Der weibliche Dschihad -Verborgen unter dem Schleier

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In einem Umfeld, in dem weibliche Märtyrer tendenziell als Opfer wahrgenommen werden, untersucht die These der Doktorandin Géraldine Casutt, Assistentin in Religionswissenschaften der Universität Freiburg, die Frage eines Dschihad der Frauen aus der Perspektive des freien Willens und Eigenmotivation dieser Akteurinnen der heutigen Zeit. Wer sind die jungen Mädchen, die aus Europa nach Syrien reisen? Wie erleben deren Eltern diese Trennung? Im Rahmen ihrer Arbeit hat die Religionssoziologin den Journalisten David Thomson und den Salafismus-Experten Samir Amghar eingeladen, die sich zum Platz der Religion im Dschihad unterhalten. Organisiert wird diese Sonderveranstaltung durch die Universität Freiburg.

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Nach einem prägenden Aufenthalt in Palästina entschied sich Geraldine Casutt, ihr Interesse der Figur der Frau im Dschihadismus und deren Verhältnis zur Gewalt zu widmen. „Zum ersten Mal war ich mit den Selbstmordanschlägen und dem Konzept des Martyriums in der Zivilgesellschaft konfrontiert. Im Bezug auf weibliche ‚Menschen-Bomben’ habe ich festgestellt, dass zwischen der ihnen zugeteilten Opferrolle, einer Art ‚bevormundeter Gewalt’, und ihrer freiwilligen ,Entweiblichung’ noch kein Forscher das untersucht hat, was ich den ‚goldenen Mittelweg’ nenne“, erklärt die Doktorandin. So beschloss sie, ihre Doktorarbeit der Frage zu widmen „wie man Dschihadist, aber auch Frau sein kann“. Sie studierte zunächst die Situation in Afghanistan, Bosnien und Afrika. Als 2013 der Syrienkonflikt ausbrach, gab dies ihrer Untersuchung eine neue Wendung und sie fokussierte auf die jungen Europäerinnen, die alles hinter sich liessen, um in den Dschihad zu ziehen. „Die Medien berichteten oft über diesen Aufbruch nach Syrien. Es war schwierig den Familien verständlich zu machen, dass ich nicht Journalistin bin, sondern dass mein Ansatz das Zuhören war und ich ihnen mit Respekt begegnen wollte, um die Motivation dieser jungen Mädchen zu verstehen. Ich hatte die Chance, eine französische Mutter und andere Menschen zu treffen, die beschlossen haben, mir zu vertrauen und mir auch ihre Geschichte anvertrauten“, erzählt Casutt.
„Niemand wird als Terrorist geboren“

Gleichzeitig trat sie mit den jungen Mädchen über soziale Netzwerke in und schaffte es, mit einigen von ihnen auch nach deren Abreise noch im Gespräch zu bleiben. Sie stellte einfache Fragen und betrachtete die Antworten als Teil eines friedlichen Dialoges und einer wissenschaftlichen Analyse – ohne darüber zu Richten. „Mein Ziel ist es, den Akteurinnen das Wort zu geben, auch wenn dies manchmal heikle Fragen aufwirft“, erzählt die Religionssoziologin. Es ist ein nachvollziehbarer Schluss, dass sie sich entschieden hat, ihr Interesse auf die Eltern dieser jungen Erwachsenen zu fokussieren. Besonders auf die Mütter, die von der öffentlichkeit schnell verurteilt werden, sie hätten bei der Erziehung ihrer Kinder versagt. „Dieser Diskurs beinhaltet sehr viel Gewalt. Tiefe Emotionen werden wachgerüttelt und schnelle Urteile können sehr viel Schaden anrichten. Dschihadismus ist keine einfache Form von Gewalttätigkeit und die Eltern sind auch Opfer. Selbsthilfegruppen organisieren sich in Frankreich und Belgien. Ich hoffe, dass meine Forschungsarbeit etwas ähnliches in der Schweiz schaffen kann, um Vätern und Müttern zu zeigen, dass sie nicht alleine sind.“
Prävention durch Verständnis

Religiöse Radikalisierung ist ein heisses Thema und die Vorurteile sind hart. „Es ist notwendig, die richtigen Worte und die korrekten Definitionen zu verwenden. Deshalb arbeite ich mit Spezialisten zusammen, darunter der Journalist David Thomson und Samir Amghar, ein Salafismus-Experte. Ich schätze es ist wichtig zu hören, was sie zu sagen haben. Durch das Verständnis der verschiedenen Aspekte, nicht durch das Verurteilen, kann Prävention organisiert werden“, weiss Casutt. In der Sonderveranstaltung, die durch die Universität Freiburg organisiert wird, debattieren die zwei Gäste zum Platz der Religion im Dschihad – der Erste aus der praktischen, der Zweite aus der eher theoretischen Perspektive. „Die Muslime sind die Ersten, die eine Abreise zum Dschihad und nach Syrien hinterfragen, auf der Suche nach einer religiösen Rechtfertigung. Aber hat jemand nach dem Einfluss von Spiritualität, Glauben oder nach dem Geisteszustand der jungen Mädchen gefragt? Es ist wichtig, die Dschihadisten als Menschen wahrzunehmen und nicht nur als Terroristen; es ist unerlässlich, die Natur des radikalen Islams, und die gelebte Religion des Dschihadisten zu betrachten“, schliesst die Forscherin.
Die Veranstaltung «La religion du jihad et le jihad comme religion: quelle place pour l’argument religieux dans les motivations des candidats au jihad en Syrie?» findet am 29. September 2015 um 18.15 Uhr im Saal C 120, Bd de Pérolles 90, 1700 Freiburg statt.
http://agenda.unifr.ch/­e/de/1028/