Friedensförderung mit mehr Mut, Kreativität und Bescheidenheit

Referentin  Thania Paffenholz
Referentin Thania Paffenholz
Dr. Thania Paffenholz eröffnete in der zweiten «Hans Küng - Weltethos Lecture» Einblicke in ihre Arbeit als Direktorin bei «Inclusive Peace» und teilte eindrücklich ihre Einschätzung, dass die alten Modelle der Friedensförderung ausgedient haben. Sie forderte dazu auf, neue, kreative und mutige Wege zu suchen und appellierte an das Publikum, über den eigenen Beitrag für den Frieden nachzudenken.

Zu Beginn nennt Dr. Thania Paffenholz Zahlen, die ein düsteres Bild malen und die Komplexität der aktuellen Lage drastisch aufzeigen. Aktuell ist weltweit die höchste Anzahl von kriegerischen Auseinandersetzungen seit dem Zweiten Weltkrieg zu verzeichnen. Die Konflikte haben nicht nur zugenommen (55 bewaffnete Konflikte), sie dauern heute mit einer Laufzeit von durchschnittlich 11 Jahren auch länger als noch vor fünf Jahren. Krieg zurück in Europa (russischer Angriffskrieg auf die Ukraine), verbunden mit einer neuartigen nuklearen Bedrohung, Militärputsche in Westafrika, zunehmend autoritäre Regime (wie etwa in Afghanistan oder Myanmar) und ein weltweiter Rechtsruck sind die weiteren Schlagworte, mit denen die Referentin die Schwere der Lage verdeutlicht.

Globale Herausforderungen als Rahmenbedingungen komplexer Konflikte

Gerahmt werden diese bestehenden Konfliktsituationen erstens durch die drohenden Auswirkungen des Klimawandels, der zu einer Verknappung von Ressourcen und dadurch zu weiteren Konflikten führen wird. Zweitens herrsche in den Gesellschaften eine extreme Polarisierung vor, was wesentlich mit der steigenden Bedeutung der Sozialen Medien zusammenhänge. Soziale Medien werden von staatlichen Akteuren mittlerweile als «Kampfwaffe» eingesetzt und seien zu einem zweiten «Kriegsschauplatz» geworden. So stelle China etwa 100’000 Blogger an, um gegen die Demokratiebewegung in Hongkong zu bloggen.

UNO mit unterstützender, statt tragender Funktion

In dieser prekären und komplexen globalen Situation konstatiert Dr. Paffenholz das Versagen der internationalen Systeme, die eigentlich für die Regulierung dieser Konflikte und Krisen da wären. Der UNO-Sicherheitsrat sei blockiert und funktioniere als oberstes Gremium zur Stabilisierung des Weltfriedens schlechter als während des Kalten Krieges. Während bisherige Mediatoren wie die UNO, Norwegen oder auch die Schweiz an Bedeutung verlieren, verhandle heute Katar (Geisel-Abkommen zwischen Israel und Hamas), die Türkei (Ukraine-Getreide-Deal) oder die Länder selber.

Mut und Kreativität für neue Modelle

Es brauche neue Allianzen und mehr Kreativität. Dr. Paffenholz sieht es als Teil des Problems, dass Frieden zu einer Expertensache geworden sei - dabei solle die Friedensförderung für alle da sein. Oft orientiere sich die westliche Friedensförderung noch an alten Mustern, die ein zutiefst koloniales Verhalten mit sich tragen. Diese alten Schemen gelte es aufzubrechen. Gerade im Westen brauche es daher mehr Bescheidenheit. Der Fokus müsse vermehrt darauf liegen, wie Menschen ihre eigenen Probleme lösen können.

Die Rolle der Schweiz und kirchlicher Akteure

Die Schweiz als Staat müsse ebenfalls ihre Friedensförderung Überdenken, sollte mehr realitätsbezogen arbeiten und sich die Welt anschauen, wie sie wirklich sei. Es müsse ein Umdenkungsprozess stattfinden, wie wir mit dem globalen Süden zusammenarbeiten und auch mit neuen Partnern verhandeln, die uns vielleicht nicht gefallen. Dies bedeute die Bereitschaft für schwierige Diskussionen. Es gelte, die Geschehnisse, die im Ausland passieren, zusammenzubringen mit dem, was bei uns passiert.

Weiter führte Dr. Paffenholz die Rolle und den Beitrag religiöser Akteure aus, deren grosser Vorteil die internationale Vernetzung und der Austausch von Wissen und Erfahrungen sei. Religion als einflussreicher Bestandteil von Gesellschaften habe grundsätzlich ein friedensförderndes und konfliktförderndes Potenzial.

Appell für mehr Menschlichkeit

Dr. Thania Paffenholz forderte auch das Publikum auf, sich die Frage zu stellen, was jede Person für sich in ihrem Umfeld tun könne, um zu mehr Frieden beizutragen und hob die Menschlichkeit hervor: Wie können wir Menschlichkeit leben für uns selbst und in die Gesellschaft tragen?


Der Vortrag ist unter folgendem Link verfügbar:
«Was muss eine nachhaltige Friedenspolitik leisten?»

Nächste «Hans Küng - Weltethos Lecture»

In Zusammenarbeit mit der Stiftung Weltethos Schweiz laden das Ökumenische Institut Luzern und das Institut für Sozialethik ISE der Theologischen Fakultät der Universität Luzern jährlich zu einer öffentlichen «Hans Küng - Weltethos Lecture» ein. Die Vorlesungsreihe diskutiert und entwickelt das von Hans Küng gegründete Projekt «Weltethos» sowie das Denken von Hans Küng weiter.

Der nächste Vortrag der Reihe findet am 25. November 2024 an der Universität Luzern statt. Azza Karam wird zum Thema «Equality and Gender Justice» sprechen (Vortrag in Englisch mit Simultanübersetzung in Deutsch). www.unilu.ch/hkwl