Kalte Nachahmer aus Licht und Atomen

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Die Eigenschaften von Grundbausteinen der Elektronik lassen sich mit kalten Atomen simulieren, die durch Strukturen aus Laserlicht fliessen. Dies ist das Ergebnis von Arbeiten, in denen Wissenschaftler der ETH Zürich nun begonnen haben, mit einer neuen Generation von Quantenexperimenten das Verhalten von Stromflüssen in einem Regime zu erforschen, über welches Physiker bisher zum Teil kaum Vorhersagen machen können.

Moderne elektronische Komponenten erreichen heute solch kleine Abmessungen, dass Quanteneffekte ins Spiel kommen. Für die weitere Entwicklung und insbesondere Miniaturisierung dieser Bausteine ist es deshalb von immer dringender Bedeutung, Kollektive aus vielen Quantenteilchen — so wie es Elektronen welche sind — zu verstehen. Mit aktuellen theoretischen und rechnerischen Methoden ist es jedoch oft nicht möglich, das Verhalten solcher "Vielteilchensysteme" vorherzusagen. Alternative Methoden zu finden, ist deshalb der Gegenstand intensiver Forschung. Die Gruppe von Tilman Esslinger vom Institut für Quantenelektronik der ETH Zürich hat nun eine experimentelle Plattform entwickelt, mit welcher der Fluss von Elektronen durch kleinste Kanäle simuliert werden kann. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind in zwei Artikeln in den Fachzeitschriften Science und Nature erschienen.

Angesichts der fortschreitenden Miniaturisierung von elektronischen Komponenten wird es zunehmend wichtig, beim Design von neuen Elementen Quanteneffekte mit in Betracht zu ziehen. Dass die Gesetze der Quantenmechanik zusehends bemerkbar werden, eröffnet neue technologische Möglichkeiten, aber auch neue Hindernisse. Der zusätzliche Spielraum bedeutet gleichzeitig, dass es ungleich schwieriger wird, theoretische Vorhersagen über das Verhalten der Elektronen zu machen. Mit jedem zusätzlichen Quantenteilchen verdoppelt sich im Wesentlichen der rechnerische Aufwand. Auch die leistungsstärksten Computer stossen damit bereits bei ein paar Duzend Teilchen an ihre Grenzen.

Eine Alternative zur theoretischen oder rechnerischen Behandlung eines Quanten-Vielteilchen-Problems ist es, ein Quantensystem zu verwenden, über welches man experimentell gute Kontrolle hat, und damit das Quantensystem, an dem man eigentlich interessiert ist, nachzubilden. Dies ist vergleichbar mit frühen astronomischen Instrumenten, die es ermöglicht haben, mit mechanischen Geräten die Positionen von Himmelskörpern vorherzusagen. Quantenmechanische Simulatoren wurden erstmals 1981 vom amerikanischen Physiker Richard Feynman vorgeschlagen. Vor allem in den vergangenen zehn Jahren wurden bedeutende experimentelle Fortschritte erzielt, die es erlauben, einzelne Quantenteilchen zu isolieren, zu manipulieren und zu messen. Damit ist es heute möglich, erste "Quantengeräte" aufzubauen.

Die Zürcher Forscher verwenden nun kalte Lithiumatome, welche die Rolle der Elektronen übernehmen. Die Atome werden kontrolliert durch Kanäle geschleust, die durch Laserlicht gebildet werden. "Mit unserer Arbeit erweitern wir das Konzept der Quantensimulation in Richtung Transportphänomene", erklärt Jean-Philippe Brantut, einer der leitenden Mitarbeiter in diesem Projekt. In ihrem Aufbau können die Physiker eine ganze Reihe von Parametern kontrollieren, von der Geometrie der Kanäle bis hin zu den Wechselwirkungen zwischen den Atomen. Zudem ist das System aus Atomen und Licht absolut fehlerfrei und ermöglicht somit einen direkten Vergleich zwischen Experimenten und theoretischen Modellen — dies ist ein entscheidender Vorteil gegenüber einem Aufbau mit Elektronen und Drähten, wo sich Störstellen nie ganz vermeiden lassen.

Aber auch in solch idealen Systemen können die fliessenden Teilchen auf Widerstand stossen. In einer ersten Arbeit, die in der Fachzeitschrift Science erschienen ist, haben Esslinger und sein Team theoretische Vorhersagen bestätigt, dass ein elektrischer Widerstand allein dadurch entstehen kann, dass die Elektronen durch einen dünnen Leiter fliessen. Dies gilt auch, wenn dieser Leiter absolut fehlerfrei ist. Ein bedeutend seltsameres Verhalten kam jedoch zutage, als die Forscher zu tieferen Temperaturen gingen und die Teilchen miteinander wechselwirken liessen — dies publizierten sie in der neusten Ausgabe von Nature. In diesem Fall begannen die Teilchen ohne jeden Widerstand zu fliessen, selbst wenn ihnen Hindernisse im Weg standen. "Es ist, als ob Sie in der Limmat stehen und das Wasser, welches um Sie herum fliesst, in keinster Weise spüren", sagt Tilman Esslinger. Das Phänomen des absolut widerstandslosen Flusses ist unter dem Namen Suprafluidität bekannt, und es ist von grossem Interesse hinsichtlich Elektronikbausteine der Zukunft. Bis zu einer neuen Generation von elektronischen Gerä-ten ist noch ein weiter Weg, aber Arbeiten wie die der ETH-Forscher leisten wichtige Beiträge zu einem fundamentalen Verständnis der physikalischen Eigenschaften, auf welche diese Grundelemente aufbauen, und ermöglichen, Theorien und neue Ansätze zu testen.