Ein vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördertes Projekt an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät erforscht die gesellschaftlichen Auswirkungen der Einführung von Breitbandinternet im ländlichen Raum Indiens. Im Fokus stehen Folgen in Bezug auf politische Rechenschaftspflicht und interreligiöse Kooperation.
Die Verbreitung neuer Telekommunikationstechnologien schreitet unvermindert voran und erreicht sukzessive auch die ländliche Bevölkerung in Entwicklungsländern, die traditionell einem spärlichen Medienumfeld ausgesetzt ist. Darüber, was das für die betreffenden Gesellschaften bedeutet, ist allerdings erst wenig bekannt. Um die Auswirkungen der Internetverbreitung besser zu verstehen, werden in dem kürzlich gestarteten Forschungsprojekt unter der Leitung von Simon Lüchinger die Folgen eines umfangreichen indischen Regierungsprogramms, das schnelles Internet in alle Dörfer bringen will, untersucht. Das Programm ermöglicht der ärmeren Bevölkerung in ländlichen Regionen erstmals den Zugang zum vollen Spektrum von Online-Inhalten.
In der Studie werden zwei Faktoren betrachtet, die als massgebliche Hindernisse für die wirtschaftliche Entwicklung armer ländlicher Gesellschaften angesehen werden: fehlende politische Rechenschaftspflicht und fehlende Kooperation zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Es soll erforscht werden, ob die Verbreitung des Internets hilft, diese Probleme zu Überwinden oder diese sogar noch verstärkt. Untersucht wird konkret, wie das Internet das Fehlverhalten von Politikerinnen und Politikern, die Konsequenzen solchen Fehlverhaltens für ihre Wiederwahl und allgemeiner den Zustand der lokalen und regionalen Demokratie beeinflusst. Weiter, welche Auswirkungen das Internet auf die interreligiöse Kooperation, wie das nachbarschaftliche Wasserteilen zwischen Hindus und Muslimen und deren räumliche Segregation, hat. Durch eine verbesserte Information und die Koordination von Wählerinnen und Wählern könnte das Internet etwa die politische Verantwortlichkeit stärken, politisches Fehlverhalten reduzieren, den politischen Wettbewerb stärken und die politische Beteiligung der Bevölkerung erhöhen. Andererseits wäre es denkbar, dass durch das Internet die Aufmerksamkeit von politischen Vorgängen abgelenkt und so die politische Verantwortlichkeit geschwächt wird. Weiter könnten polarisierende Inhalte verbreitet werden, welche den interreligiösen Beziehungen schaden.
Durch die zeitlich gestaffelte Einführung von Breitbandinternet im ländlichen Indien lassen sich die kausalen Effekte des Internetzugangs ermitteln, da ähnliche Orte mit und ohne Internetzugang direkt verglichen werden können. Dies wird ermöglicht durch umfangreiche geografischer Daten über das Verhalten von Politikerinnen und Politikern, Wahlen und landwirtschaftliche genutzte Grundstücke und deren Besitzende. Die dahingehend strukturierten Daten sollen auch Forschenden unterschiedlicher Disziplinen in Bezug auf verschiedene Fragen zu ländlichen Gesellschaften Indiens von Nutzen sein.
Originaltitel des Projekts: «How the Internet is Reshaping Rural Society. The Impact of Fast Internet Rollout on Political Accountability and Interfaith Cooperation in India» («Wie das Internet die ländliche Gesellschaft verändert. Der Einfluss des schnellen Internets auf politische Rechenschaftspflicht und interreligiöse Kooperation in Indien»)
Leitung: Simon Lüchinger , Professor für Ökonomie
Dr. Johannes Matzat , wissenschaftlicher Assistent
48 Monate
Bewilligte Fördersumme: rund 631’000 Franken
Folgen des Internets im ländlichen Indien
Anzeige