Ozeanplaneten als Schlüssel zum Rätsel der Exoplaneten

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Exoplaneten mit einem Radius, der doppelt so groß ist wie der der Erde, sind selten. Ein Team des MPIA, der Universität Genf und der UNIBE liefert neue Erklärungsansätze.

Wenn eisige, wasserreiche Oceanplaneten zu ihrem Stern wandern, schmilzt das Eis
Wenn eisige, wasserreiche Oceanplaneten zu ihrem Stern wandern, schmilzt das Eis und bildet schließlich eine dicke Atmosphäre aus Wasserdampf, die ihren Radius vergrößert. Thomas Müller / MPIA
Warum werden so wenige Exoplaneten mit etwa der doppelten Größe der Erde entdeckt? Ein Team des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) und der Universitäten Genf (UNIGE) und Bern (UNIBE) hat anhand von Computersimulationen herausgefunden, dass die Wanderung von eisigen subneptunischen Planeten - sogenannten Ozeanplaneten - eine Erklärung für diese Abwesenheit sein könnte. Wenn sich diese Planeten ihrem Zentralstern nähern, bildet das verdampfende Wassereis eine Atmosphäre, die die Planeten größer erscheinen lässt als im gefrorenen Zustand, weit über einen doppelten Erdradius hinaus. Gleichzeitig verlieren kleine Gesteinsplaneten, die größer als die Erde sind, allmählich einen Teil ihrer ursprünglichen Gashülle, was zu einer deutlichen Verkleinerung ihres Radius führt. Diese Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven für die Erforschung von Exoplaneten. Sie sind in Nature Astronomy zu finden.

Im Jahr 2017 zeigte das Weltraumteleskop Kepler, dass es keine Planeten mit einer Größe von etwa zwei Erdradien gibt. Diese ’Lücke’ in der Radiusverteilung der Planeten wird als ’Subneptunisches Rift’ bezeichnet. Seine Existenz ist eine der wichtigsten Beobachtungsbeschränkungen, um den Ursprung und die Zusammensetzung von Exoplaneten zu verstehen, deren Radius zwischen dem der Erde und dem des Neptuns liegt’, erklärt Julia Venturini, Ambizione-Stipendiatin des SNF, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Departement für Astronomie der Universität Genf, Mitglied des NCCR PlanetS und Koautorin der Studie. ’Wie andere Forschungsgruppen haben wir aufgrund unserer Berechnungen schon vor den Beobachtungen von 2017 vorhergesagt, dass ein solcher Graben existieren muss’, fügt Christoph Mordasini, Professor an der Abteilung für Weltraumforschung und Planetenwissenschaften (WP) der UNIBE, Mitglied des NFS PlanetS und Koautor der Studie, hinzu.

Woher kommt das Subneptunische Rift?

Zwei Arten von Exoplaneten bevölkern das Radiusintervall zwischen einem und vier Erdradien. Zum einen gibt es Gesteinsplaneten - sogenannte ’Supererden’ -, die größer als die Erde sind. Zum anderen Gasplaneten, die sogenannten Subneptunplaneten (oder Mini-Neptune), von denen einige, die sogenannten Ocean-Planeten, so viel Wasser beherbergen könnten, dass ihre Oberfläche von einem mehrere Dutzend Kilometer tiefen Eismeer bedeckt wäre. Von diesen beiden Arten von Planeten, den Supererden und den Subneptuniern, entdecken die Astronomen nur sehr wenige mit einem Radius, der doppelt so groß ist wie der der Erde.

Der am häufigsten vorgeschlagene Mechanismus für die Entstehung eines solchen Grabens ist, dass die Planeten durch die Strahlung des Sterns einen Teil ihrer ursprünglichen Atmosphäre verlieren. Diese Erklärung geht davon aus, dass die Planeten sehr nahe an ihrem Stern entstehen und bleiben, wo sie trocken und ohne Wasser wären", sagt Julia Venturini. ’Diese Erklärung widerspricht jedoch den Entstehungsmodellen, die zeigen, dass Planeten mit einer Größe zwischen zwei und vier Erdradien, die sogenannten Ocean-Planeten, normalerweise aus den entferntesten eisigen Regionen des Sternensystems stammen’.

Es gibt also zahlreiche Hinweise darauf, dass sich einige Planeten im Laufe ihrer Entwicklung von ihrem Geburtsort entfernen könnten, indem sie in ihr System hinein oder aus ihm heraus wandern. Eine solche Wanderung würde es Planeten, die in kalten und eisigen Regionen entstanden sind, wie z.B. Ocean-Planeten, ermöglichen, ihre Entstehung auf Umlaufbahnen zu beenden, die sehr nahe an ihrem Stern liegen.

Wandernde Planeten-Ozeane

Während die eisigen, wasserreichen Ozeanplaneten zu ihrem Stern wandern, schmilzt das Eis und bildet schließlich eine dicke Wasserdampfatmosphäre. Dieser Prozess führt dazu, dass ihr Radius auf etwas höhere Werte jenseits eines doppelten Erdradius ansteigt. Umgekehrt ’schrumpfen’ die wasserarmen Supererden, indem sie unter dem Einfluss des Sterns die flüchtigen Gase ihrer ursprünglichen Atmosphäre wie Wasserstoff und Helium verlieren.

Kombinierte Computermodelle der Entstehung und Entwicklung deuten daher darauf hin, dass die Wanderung der Ozeanplaneten wesentlich zur großen Zahl der nachgewiesenen Planeten mit einem Radius größer als zwei Erdradien beiträgt, während die atmosphärische Verdunstung der Supererden zur Überzahl der Planeten mit einem Radius kleiner als zwei Erdradien beiträgt. Im Zentrum dieser beiden Populationen befindet sich der Subneptunische Graben. ’Dieses Ergebnis hatten wir bereits im Jahr 2020 erzielt. Die neue Studie bestätigt es mit einem anderen Entstehungsmuster. Dies untermauert die Schlussfolgerung, dass subneptunische Planeten hauptsächlich Wasserwelten sind’’, sagt Julia Venturini, die auch die Studie von 2020 leitete.

Weitere Arbeiten in der Zukunft

Diese Arbeit erklärt nicht nur ein bislang rätselhaftes Phänomen, sondern eröffnet auch neue Perspektiven für die Erforschung von Exoplaneten. Wenn wir unsere Ergebnisse auf gemäßigtere Regionen ausdehnen, in denen Wasser flüssig ist, könnte dies auf die Existenz von Wasserwelten mit tiefen flüssigen Ozeanen hindeuten", erklärt Christoph Mordasini. Solche Planeten könnten potenziell Leben beherbergen und wären aufgrund ihrer Größe relativ einfache Ziele für die Suche nach Biomarkern".

Beobachtungen mit Teleskopen wie dem James Webb Space Telescope oder dem im Bau befindlichen Extremely Large Telescope könnten ebenfalls hilfreich sein. Sie würden es ermöglichen, die atmosphärische Zusammensetzung der Planeten in Abhängigkeit von ihrer Größe zu bestimmen und damit die beschriebenen Simulationen zu testen.

9. Feb. 2024