Wissenschaftler der Universität Genf haben zum ersten Mal in einem Film den Aufbau des menschlichen Zentriols rekonstruiert, einer der wichtigsten Strukturen, aus denen unsere Zellen bestehen.
Zellen enthalten verschiedene spezialisierte Strukturen - wie den Zellkern, die Mitochondrien oder die Peroxisomen - die als ’Organellen’ bezeichnet werden. Die Rückverfolgung ihrer Entstehung und die Bestimmung ihrer Struktur ist von grundlegender Bedeutung, um die Funktionsweise der Zellen zu verstehen und die mit ihren Funktionsstörungen verbundenen Pathologien zu begreifen. Wissenschaftler der Universität Genf haben hochauflösende Mikroskopie und kinematische Rekonstruktionstechniken kombiniert, um die Entstehung des menschlichen Zentriols in Bewegung zu visualisieren. Dieses Organell, das für die Organisation des Zellskeletts unerlässlich ist, wird - wenn es nicht funktioniert - mit bestimmten Krebsarten, Hirnleistungsstörungen und Netzhauterkrankungen in Verbindung gebracht. Diese Arbeiten, die in der Zeitschrift Cell zu lesen sind, ermöglichen es, die Komplexität des Aufbaus des Zentriols zu entschlüsseln. Sie eröffnen auch zahlreiche Perspektiven für die Erforschung anderer Zellorganellen.Die Entstehung von Organellen verläuft nach einer genauen Abfolge von aufeinanderfolgenden Ereignissen, bei denen verschiedene Proteine rekrutiert werden. Die Visualisierung dieser Zusammenstellung in Echtzeit ermöglicht ein besseres Verständnis der Rolle dieser Proteine in der Struktur oder Funktion des Organismus. Allerdings stößt das Erstellen von Videosequenzen mit einer ausreichenden Auflösung, um solch komplexe mikroskopische Komponenten zu unterscheiden, an technische Grenzen.
Zellen aufblasen, um sie besser beobachten zu können
Dies gilt insbesondere für das Zentriol. Dieses Organell, das weniger als 500 Nanometer, also halb so groß wie ein tausendstel Millimeter, ist, besteht aus etwa 100 verschiedenen Proteinen, die in sechs substrukturellen Domänen organisiert sind. Bis vor wenigen Jahren war es unmöglich, die Struktur des Zentriols im Detail zu visualisieren. Das Labor von Paul Guichard und Virginie Hamel, Co-Forschungsleiter/in an der Abteilung für Molekular- und Zellbiologie der wissenschaftlichen Fakultät der Universität Genf, hat dies durch die Anwendung der Expansionsmikroskopietechnik geändert. Diese hochmoderne Technik ermöglicht es, Zellen und ihre Bestandteile allmählich aufzublasen, ohne sie zu verformen, um sie dann - mit herkömmlichen Mikroskopen - mit einer sehr hohen Auflösung beobachten zu können.
"Wir konnten diese Tausende von zufällig aufgenommenen Bildern neu platzieren, um die verschiedenen Phasen der Bildung der Substrukturen des Zentriols zu rekonstruieren."
Bilder des Zentriols mit einer solchen Auflösung zu erhalten, ermöglicht es, die Proteine zu einem bestimmten Zeitpunkt genau zu lokalisieren, gibt aber keine Auskunft über die Reihenfolge, in der die substrukturellen Domänen oder die einzelnen Proteine entstanden sind. So analysierte Marine Laporte, ehemalige Oberassistentin in der Genfer Gruppe und Erstautorin der Studie, mittels Expansionsmikroskopie in über tausend Zentriolen in verschiedenen Stadien des ’Wachstums’ die Lokalisierung von 24 Proteinen, die auf die sechs Domänen verteilt waren.Bilder in Bewegung setzen
’Dieser sehr zeitaufwendigen Arbeit folgte eine pseudotemporale kinematische Rekonstruktion. Das heißt, wir konnten diese Tausenden von Bildern, die zufällig während der Biogenese des Zentriols aufgenommen wurden, in eine chronologische Reihenfolge bringen, um die verschiedenen Schritte der Bildung der Substrukturen des Zentriols mit Hilfe einer von uns entwickelten Computeranalyse zu rekonstruieren’, erklärt Virginie Hamel, die für die Studie mitverantwortlich ist.
Dieser einzigartige Ansatz, der die sehr hohe Auflösung der Expansionsmikroskopie mit der kinematischen Rekonstruktion kombiniert, hat es ermöglicht, den ersten 4D-Zusammenbau des menschlichen Zentriols zu modellieren. Unsere Arbeit wird unser Verständnis der Bildung des Zentriols vertiefen, aber sie eröffnet auch unglaubliche Perspektiven in der Zell- und Molekularbiologie, da diese Methode auch auf andere Makromoleküle und Zellstrukturen angewendet werden kann, um deren Zusammenbau in Raum und Zeit zu untersuchen", schließt Paul Guichard.
10. Apr. 2024