Ein neuer, unbewehrter Beton soll Abfälle aus Steinbrüchen wiederverwenden und die Verwendung von Zementbindemitteln mit hohem CO2-Ausstoß im Bauwesen reduzieren. An dem Projekt, das auf einer Analyse historischer Archive basiert, sind die EPFL, die ETH Zürich und ein Genfer Architekturbüro beteiligt.
Einige Mauern könnten durchaus ohne Stahlbeton auskommen, ein Material, das den CO2-Fußabdruck des Bauens stark belastet. Diese Mauern könnten sogar aus Abfällen von Steinbrüchen bestehen, die als solche wiederverwendet werden. Um dies zu erreichen, müssen Archive mit vergessenen Bautechniken und Materialmischungen analysiert werden. Aufgrund dieser Überlegungen testeten die Wissenschaftler ihre Hypothese mithilfe des Circular Building Industry Booster (CBI), einem Programm zur Förderung von Innovation und Kreislaufwirtschaft im Bauwesen.
Die Fertigstellung von sechs Prototypen tragender Wände Ende Oktober in Lucery-Villars im Kanton Waadt ebnet somit den Weg für die Wiederverwendung von Abfällen aus Steinbrüchen und die Verwertung von Feldsteinen. An dieser multidisziplinären Zusammenarbeit sind das Archives de la construction moderne (Acm) der EPFL, das Architekturbüro Archiplein und der Lehrstuhl für nachhaltiges Bauen der ETH Zürich beteiligt. Die sechs Prototypen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, um verschiedene Verarbeitungsverfahren und drei Arten von Mörtel als Bindemittel zu testen. Beim ersten Verfahren wird zuerst der Mörtel in die Schalung geworfen und dann die Steine; beim zweiten Verfahren werden die Steine zuerst angeordnet und dann mit Mörtel umhüllt. Was die Mörtelmischungen betrifft, so wurde eine mit einem geringen Zementgehalt, eine mit Kalk und eine mit "nicht vegetabiler", d. h. nicht kultivierbarer Erde hergestellt. Da viele der Steine, die für den Bau dieser Mauern verwendet wurden, sehr groß sind, beschloss das Team, diese Mischungen als "zyklopisch" zu bezeichnen, in Anlehnung an die Bauten der Antike, die mit diesem Projekt wieder in Erinnerung gerufen werden sollen.
Abfallmaterial wird wiederverwertet
Derzeit werden die Steinabfälle vor der Wiederverwendung bearbeitet, was einen hohen Energieaufwand bedeutet. Der wichtigste Bestandteil von Beton ist sein Bindemittel, der Zement, für dessen Herstellung Kalkstein bei 1450 Grad in ständig laufenden Drehrohröfen gebrannt werden muss. Schließlich ist auch die Suche nach inerten Materialien problematisch, da die Rohstoffe für Beton begrenzt sind. "Jahrhundertelang haben sich Bauherren bemüht, den Einsatz von Zement zu reduzieren, und haben aus wirtschaftlichen Gründen Abfallmaterialien aufgewertet, indem sie sie im Beton wiederverwendeten. Heute muss man sich aus ökologischen Gründen an diesen Beispielen aus der Vergangenheit orientieren", stellt Salvatore Aprea, Direktor des Acm, an der EPFL fest. Marlène Leroux, Teilhaberin des Büros Archiplein, ist ihrerseits erstaunt über die aktuelle Situation: "Warum sind wir nicht mehr in der Lage, einfache tragende Mauern mit sehr niedrigem Kohlenstoffgehalt zu errichten, ohne Stahlarmierungen, ohne Zusatzstoffe, ohne Chemie und unter Wiederverwendung von Steinabfall?"
Von der Römerzeit bis zum 19.
Für dieses Projekt durchforstete das Acm-Team die technische Literatur nach historischen Beton- und Zementrezepten, die von der Römerzeit bis ins 18. und 19. Jahrhundert reichen und hauptsächlich in Frankreich und Deutschland zu finden sind. Ihr Ziel war es, Herstellungsverfahren zu finden, die es ermöglichten, Steinabfälle unverändert mit Mörtelmischungen mit geringem oder keinem Zementanteil wiederzuverwenden. "Das Herzstück des Archivs sind Festigkeitstabellen für verschiedene Kalk- und Mörtelmischungen, die experimentell erstellt wurden, indem Mörtel getestet wurden, die in der Regel aus Rohstoffen lokaler oder naher Herkunft bestanden", erklärt der Direktor des Acm. Ergänzend dazu wurden auch alte Betonverarbeitungsmethoden analysiert. So entwickelten an der ETH Zürich Guillaume Habert, assoziierter Professor am Lehrstuhl für nachhaltiges Bauen, und die Architekten Marlène Leroux, Francis Jacquier und der Ingenieur Olivier Dahenne von der Agentur Archiplein numerische Simulationen, um anhand historischer Beispiele neue Mörtelrezepte zu erfinden, die den heutigen Bedürfnissen gerecht werden.
Auf der Grundlage dieser Erfahrungen möchte das Team standardisierte und mechanisierte Verfahren für die Herstellung von Wänden mit geringem CO2-Ausstoß entwickeln, indem es Prototypen, Vergleichstabellen und Festigkeitstests nach dem Vorbild von Ingenieuren und Wissenschaftlern wie Louis Joseph Vicat (siehe oben), Jean-Henri Hassenfratz und John Smeaton herstellt, deren Arbeiten im Rahmen dieses Projekts eingehend analysiert wurden.
Circular Building Industry Booster (CBI)
Referenzen
Projekt Circular Buildling Industry Booster: "Le Béton Cyclopéen ou comment s’inscrire dans le continuum des savoir-faire constructifs à l’aune des problématiques climatiques et environnementales", Marlène Leroux (Mitbegründerin), Guillaume Habert (außerordentlicher Professor für nachhaltiges Bauen an der ETHZ), Francis Jacquier (Architekt), Salvatore Aprea (Direktor ACM Group), Olivier Dahenne (Ingenieur), October 2023.