Die Biodiversität an den Schnittstellen vom Wasser zum Land ist besonders hoch. Und sie steht besonders unter Druck. Denn alle wollen ans Wasser, brauchen Wasser oder aber wollen das Wasser schnellstmöglich loswerden.
Die vom ETH-Rat geförderte, gemeinsame Forschungsinitiative «Blue-Green Biodiversity» (BGB) der beiden Institute WSL und Eawag hat deshalb seit 2020 die Biodiversität an den Schnittstellen von aquatischen und terrestrischen Ökosystemen näher erforscht. Heute Dienstag, 3. September, werden am Infotag Spezial in Dübendorf vor über 200 Fachleuten Resultate vorgestellt. Stellvertretend hier drei Beispiele.
Biodiversität existiert in vielen Bereichen der Politik kaum
Nebst Biologinnen und Ökologen, Umweltingenieurinnen, Gewässerexperten und weiteren Fachleuten haben sich im Rahmen der BGB-Initiative auch Umweltsozialwissenschafter mit der Thematik befasst. In Sessionsprotokollen von Nationalund Ständerat, Rechtstexten, Bundesgerichtsurteilen, Expertisen etc. haben sie nach Bezügen zur Biodiversität gesucht. 440’000 Dokumente haben die Forschenden durchpflügt und nach Begriffen wie «Moor», «Fischtreppe» oder «invasive Art» gesucht. Ihr Fazit: Nur gerade in 1.6 % aller Dokumente wird ein Bezug zur Biodiversität hergestellt. In vielen relevanten Politikbereichen wie zum Beispiel Raumplanung oder Verkehr kommt Biodiversität kaum zur Sprache. «Angesichts der Tatsache, dass Erhalt und Förderung von Biodiversität koordinierte Massnahmen in einem breiten Spektrum von Politikbereichen bedingen, ist das keine gute Nachricht», sagt Manuel Fischer, Leiter der Eawag-Abteilung Umweltsozialwissenschaften. «Anders als Krankenkassenprämien oder Überschwemmungen hat Biodiversität kaum je Konjunktur», sagt er. Zudem sei das Thema stark zerstückelt in Unterthemen, die kaum zusammen diskutiert werden: «Dass der Schutz von Amphibien und der Bau von naturnahen Hochwasserrückhalteräumen zusammenhängen können, ist vielen nicht bewusst», so Fischer.Nass, feucht oder wechselfeucht - blaue und blau-grüne Lebensräume sind zentral für die Biodiversität in der Stadt. Forschende haben im Rahmen der BGB-Initiative untersucht, was entlang von ausgedolten Bächen sowie an neu angelegten Weihern oder auf Gründächern in der Stadt Zürich schwimmt, kriecht oder wächst. Sie fanden eine hohe Vielfalt an Arten und konnten zeigen, dass nicht nur aquatische oder halb-aquatische Arten, wie Libellen oder Amphibien, sondern auch Vögel, Schmetterlinge, Heuschrecken und vor allem wirbellose Kleintiere von den aufgewerteten Lebensräumen profitieren. «Zudem», so der WSL-Ökologe Marco Moretti, «haben blau-grüne Lebensräume und -Infrastrukturen eine Schlüsselfunktion für die Verbreitung vieler Arten. Sie bilden Trittsteine und wertvolle Korridore, die eine widerstandsfähige Biodiversität stärken.» Umweltingenieurin Lauren Cook von der Eawag geht noch weiter: «Im städtischen Umfeld kann gut angelegte blau-grüne Infrastruktur viele Funktionen gleichzeitig erfüllen - wie ein Schweizer Taschenmesser», sagt sie. Bepflanzte Versickerungsmulden zum Beispiel haben zusätzlich zur Stärkung der Biodiversität den folgenden Nutzen: Sie
- sind effiziente Speicher und geben das Wasser kontrolliert ab,
- können das Grundwasser auffüllen,
- reduzieren bei Starkregen den Überlauf von Schmutzwasser in Bäche (wird das Wasser von 20% eines Einzugsgebiets zurückgehalten, können Schmutzwasserüberläufe um 80% verringert werden),
- helfen bei der Hitzeminderung,
- können CO2 absorbieren und Treibhausgasemissionen reduzieren,
- steigern die Qualität für Wohnen und Naherholung.