Elektronik mit Licht steuern: der Magnetit-Durchbruch

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(© Bild: Depositphotos)
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Indem sie verschiedene Lichtwellenlängen auf ein Material namens Magnetit richteten, konnten Wissenschaftler der EPFL den Zustand des Materials verändern und es mehr oder weniger elektrisch leitfähig machen. Diese Entdeckung könnte die Entwicklung innovativer Materialien für die Elektronik ermöglichen.

Magnetit ist der älteste und stärkste natürliche Magnet. Er wird in der Elektronik verwendet und besitzt einzigartige Eigenschaften, die ihn für die Spintronik interessant gemacht haben, bei der die Geräte durch den Spin der Elektronen und nicht durch deren Fluss oder elektrischen Strom betrieben werden. Magnetit hat auch eine Schlüsselrolle beim Verständnis des Magnetismus gespielt und das Interesse von Einstein und anderen berühmten Wissenschaftlern geweckt. Seine magnetischen und elektronischen Eigenschaften werden in den Bereichen Biomagnetismus, Katalyse und Paläomagnetismus erforscht.

In jüngster Zeit hat die Forschung zur Nutzung seiner aus dem Gleichgewicht geratenen Schalteigenschaften eine neue Dimension erreicht und sein Potenzial für Spitzentechnologien unterstrichen. Die Geschichte des Magnetits sowie seine vielfältigen Anwendungen faszinieren weiterhin und regen die wissenschaftliche Entdeckung an.

"Vor einiger Zeit haben wir die Möglichkeit demonstriert, in Magnetit einen umgekehrten Phasenübergang zu induzieren", sagt Fabrizio Carbone, Physiker an der EPFL. "Das ist so, als könnte man Wasser in Eis verwandeln, indem man mit einem Laser Energie in das Wasser injiziert. Das ist paradox, denn um Wasser zu gefrieren, muss man es normalerweise abkühlen, d. h. ihm Energie entziehen."

Fabrizio Carbone leitet heute ein Forschungsprojekt zur Klärung und Kontrolle der mikroskopischen Struktureigenschaften von Magnetit bei diesen lichtinduzierten Phasenübergängen. Dabei wurde entdeckt, dass das System durch die Verwendung spezifischer Lichtwellenlängen (Farben) für die Photoanregung Magnetit in separate metastabile Nichtgleichgewichtszustände ("metastabil" bedeutet, dass sich der Zustand unter bestimmten Bedingungen ändern kann) bringen kann, die als "verborgene Phasen" bezeichnet werden, und damit ein neues Protokoll zur Steuerung von Materialeigenschaften auf ultraschnellen Zeitskalen enthüllt.

Die Ergebnisse, die sich auf die Zukunft der Elektronik auswirken könnten, wurden in der Zeitschrift PNAS veröffentlicht.

Was ist ein "Zustand außerhalb des Gleichgewichts"- Ein "Gleichgewichtszustand" ist ein stabiler Zustand, in dem sich die Eigenschaften eines Materials im Laufe der Zeit nicht ändern, weil die Kräfte, die es bilden, im Gleichgewicht sind. Wenn dieses Gleichgewicht gestört wird, sagt man, dass das Material (das "System", um in der Physik genau zu sein) in einen Zustand außerhalb des Gleichgewichts eintritt und Eigenschaften aufweist, die an der Grenze zum Exotischen und Unvorhersehbaren liegen können.

Die "verborgenen Phasen" von Magnetit

Ein Phasenübergang ist eine Änderung des Zustands eines Materials aufgrund von Veränderungen der Temperatur, des Drucks oder anderer äußerer Bedingungen. Ein gängiges Beispiel ist der Übergang von Wasser vom festen in den flüssigen Zustand oder vom flüssigen in den gasförmigen Zustand, wenn es zum Kochen gebracht wird.

Phasenübergänge in Materialien folgen unter Gleichgewichtsbedingungen in der Regel vorhersehbaren Pfaden. Wenn sich Materialien jedoch nicht mehr in einem Gleichgewichtszustand befinden, können sie beginnen, "verborgene Phasen" zu zeigen, d. h. Zwischenzustände, die normalerweise nicht zugänglich sind. Die Beobachtung verborgener Phasen erfordert fortschrittliche Techniken, die in der Lage sind, schnelle und winzige Veränderungen in der Struktur des Materials zu erfassen.

Magnetit (Fe3O4) ist ein lang erforschtes Material, das für seinen faszinierenden Metall-Isolator-Übergang bei niedrigen Temperaturen und für seine Fähigkeit, Elektrizität zu leiten und aktiv zu blockieren, bekannt ist. Dies ist der sogenannte Verwey-Übergang, der die elektronischen und strukturellen Eigenschaften von Magnetit erheblich verändert.

Durch das komplexe Zusammenspiel seiner Kristallstruktur, seiner Ladung und seiner orbitalen Ordnungen kann Magnetit diesen Metall-Isolator-Übergang bei etwa 125 K durchlaufen.

Ultraschnelle Laser induzieren verborgene Übergänge in Magnetit.

"Um dieses Phänomen besser zu verstehen, haben wir ein Experiment durchgeführt, in dem wir die atomaren Bewegungen beobachtet haben, die bei einer solchen Umwandlung auftreten", erläutert Fabrizio Carbone. "So haben wir herausgefunden, dass die Laseranregung den Festkörper in verschiedene Phasen überführt, die unter Gleichgewichtsbedingungen nicht existieren."

Für das Experiment wurden zwei Wellenlängen verwendet: das nahe Infrarot (800 nm) und das sichtbare Licht (400 nm). Wenn Magnetit durch Lichtimpulse von 800 nm angeregt wird, wird seine Struktur gestört und es entsteht eine Mischung aus metallischen und isolierenden Bereichen. Bei Lichtimpulsen von 400 nm hingegen wird Magnetit zu einem stabileren Isolator.

Um die durch die Laserpulse ausgelösten strukturellen Veränderungen des Magnetits zu verfolgen, verwendeten die Forscherinnen und Forscher die ultraschnelle Elektronenbeugung. Diese Technik ermöglicht es, die Bewegungen von Atomen in Materialien auf Zeitskalen von weniger als einer Pikosekunde zu "sehen" (eine Pikosekunde entspricht einer Billionstelsekunde).

Sie ermöglichte es den Wissenschaftlern zu beobachten, wie sich die verschiedenen Wellenlängen des Laserlichts tatsächlich auf die Struktur des Magnetits auf atomarer Ebene auswirken.

Die Kristallstruktur von Magnetit ist ein "monoklines Gitter", bei dem die Einheitszelle die Form eines schrägen Kastens mit drei ungleichen Kanten hat und zwei seiner Winkel 90 Grad betragen.

Wenn 800 nm Licht auf Magnetit fällt, bewirkt es eine schnelle Kompression des monoklinen Gitters des Magnetits, wodurch es in eine kubische Struktur umgewandelt wird. Dieses Phänomen läuft in drei Schritten über 50 Pikosekunden ab und impliziert, dass im Material komplexe dynamische Wechselwirkungen stattfinden. Umgekehrt bewirkte sichtbares Licht von 400 nm eine Ausdehnung des Gitters, wodurch das monokline Gitter verstärkt und eine geordnetere Phase - ein stabiler Isolator - geschaffen wurde.

Grundlegende Implikationen und technologische Anwendungen

Die Studie zeigt, dass die elektronischen Eigenschaften von Magnetit durch den selektiven Einsatz verschiedener Lichtwellenlängen gesteuert werden können. Das Verständnis dieser lichtinduzierten Übergänge ermöglicht es, wertvolle Einblicke in die grundlegende Physik stark korrelierter Systeme zu gewinnen.

"Unsere Studie ebnet den Weg für einen neuen Ansatz zur Kontrolle von Materie auf einer ultraschnellen Zeitskala durch geeignete Photonenpulse", erklären die Forscherinnen und Forscher. Die Möglichkeit, verborgene Phasen in Magnetit zu induzieren und zu kontrollieren, könnte bedeutende Auswirkungen auf die Entwicklung von hochentwickelten Materialien und Geräten haben. Beispielsweise könnten Materialien, die schnell und effizient von einem elektronischen Zustand in einen anderen übergehen können, in Computer- und Speichergeräten der nächsten Generation eingesetzt werden.

Referenzen

Truc, B., Usaia, P., Pennacchio, F., Berruto, G., Claude, R., Madan, I., Sala, V., LaGrange, T., Vanacore, G. M., Benhabib, S., & Carbone, F. (2024). Ultrafast generation of hidden phases via energy-tuned electronic photoexcitation in magnetite. PNAS 20. Juni 2024. DOI: 10.1073/pnas.2316438121