Die faszinierende Wissenschaft hinter dem Kochen entdecken

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(Bild: ETH Zürich / Giulia Marthaler)
(Bild: ETH Zürich / Giulia Marthaler)
Thomas Michaels, ETH-Professor für Physik der weichen und lebenden Materie, ruft mit «Cook the Science» eine ETH-Kochshow ins Leben. Zusammen mit renommierten Köchinnen und Lebensmittelherstellern enthüllt er die wissenschaftlichen Prinzipien hinter dem Kochen - von grundlegenden physikalischen und chemischen Eigenschaften der Lebensmittel bis hin zu den Veränderungen, die während des Kochens stattfinden.

Sie sind Professor für Physik der weichen und lebenden Materie an der ETH und starten nun die Kochshow «Cook the Science». Wie kam es dazu?
Thomas Michaels:
Vielleicht liegt das nicht gleich auf der Hand, aber Kochen ist eine wunderbare Gelegenheit, etwas über Wissenschaft zu erfahren. Wir alle geniessen gutes Essen. Wenn wir uns nun fragen, warum ein bestimmtes Gericht gelingt, hält die Wissenschaft Erklärungen bereit. Haben Sie sich jemals gefragt, warum Pizzateig so eine weiche Konsistenz hat? Oder wie man ein Ei so kocht, dass es jedes Mal perfekt gelingt? Die Antworten liegen in grundlegenden wissenschaftlichen Prinzipien wie Thermodynamik oder Elastizität. Physik liefert den Rahmen, um Lebensmittel und die Prozesse, die während des Kochens ablaufen, zu verstehen.

Thomas Michaels ist Assistenzprofessor für Physik Weicher und Lebender Materie am Departement für Biologie der ETH Zürich. Seine Forschung konzentriert sich auf die Theorie komplexer biologischer Systeme, die er mittels Steuerungstheorie, Physik und Computational Biology untersucht. Der Schwerpunkt seiner aktuellen Arbeit liegt darauf, zu verstehen, wie funktionelle und pathologische biomolekulare Aggregationsprozesse in lebenden Systemen zeitlich und räumlich reguliert werden können.

Der gebürtige Tessiner hat einen Masterabschluss in Physik und Mathematik von der ETH Zürich sowie einen Doktortitel in Biophysikalischer Chemie von der Universität Cambridge. Nach einem Postdoc an der Harvard University und einer Assistenzprofessur am University College London kam er 2022 an die ETH Zürich. Inspiriert von der Vorlesungsreihe "Science and Cooking" in Harvard startet Thomas 2024 seine eigene Kochshow «Cook the Science» an der ETH Zürich

Sie sind Professor für Physik der weichen Materie. Was verbirgt sich dahinter?
Physik weicher Materie ist ein relativ junges Gebiet. Manchmal wird sie auch als «Alltagsphysik» bezeichnet, weil sie sich mit Phänomenen unseres täglichen Lebens beschäftigt. Eigentlich befasst sich Physik mit Feststoffen wie Metallen oder Flüssigkeiten wie Wasser. Doch gerade in der Küche liegen die meisten Produkte irgendwo dazwischen. Viele Lebensmittel gehören in die Kategorie der weichen Materie. Nehmen Sie zum Beispiel Mayonnaise: Es ist doch erstaunlich, wie durch Verrühren von Öl und Eiern - beides Flüssigkeiten - eine Mischung entsteht, die sich ganz anders verhält. Mayonnaise hält ihre Form und ist weder flüssig noch festein klassisches Beispiel für weiche Materie. Noch interessanter wird es bei Schlagrahm: Man schlägt Rahm - eine Flüssigkeit - mit Luft - einem Gas - und erhält ein Ergebnis, das nicht mehr flüssig ist und Eigenschaften eines Feststoffes aufweist. Weiche Materie ist die Physik, die uns hinter all diesen faszinierenden Phänomenen des Kochens begegnet.

Bei «Cook the Science» geht es also um physikalische Phänomene in der Küche?
Ja, wir wollen gemeinsam die wissenschaftlichen Prinzipien erkunden, die dem Kochen zugrunde liegen. Dafür arbeiten wir mit bekannten Köchinnen und Lebensmittelherstellern zusammen. Jede Veranstaltung ist einem bestimmten wissenschaftlichen Thema wie der Thermodynamik oder der Elastizität gewidmet. Die Köchinnen und Köche werden passende Speisen zubereiten und ihre Tipps, Tricks und Rezepte präsentieren. Gleichzeitig gehen wir den Rezepten wissenschaftlich auf den Grund, um zu verstehen, warum sie funktionieren.

Dürfen Sie schon verraten, wer Ihre ersten Gäste sein werden?
Im Oktober starten wir mit Rebecca Clopath, einer jungen Köchin, die auf einem Bauernhof in den Bündner Bergen ein wunderbares kleines Restaurant führt. Sie ist bekannt für ihre Gerichte, die sie mit lokalen Zutaten auf einem Feuerring kocht. Im November begrüssen wir Jens Jung, Inhaber der beiden Zürcher Bäckereien «John Baker» und «Jung». Schliesslich wird im Dezember Markus Stöckle vom «Restaurant Rosi» in Zürich zu uns stossen. Er gilt als einer der innovativsten Köche der Schweiz.

Wie haben Sie diese Persönlichkeiten dafür gewinnen können, bei Ihrer Show mitzumachen?
Möglich wurde das dank Sue Tobler und Remo Gisi - zwei ETH-Absolvent:innen, die mit «Tastelab» ein Spin-off gegründet haben, das Essen und Wissenschaft miteinander verbindet. Die beiden spielen eine wichtige Rolle in der Food-Szene hier in Zürich und sind Partner von «Cook the Science». Wir freuen uns sehr, dass wir mit all diesen talentierten Persönlichkeiten zusammenarbeiten dürfen.

Was möchten Sie mit «Cook the Science» erreichen?
Die Veranstaltung ist eine einmalige Gelegenheit, Interesse an einem bisher eher unbekannten Bereich der Physik zu wecken. Kochen eignet sich wunderbar, komplexe wissenschaftliche Vorgänge auf verständliche Weise zu erklären, damit sie für ein breites Publikum zugänglich werden.

Welches Publikum schwebt Ihnen für diese Veranstaltung vor?
«Cook the Science» steht allen offen. Wir freuen uns auf Studierende, Foodies, Wissenschaftsliebhaber und alle, die Spass am Kochen haben und gleichzeitig etwas über Wissenschaft lernen möchten. Die Veranstaltung ist kostenlos. Man muss sich lediglich dafür anmelden, weil die Anzahl Plätze limitiert ist.

Eine letzte Frage: Sind Sie persönlich ein guter Koch?
(lacht) Ich würde sagen, dass sich meine Kochkünste auf jeden Fall verbessert haben, seitdem ich die Wissenschaft dahinter besser verstehe. Zum Beispiel gebe ich gern etwas Senf in meine Salatsauce. Nicht nur für den Geschmacks, sondern auch wegen der Konsistenz. Senf macht aus Essig und Öl eine homogene Mischung. Am Kochen liebe ich vor allem die Möglichkeit, Rezepte ständig zu verbessern. Eines meiner Lieblingsgerichte ist Lasagne. Am nächsten Tag schmeckt sie übrigens noch besser, was ich faszinierend finde.

Cook the Science

Die neue ETH-Kochshow mit Thomas Michaels und Gästen:
  • 22.10.24: Rebecca Clopath, Alpine Naturköchin, «Biohof Taratsch» in Lohn GR
    Heat transfer: Charring, browning and flavour
  • 24.11.12: Jens Jung, Inhaber der Bäckereien «John Baker» und «Jung» in Zürich
    Elasticity: The wonder of bread making
  • 24.12.3: Markus Stöckle, innovativer Küchenchef und Inhaber des «Restaurants Rosi» in Zürich
    Gelation: Wobbly physics on your plate


Veranstaltungen in englischer Sprache, jeweils ab 18 Uhr
Anmeldung unter www.ethz.ch/cookthescience
Roland Baumann