Ein Team der Universität Genf und des Universitätsspitals Genf (HUG) enthüllt die Rolle der Mikrobiota bei der Erhöhung des Risikos einer Lebererkrankung bei Nachkommen von Müttern, die an Fettleibigkeit leiden.
Die Fettleibigkeit, die in einigen reichen Ländern bis 2030 50% der Bevölkerung betreffen könnte, ist ein großes Problem für die Öffentliche Gesundheit. Sie beeinträchtigt nicht nur die Gesundheit der Menschen, die an ihr leiden, sondern könnte auch schwerwiegende Folgen für die nachfolgenden Generationen haben. Wissenschaftler der Universität Genf und des Universitätskrankenhauses Genf (HUG) haben untersucht, wie sich mütterliche Fettleibigkeit auf das Risiko auswirkt, eine Lebererkrankung oder Leberkrebs zu entwickeln. Anhand des Tiermodells fand das Team heraus, dass dieses Risiko bei den Nachkommen von Müttern, die an Fettleibigkeit litten, wesentlich höher war. Die Gründe dafür sind unter anderem eine von der Mutter geerbte Verarmung der Darmmikrobiota und ein metabolisches Ungleichgewicht, das sich erst im Erwachsenenalter auswirkt. Diese Ergebnisse, die noch beim Menschen bestätigt werden müssen, sind ein Warnsignal und ein Aufruf zum Handeln, um die schädlichen Auswirkungen der Fettleibigkeit auf Kinder zu begrenzen. Die Arbeit ist in der Fachzeitschrift JHEP Reports zu finden.Die Wissenschaft vermutet, dass die Fettleibigkeit der Mutter das Stoffwechselgleichgewicht des ungeborenen Kindes stört und sogar das Risiko für Kinderkrebs und Darmkrebs im Erwachsenenalter erhöht. Aber in welchem Ausmaß? Wir wollten herausfinden, ob Kinder von übergewichtigen Müttern ein höheres Risiko haben, Krankheiten zu entwickeln und welche biologischen Mechanismen dabei eine Rolle spielen", erklärt Christian Toso, ordentlicher Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität Genf und Chefarzt der Abteilung für Viszeralchirurgie am Universitätsspital Genf, der die Arbeit leitete. ’Denn während das Risiko von Leberkrebs aufgrund von Leberviren sinkt, nehmen Lebererkrankungen im Zusammenhang mit Fettleibigkeit stetig zu.’
Die Wissenschaftler untersuchten zwei Gruppen von weiblichen Mäusen: Die erste Gruppe wurde mit einer fett- und zuckerreichen Diät gefüttert - ähnlich wie Junkfood - und wurde schnell fettleibig. Die zweite Gruppe - die Kontrollgruppe - wurde normal ernährt. Die aus diesen beiden Gruppen hervorgegangenen Tiere erhielten anschließend alle eine normale Ernährung und waren nicht übergewichtig. Der einzige Unterschied bestand also darin, dass die erste Gruppe mütterlicherseits fettleibig war. Mit 20 Wochen, was dem menschlichen Erwachsenenalter entspricht, gab es keine nennenswerten Unterschiede", erklärt Beat Moeckli, Oberarzt und Forscher im Team von Toso, dem Erstautor der Arbeit. ’Im Gegensatz dazu begann sich die Lebergesundheit der ersten Gruppe im Alter von 40 Wochen, einem Senior-Alter bei Mäusen, zu verschlechtern. Alle Parameter der Lebererkrankung - Fettablagerungen, Fibrosen, fortgeschrittene Leberschäden und Entzündungen - waren bei den Nachkommen von fettleibigen Müttern bekanntermaßen höher. Dies sind die Hauptrisikofaktoren für Leberkrebs beim Menschen.
Von der Krankheit zum Krebs: Die Rolle der Mikrobiota
Um zu bestätigen, ob diese Mäuse ein höheres Risiko hatten, an Leberkrebs zu erkranken, injizierte das Team zwei Gruppen dieser Mäuse unmittelbar nach dem Abstillen ein Karzinogen. Und tatsächlich: Die Nachkommen von Müttern mit Fettleibigkeit hatten ein 80%iges Risiko, an Krebs zu erkranken, verglichen mit 20% in der Kontrollgruppe. Die Fettleibigkeit der Mutter wirkt sich also noch lange nach der Geburt auf ihre Nachkommen aus, die offenbar trotz ihrer eigenen Lebensumstände eine Stoffwechselstörung erben", analysiert Beat Moeckli. Fettleibigkeit verändert die Zusammensetzung und die Vielfalt der Mikrobiota der Mutter, die an die nächste Generation weitergegeben wird und das ganze Leben lang bestehen bleibt.
Als die Wissenschaftler jedoch Mäuse aus beiden Gruppen in denselben Käfig setzten, beobachteten sie eine Normalisierung der Mikrobiota. Da Mäuse koprophag sind (sie fressen ihre eigenen Exkremente), teilen sie schnell die gleichen mikrobiologischen Stämme. Dadurch steigt die bakterielle Vielfalt und begünstigt die guten Bakterien. So gewinnt die gesunde Mikrobiota auf natürliche Weise wieder die Oberhand und die Marker für Lebererkrankungen gehen stark zurück. ’Wir sehen einen klaren Effekt der Mikrobiota auf das Risiko, an Leberkrebs zu erkranken, was auf die zentrale Rolle der Mikrobiota bei der Übertragung des Krankheitsrisikos von der Mutter auf das Kind hinweist’.
Die Junk-Food-Diät fördert die Vermehrung schlechter Bakterien und verringert die bakterielle Vielfalt. Diese veränderte Mikrobiota, die bei der Geburt weitergegeben wird, führt dann zu einer stärkeren Entzündung in der Leber und erzeugt im Laufe der Zeit Fibrose und Steatose (übermäßiger Fettgehalt), die wiederum das Risiko für Leberkrebs erhöhen. Eine Normalisierung der Mikrobiota normalisiert auch das Krebsrisiko.
Und beim Menschen?
Diese Daten stammen aus einer Studie an einem Tiermodell in einer streng kontrollierten Umgebung. Um daraus Schlussfolgerungen für die klinische Anwendung ziehen zu können, müssen sie am Menschen unter realen Lebensbedingungen bestätigt werden. Ein erster Schritt wird eine epidemiologische Studie mit großen Datenbeständen sein, die aus der Beobachtung von Müttern und ihren Kindern über mehrere Jahrzehnte hinweg stammen. Es ist jedoch bereits möglich, die Mikrobiota zu verändern, insbesondere durch Probiotika. Der Nachweis seiner Bedeutung für diesen Mechanismus eröffnet neue therapeutische Perspektiven’, schlussfolgern die Wissenschaftler.