Geschichte, die ins Jetzt wirkt

Daniel Allemann, Oberassistent Geschichte des Mittelalters und der Renaissance a
Daniel Allemann, Oberassistent Geschichte des Mittelalters und der Renaissance am Historischen Seminar. (Bild: Philipp Schmidli)
Zwei Buchprojekte, Forschung zur Sklaverei, eine Kolumne im «Blick», Drittmittelbeschaffung und eine abwechslungsreiche Lehrtätigkeit: Dem Oberassistenten Daniel Allemann wird es nie langweilig.

Wo beginnen beim 36-jährigen Baselbieter? Der Doktor in Geschichte ist Oberassistent - so weit, so gut. Auf die Frage, was ihn umtreibt, wird rasch deutlich, dass sich sein Hauptaugenmerk auf zwei grosse Studienund Buchprojekte richtet: Dabei geht es um die Veröffentlichung seiner Dissertation und um sein Habilitationsprojekt. Das eine befindet sich in der Abschluss-, das andere in der Anfangsphase.

Im Fokus der Doktorarbeit steht Sklaverei im spanischen und portugiesischen Kolonialreich in der Frühen Neuzeit. «Mich interessieren die damaligen Theologen, Juristen und Missionare und wie sie die Könige und kolonialen Akteure über die vielschichtigen moralischen Probleme im Zusammenhang mit der Sklaverei berieten», erklärt Daniel Allemann.

Sklaverei und Machtausübung

Warum das spannend ist? «Damals war es sehr wichtig, dass man moralisch handelt und ein reines Gewissen hat, ansonsten drohte das Fegefeuer.» Die Sklaverei an sich stellte zwar niemand infrage, hingegen gab es Stimmen, die merkten, dass es viele Zweifelsund Grenzfälle gab. «Es herrschte ein christliches Ideal vor, gleichzeitig verhielt man sich teilweise sehr unchristlich.» Auf diese Problematik wurde vermehrt aufmerksam gemacht, und die Diskussion war für die iberische Krone gefährlich. «Deshalb waren diese Kolonialtheoretiker wichtig, welche die Argumente lieferten, um Ideal und Realität auf einer theoretischen Ebene in Einklang zu bringen.» Es stellten sich knifflige Fragen: Darf man beispielsweise ein Paar trennen und eine der beiden Personen durch Verkauf an einen anderen Ort deportieren? «In Südamerika gab es Fälle, die vor Gericht landeten.» Trotz einiger solcher Erfolge sei es aber letztendlich immer darum gegangen, das System der Sklaverei juristisch und moralisch zu untermauern.

Es herrschte ein christliches Ideal vor, gleichzeitig verhielt man sich teilweise sehr unchristlich.


Daniel Allemann schrieb die Dissertation an der Universität in Cambridge, wo sie denn auch prompt ausgezeichnet wurde. In Luzern ist er nun daran, das Werk publikationsreif zu machen - keine einfache Aufgabe. «Die Herausforderung bei englischsprachigen Verlagen ist es, das Buch im Markt zu positionieren, es muss zwar die wissenschaftlichen Ansprüche erfüllen, gleichzeitig soll es aber für ein breites Publikum zugänglich sein.» Er überzeugte den Verlag davon, dass die Publikation das Thema mit einer neuen Perspektive aufgreift und originell umsetzt. Der Prozess des Umschreibens macht ihm Spass und fordert den Wissenschaftler heraus. «Es braucht einen roten Faden und eine klare Geschichte. Die teilweise losen Enden der Dissertation fallen weg, vielmehr geht es darum, alles möglichst zu verknüpfen», erklärt er.

Perfektes Umfeld in Luzern

Wie fühlt es sich an, von der grossen Universität in England ins beschauliche Luzern zu wechseln? Daniel Allemanns Augen leuchten. «Hier habe ich ein perfektes Umfeld zum Arbeiten, es ist persönlich, und die Bedingungen sind top. Ich habe mich zum Beispiel darüber gefreut, dass hier alle Fenster dicht sind und ich im Winter nicht mit zwei Pullis arbeiten muss.» Bis Ende September war er zudem Mitarbeiter im Grants Office. Hier hat er Forschende unterstützt, Drittmittel einzuwerben - ein Thema, bei dem es um mehr als nur um Geld geht. «Wenn es jemand schafft, Mittel vom Schweizerischen Nationalfonds oder zum Beispiel von der Krebsliga zu erhalten, zeichnet das auch seine Forschung aus, und es ist ein Karriere-Booster.»

Auf die Frage, wie sein Alltag aussieht, seufzt Allemann und lacht. «Es ist definitiv weniger einsam, als man sich das vorstellt.» Er versuche stets, seine beiden Hauptprojekte - die Publikationen - im Auge zu behalten. «Ich nehme mir vor, jede Woche zwei Schreibtage zu blockieren.» Was gar nicht so einfach ist, denn es ist immer viel los: einen Vortrag vorbereiten, eine Buchbesprechung organisieren, die Sprechstunden mit Studierenden zum Proseminar und so weiter. «Ich habe einen tollen Job, der mir viele Freiheiten lässt. Es gibt viel Austausch, viele unfertige Texte, und wenn es mal brennt, gibt es immer jemanden, an den ich mich wenden kann.»

Geschichte und Aktualität

Spass bereitet ihm auch die Lehrtätigkeit, bei der er unter anderem mit Britta-Marie Schenk einen Einführungskurs für neue Studierende anbietet. «Da geben wir den jungen Menschen eine Art Toolbox fürs weitere Studium und zeigen auf, was es heisst, historisch zu arbeiten.» Zudem betreut Daniel Allemann Arbeiten und Prüfungen und ist verantwortlich für den zweisprachigen Masterstudiengang in Geschichte mit der Uni Neuchâtel. Wichtig in seiner Tätigkeit als Oberassistent ist es, weiterzuforschen - und zwar im grossen Stil, womit wir bei seinem zweiten grossen Projekt angelangt sind: Im Rahmen seines Habilitationsprojekts beschäftigt sich Daniel Allemann mit der Frage, wie man im Mittelalter über Andersgläubige und Menschen aus fernen Kontinenten dachte. «Nördlich der Alpen gab es davon nur wenige, dennoch spielten Muslime oder Sinti und Roma in den Köpfen der Zeitgenossen eine grosse Rolle - mit sehr realen Folgen.» Allemann will damit einen Bogen zur Geschichte des Rassismus schlagen und betont, dass das Mittelalter mehr zu bieten hat als romantische Klischees von Rittern und Burgen. «Spannend ist, dass das, was heute passiert, die Forschenden und ihren Blick auf die Vergangenheit beeinflusst, andererseits sind aber Historikerinnen und Historiker auch aktuelle Stimmen in der öffentlichkeit und haben einen Einfluss auf das heutige Geschehen.»

Dass Daniel Allemann nicht nur am Mittelalter, sondern auch am Hier und Jetzt Interesse hat, zeigt auch seine monatliche Kolumne im «Blick», die er im letzten Jahr zusammen mit Britta-Marie Schenk realisiert hat. «Uns hat vor allem gereizt, dass das Zielpublikum aus einer breiten Leserschaft besteht. Denn historische Themen können durchaus relevant und realitätsnah sein.»

Der Historiker lebt in Basel - und schätzt das Pendeln. «Die erste und letzte Arbeitsstunde geniesse ich im Zug.» So oder so mag er die Leuchtenstadt sehr. «Ich bin auch privat gerne hier, Luzern ist eine meiner Lieblingsstädte.» Aber ein Wegzug von der Region Basel kommt nicht infrage, schliesslich ist er leidenschaftlicher Anhänger der dortigen Fasnacht. Daniel Allemann mit einem Augenzwinkern: «Das werden die Luzernerinnen und Luzerner sicher verstehen.»

unilu.ch/daniel-allemann