Raissa Iametti, Studierende an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW, wollte herausfinden, wie eine Kunsthochschule inklusiv werden könnte. Sie besuchte dafür Kunstschaffende mit Beeinträchtigung und sagt: «Was ich gesehen habe, hat mich tief beeindruckt.» Raissas Bachelor-Arbeit ist nun als Buch erschienen.
Raissa, wie bist du auf das Thema deiner Bachelorarbeit gekommen’
Raissa Iametti: Ich war im vierten Semester des Studiums an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW im Studiengang Vermittlung von Kunst und Design ein Semester lang an der Hochschule für Künste in Zürich (ZHdK). Das war ähnlich wie ein Erasmus-Semester. Wegen Covid blieb ich zwar im Inland, machte aber auch in Zürich neue wertvolle Erfahrungen. In Zürich standen verschiedene Projekte zur Auswahl. Ich fühlte mich auf Anhieb mit «Atelier inklusiv» verbunden, einem Kooperationsprojekt zwischen Studierenden und Kunstschaffenden mit psychischer Erkrankung. Das Thema Inklusion an Hochschulen und in der Kunst waren für mich Neuland, Inklusion an sich hingegen nicht.
Inwiefern’
Ich leite seit acht Jahren zeitweise eine inklusive Kindergruppe im Tessin. Die Hälfte der Teilnehmenden sind Menschen mit Behinderungen, die andere Hälfte ohne. Dort sehe ich jeweils, wie die Magie durch Inklusion passiert.
Was meinst du damit’
Es ist jedes Mal magisch, wenn sich Kinder und Jugendliche mit und ohne Beeinträchtigung als gleichberechtigte Partner*innen sehen. Es existieren für einmal keine Barrieren, wie sie sonst von der Gesellschaft aufgestellt und im Lauf des Lebens Übernommen werden.
Wie verlief die Projektarbeit’
Während eines ganzen Semesters waren wir in einem intensiven Austausch mit Künstler*innen mit besonderer Voraussetzung, wir arbeiteten gemeinsam und stellten eine Ausstellung auf die Beine. Wir setzten uns auch zusammen mit Fachpersonen mit aktuellen gesellschaftlichen Trends auseinander.
Und was hast du mitgenommen’
Zusammengefasst kann ich sagen: Es gibt Menschen mit Beeinträchtigungen, die ihre künstlerische Tätigkeit nicht als Kunsttherapie in geschützten Ateliers verstehen, sondern diese Tätigkeit als ihren Beruf betrachten. Dies zu beobachten, war sehr beeindruckend und auch neu für mich.
Welche Schlüsse hast du in deiner Bachelorarbeit gezogen in Bezug auf Ausbildung’
Um herauszufinden, ob eine inklusive Kunsthochschule erwünscht wäre und wie diese aussehen könnte, führte ich mit den Kunstschaffenden Interviews. Für eine inklusive Kunsthochschule bräuchte es die Anpassung des Studiengangs nach den spezifischen Bedürfnissen der Menschen mit Beeinträchtigung, die Anwendung differenzierter pädagogischer Methoden, ständige und gezielte Unterstützung durch Fachpersonen sowie der Einsatz einer professionell geschulten Figur als Begleitung vor Ort.
Ist eine inklusive Kunsthochschule deiner Meinung nach realisierbar’
Es bräuchte einiges mehr als eine Veränderung des Schulsystems an sich. Nötig wären gesellschaftliche und politische Veränderungen. Leider ist das ein sehr langsamer Prozess.
Deine Bachelor-Arbeit ist auch als Buch herausgekommen. Wie kam es dazu’
Die Publikationsanfrage kam unerwartet. In der Regel werden ja nur Doktorarbeiten publiziert, Masterarbeiten manchmal, Bachelorarbeiten fast nie. Die zuständige Verlagsredaktorin war auf der Liste der Abschlussarbeiten, die von der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW jeweils veröffentlicht wird, auf meine Arbeit aufmerksam geworden. Ich habe dann mit der Studiengangsleiterin Beate Florenz Kontakt aufgenommen und die urheberrechtlichen Fragen geklärt.
Wie ging es für dich nach dem Bachelor weiter’
Ich bin jetzt an der Universität Freiburg im Master-Studiengang Sonderpädagogik und forsche weiter auf dem Gebiet Kunst und Behinderung. Was ich im Bachelor gelernt habe, war grundlegend.