Wald ist für das Leben in Bächen entscheidend, vor allem im Einzugsbiet und im Oberlauf. Wie gross dieser Einfluss von Wäldern in der Uferzone ist, hat die Eawag-Forscherin Rebecca Oester quantitativ bestimmt und insbesondere bei sensiblen Arten einen grossen Effekt gefunden. Die Arbeit zeigt einmal mehr, wie eng terrestrische und aquatische Lebensräume miteinander verknüpft sind.
Nicht nur auf dem Waldboden, auch in Wasserläufen landet im Herbst eine Menge Laub. Und genau wie auf dem Waldboden gibt es auch in Bächen wirbellose Kleinstlebewesen, die sich von Laub und anderem organischem Material ernähren, es zersetzen oder darin Unterschlupf finden. Darunter zum Beispiel Flohkrebse und Insekten. Ihnen kommt neben Mikroorganismen, wie Bakterien und Pilzen, nicht nur eine Schlüsselrolle im Zersetzungsprozess zu - sie sind ausserdem eine wichtige Nahrungsquelle für Fische. Vor allem die sensibelsten Arten aus der Ordnung der Steinfliegen, der Köcherfliegen und der Eintagsfliegen kommen nur in intakten Bach-Ökosystemen vor, die ihre natürlichen Funktionen erfüllen können.
Welche Rolle spielt die Ufervegetation für Bäche?
Dass dort, wo viel Laub und anderes organisches Material im Bach landet, auch mehr Leben anzutreffen ist, scheint naheliegend. «Tatsächlich wurde aber bisher nur ungenügend untersucht, wie stark die Lebensgemeinschaften in verschiedenen Bachabschnitten von der Ufervegetation beeinflusst werden», sagt Rebecca Oester, Doktorandin am Wasserforschungsinstitut Eawag. Macht es einen Unterschied, ob ein Bach durch Wald oder Wiese fliesst? Und wenn ja, wie verändern sich Vorkommen und Vielfalt der wirbellosen Kleinstlebewesen und die Geschwindigkeit, mit der Laub im Bach abgebaut wird? Diesen Fragen ist die Gewässerökologin Oester in ihrer Doktorarbeit nachgegangen, und zwar im Rahmen eines institutionsübergreifenden Projekts unter der Leitung von Andreas Bruder, Gruppenleiter an der Fachhochschule Südschweiz SUPSI, und Florian Altermatt, Professor für Aquatische Ökologie an der Eawag und Universität Zürich.Erwartungsgemäss wirkten sich die Unterschiede in der Ufervegetation auch auf die Laub-Abbaurate aus: über alle acht Bäche betrachtet wurde das Laub in den Proben der bewaldeten Abschnitte rund dreimal schneller abgebaut. «Mit einem so grossen Unterschied hatten wir nicht gerechnet», sagt Oester. «In den bewaldeten Bachabschnitten waren die laubfressenden Lebewesen also nicht nur zahlreicher, sondern möglicherweise auch aktiver.»
Bäche profitieren vom Wald
Die Ergebnisse untermauern die Bedeutung des Waldes für die Lebensgemeinschaft in Bächen. Rebecca Oester präzisiert: «Besonders wichtig ist der Wald im Einzugsbiet und im Oberlauf. Denn das, was dort an Laub ins Gewässer gelangt, versorgt auch nicht-bewaldete Bachabschnitte flussabwärts mit organischem Material und Nährstoffen.» Bäche profitieren also davon, wenn Wald im Uferbereich erhalten wird und bei Renaturierungen auch die Vegetation rundherum ins Visier genommen wird. Jedoch: «Eine Reihe Bäume links und rechts entlang des Bachs ersetzt noch keinen Wald - im Wald ist der Laubeintrag viel grösser», so Oester.Oester, R.; dos Reis Oliveira, P. C.; Moretti, M. S.; Altermatt, F.; Bruder, A. (2022) Leaf-associated macroinvertebrate assemblage and leaf litter breakdown in headwater streams depend on local riparian vegetation, Hydrobiologia , doi: 10.1007/s10750’022 -05049-7 , Institutional Repository