmutzung die Widerstandsfähigkeit oder macht sie die Ökosysteme anfälliger? Der Zugriff auf diese Daten an einem Ort ermöglicht die Beantwortung dieser Fragen. Diese Antworten sind umso dringender, als im letzten Jahrzehnt weltweit 14% der Steinkorallen verschwunden sind, vor allem aufgrund von Hitzewellen.
Zwei Fallstudien
Der Artikel, der von der Gruppe für geospatiale molekulare Epidemiologie (GEOME), die mit dem Labor für biologische Geochemie (LGB) der EPFL verbunden ist, geleitet wird, veranschaulicht den Nutzen der Plattform anhand von zwei Fallstudien. Der erste basiert auf einem bereits existierenden Datensatz, der die Artenvielfalt von Korallen in den Riffen der Karibik auflistet. Den Autorinnen und Autoren der Studie gelang es, anhand der 302 Umweltvariablen, die in der Anwendung zusammengefasst sind, die Merkmale zu identifizieren, die die Unterschiede in der Korallenvielfalt in verschiedenen Gebieten der Karibik erklären. Mit anderen Worten: Sie haben herausgefunden, warum die Artenvielfalt in einigen Gebieten hoch und in anderen niedrig ist.
Die zweite Fallstudie befasst sich mit dem Schutz des Gestreiften Schnappers, einer Fischart, die im Nordwesten Australiens laicht. Hier nutzten die Wissenschaftler bereits vorhandene genomische Daten von 1016 Individuen und analysierten das Vorhandensein von genetischen Spuren, die einer lokalen Anpassungsfähigkeit des Fisches an die Bedingungen seines Lebensraums zugrunde liegen könnten. Der Vergleich dieser genomischen Variationen mit den 302 Umweltvariablen der Anwendung legt nahe, dass eine Region, die Shark Bay, eine Population von Gestreiften Schnappern beherbergen könnte, die außergewöhnliche Anpassungsfähigkeiten sowohl an Hitzestress als auch an schwankende Phosphatkonzentrationen aufweist.
Nachdem Oliver Selmoni im Rahmen seiner Doktorarbeit an der Fakultät für natürliche, architektonische und gebaute Umwelt (ENAC) die Korallenriffe Neukaledoniens, des Roten Meeres und des Indischen Ozeans untersucht hatte, kam er auf die Idee, die Anwendung RECIFS zu entwickeln, um Wissenschaftlern und Riffmanagern die weltweiten Umweltdaten im Zusammenhang mit der Erhaltung von Korallen zugänglicher zu machen. Die Plattform wird jährlich aktualisiert und könnte zukünftige Entwicklungen erfahren.
Referenzen
Selmoni, O., Lecellier, G., Berteaux-Lecellier, V., & Joost, S. (2023). "The Reef Environment Centralized InFormation System (RECIFS): An integrated geo-Environmental database for coral reef research and conservation", Global Ecology and Biogeography, 20 March 2023. https://doi.org/10.1111/geb.13657
Die Arbeit wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut de Recherche pour le Développement (IRD) und der Unité Mixte de Recherche (UMR) ENTROPIE mit Sitz in Noumea, Neukaledonien, durchgeführt.
Zentralisierte Umweltdaten für Korallenriffe
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