Forschende finden Hinweise, dass Dürren den Kohlenstoffkreislauf in Regenwäldern in den letzten sechzig Jahren zunehmend beeinträchtigten. Die meisten Klimamodelle erfassen diese Beobachtung nicht. Das könnte bedeuten, dass Landökosysteme als Kohlenstoffsenken in Zukunft weniger CO2 aufnehmen als erwartet.
Pflanzen nehmen CO2 auf um zu wachsen. Dieses entziehen sie der Atmosphäre und bauen daraus mittels Photosynthese und Wasser organische Verbindungen auf. So haben die Ökosysteme an Land in den letzten sechs Jahrzehnten durchschnittlich etwa 32 Prozent der menschengemachten CO2-Emissionen absorbiert. Ob und in welchem Masse die Landvegetation ihre Funktion als Kohlenstoffsenke in einem sich wandelnden Klima aufrechterhalten kann, ist eine zentrale Frage der Klimawissenschaften und politisch hoch relevant.
Das Klimasystem der Erde ist von zahlreichen Rückkopplungen geprägt. Darunter versteht man durch die Erderwärmung ausgelöste Prozesse, die auf den ursächlichen Klimawandel rückwirken und diesen verstärken oder abschwächen. Solche Kohlenstoff-Klima-Rückkopplungen sind sowohl schwer messals auch modellierbar und stellen einen bedeutenden Unsicherheitsfaktor in Klimaprojektionen dar. «Daher ist es schwierig genau zu quantifizieren, wie die Kohlenstoffsenke an Land auf zusätzlichen menschenverursachten Klimawandel reagieren wird», sagt Sonia Seneviratne, Professorin für Land-Klima-Dynamik der ETH Zürich.
Bislang ging die Forschung davon aus, dass die Land-CO2-Senke erst bei einer hohen bis sehr hohen globalen Erwärmung von 2 bis 4 Grad Celsius klar beeinträchtigt würde. Nun findet ein Team von Forschenden unter Leitung von Seneviratne Hinweise, dass die Landökosysteme weniger robust gegenüber Klimaveränderungen sein könnten, als bisher gedacht.
«Wir stellen eine zunehmende Verwundbarkeit der tropischen Kohlenstoffsenke durch Wassermangel fest», sagt Laibao Liu, Postdoktorand in Seneviratnes Gruppe und Erstautor der Studie, über welche die Forschenden aktuell im Wissenschaftsmagazin externe Seite Nature call_made berichten.
Feedback-Schlaufe zwischen Kohlenstoff und Klima
Konkret legen die Resultate den Schluss nahe, dass Dürreperioden den Kohlenstoffkreislauf in den Tropen während der letzten 60 Jahre in steigendem Masse beeinflussten, und zwar so, dass die Vegetation weniger CO2 während Trockenheitsereignissen absorbierte - ein Effekt, den das Gros der Klimamodelle nicht erfassen kann.
Dennoch scheint die Beobachtung in einer bekannten Rückkopplung begründet zu sein: Unter heiss-trockenen Bedingungen stellen Pflanzen die CO2-Aufnahme ein, um Wasserverluste zu vermeiden. Ausserdem finden auch mehr Pflanzesterblichkeit und Feuerereignisse statt, die zu CO2-Verlusten in der Biosphäre führen. Wenn solche Bedingung öfter vorkommen, könnte das die Land-CO2-Senke vermindern und die globale Erwärmung weiter erhöhen.
Bereits 2018 konnte Seneviratnes Team im globalen Massstab zeigen, dass Ökosysteme im Dürrestress weniger Kohlenstoff aufnehmen: In trockenen Jahren steigt die CO2-Konzentration in der Atmosphäre deutlich an. Tatsächlich schwankt die Wachstumsrate des atmosphärischen CO2 von Jahr zu Jahr in Einklang mit der terrestrischen Wasserverfügbarkeit. Die grösste Herausforderung war dabei, herauszufinden, wo weltweit Dürren auftreten. Diese lassen sich seither dank raffinierter Satellitenbeobachtung der terrestrischen Wassserspeicher präzise erheben.
Dürren korrelieren mit Kohlenstoffkreislauf
In der vorliegenden Studie wollten die Forschenden wissen, ob sich der Zusammenhang zwischen dem verfügbaren Wasser und der CO2-Wachstumsrate über die Zeit veränderte. «Da die jährlichen Schwankungen der CO2-Wachstumsrate klar von den Kohlenstoffflüssen zwischen Land und Atmosphäre in den Tropen dominiert werden, konnten wir diese globale Frage anhand von tropischen Klimadaten der letzten sechzig Jahre untersuchen», erläutert Liu.
Die Forschenden konnte so nachweisen, dass sich die Kopplung zwischen der tropischen Wasserverfügbarkeit und der CO2-Wachstumsrate in den jüngsten 30 Jahren von 1989 bis 2018 im Vergleich zur vorherigen Periode von 1960 bis 1989 intensiviert hat.
Mit anderen Worten: Tropisches Wasser - oder genauer dessen Mangel - entwickelte sich zusehends zu einem limitierenden Faktor, der den jährlich schwankenden Kohlenstoffkreis mitsamt seinen Rückkopplungen prägt.
Rückblicke sind keine Prognose
Die Befunde geben Seneviratne Anlass zur Sorge, da sie einen Prozess hervorheben, der die Klimaerwärmung weiter verstärken könnte. Sie will nun herausfinden, was die intensiveren tropischen Dürren und die höhere Empflindlichkeit der tropischen Ökosysteme verursachte, und warum Klimamodelle das nicht erfassen. Eine mögliche Erklärung könnten Änderungen in den räumlichen Eigenschaften von El Niño Southern Oscillation (ENSO) sein, wie die Forschenden in ihrer Studie schreiben. Für gesicherte Antworten ist es aber noch zu früh.
Weiter mahnt Seneviratne zu Vorsicht vor voreiligen Schlüssen. «Unsere Studie schaute zurück - nicht nach vorn. Die Resultate sind keine Prognosen», betont die Klimaforscherin.
Dennoch: Würden Dürren für den Kohlenstoffkreislauf weiter wichtiger, liesse dies nichts Gutes erahnen. «Wir erwarten, dass viele Regionen mit ausgedehnter Vegetation, insbesondere das Amazonasgebiet, bei steigenden Temperaturen stärker von Dürren betroffen sein werden», so Seneviratne.
Dass Klimamodelle die verstärkte Wasserlimitierung nicht wiedergeben, könnte bedeuten, dass die pflanzliche Kohlenstoffaufnahme und Widerstandsfähigkeit gegenüber Dürren bis anhin schlicht Überschätzt wurde. Das würde die Bewertung von Klimazielen und -Massnahmen beeinflussen - «Wir müssten das globale Kohlenstoffbudget für die verbleibenden Emissionen neu berechnen», ergänzt Liu.
Zunächst gilt es nun aber, die Klimamodelle dazu zu befähigen, dass sie die Folgen von Dürren auf den Kohlenstoffkreislauf adäquat berücksichtigen. «Erst dann können wir genauere Prognosen für die künftige Kohlenstoffsenke an Land erstellen», sagt Sonia Seneviratne.
Michael Keller