Die Schweiz sieht sich mit einer doppelten Krise konfrontiert, einer Energie- und einer Klimakrise. Um das Ziel "Netto-Null-Emissionen" bis 2050 zu erreichen und gleichzeitig ein Energiedefizit zu vermeiden, braucht das Land erneuerbare Energiequellen, saisonale Speicheroptionen und eine effiziente Anbindung an den europäischen Strommarkt. Neben Pumpspeicherkraftwerken, Batterien oder Wärmespeichern sind auch synthetische Kraftstoffe oder Gase wie Wasserstoff vielversprechende Möglichkeiten, um Strom aus Photovoltaikanlagen für den Winter zu speichern, zu transportieren und zu niedrigen Preisen zu verkaufen. Viele Technologien mit großem Potenzial befinden sich in der Entwicklung, sind aber noch nicht voll einsatzfähig. Dies ist der Grund für die "Coalition for Green Energy and Storage", die am 8. Juni anlässlich des Swiss Economic Forum (SEF) in Interlaken der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
"Mit dieser Koalition wollen wir die heutigen Technologien zur Abscheidung von CO2 und zur Produktion und Speicherung von kohlenstoffneutralen Gasen und Treibstoffen rasch marktfähig machen und auf ein industrielles Niveau bringen", sagt Joël Mesot, Präsident der ETH Zürich, über das Projekt. Ziel ist es, die rechtzeitige Schaffung eines skalierbaren, kohlenstoffneutralen und flexiblen Energiesystems zu ermöglichen.
Auf der Suche nach Partnern aus Politik, Industrie und Wissenschaft.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft zusammenarbeiten. "Allein die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen verfügen über mehr als 150 Forschungsgruppen im Energiebereich, rund 460 Forscherinnen und Forscher und vier Spin-offs, die im Bereich der CO2 und der Energiespeicherung tätig sind. Zusammen mit den Forschungsgruppen des PSI und der Empa verfügt der ETH-Bereich sowohl über das Know-how als auch über die nötige Grösse, um an der Seite der Unternehmen die aktuellen Herausforderungen anzugehen", sagt Martin Vetterli, Präsident der EPFL. Die beiden Hochschulen suchen nun nach Technologie- und Umsetzungspartnern sowie nach Investoren und Unterstützern in Politik und Gesellschaft.Rund zwanzig Unternehmen und Organisationen haben bereits ihr Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet: Alpiq, AMAG BKW Energie, SBB/SBB, Carvolution AG, Cemsuisse, Emil Frey Gruppe, Edelweiss, FIR Group AG oder Fischer Reinach, Gaznat, Genève aéroport, GE Vernova, Gruyère Hydrogen Power SA, Implenia, MAN Energy Systems, Migros Industry, Romande Energie, Rolex, Swissmem, SWISS, VBSA, Viteos SA, Verband der Schweizerischen Gasindustrie/Association Suisse de l’Industrie Gazière.
Mit der Fluggesellschaft Swiss International Air Lines (Swiss) und dem Energieversorger Alpiq (neben den beiden Präsidenten im SEF anwesend) sind zwei Schwergewichte der Schweizer Wirtschaft von Anfang an involviert. "Wir sind stolz darauf, Teil dieser Energiekoalition zu sein. Gemeinsam treiben wir die Produktion von synthetischen Treibstoffen voran, die wir für einen der wichtigsten Hebel halten, um in Zukunft immer mehr Nachhaltigkeit beim Fliegen zu gewährleisten. Gleichzeitig schaffen wir neue Formen der Energiespeicherung, was die Versorgungssicherheit der Schweiz erhöht und der gesamten Gesellschaft dient", betont Dieter Vranckx, CEO von Swiss. Die Fluggesellschaft benötigt schnell kosteneffiziente Lösungen, um ihre eigenen Klimaziele zu erreichen. Synthetische Treibstoffe spielen hier eine wichtige Rolle. Alpiq wiederum verfügt über ein breites Portfolio an Wasser- und Speicherkraftwerken in der Schweiz und gehört mit ihrem Standort in Gösgen zu den Pionieren bei der Produktion von grünem Wasserstoff in der Schweiz. Alpiq kann mit ihren zahlreichen Projekten zur Entwicklung und zum Ausbau der erneuerbaren Energien und verschiedener Speichertechnologien in der Schweiz und im nahen Ausland einen wichtigen Beitrag leisten: "Mit einer breiten Koalition aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft können wir gemeinsam unser Ziel der "Netto-Null-Emissionen" erreichen und gleichzeitig eine nachhaltige Energieversorgung sicherstellen. Damit werden wir in der Lage sein, den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Schweiz zu stärken", argumentiert Antje Kanngiesser, CEO von Alpiq, das klare Bekenntnis ihres Unternehmens. Auch der bekannte Philanthrop Hansjörg Wyss hat bereits seine Unterstützung für die Koalition zugesagt.
Forschungsplattformen im Megawattbereich geplant
Mit neuen technischen Lösungen möchte die Koalition zusätzliche Wege schaffen, um saisonale Unterschiede in der Stromerzeugung durch Energiespeicherung in der Schweiz und in Europa zu nutzen. Dadurch wird die Versorgungssicherheit der Schweiz verbessert und der Energiehandel mit europäischen und internationalen Partnern diversifiziert, wodurch neue Geschäftsfelder und Chancen für Technologie-Start-ups und die Schweizer Industrie entstehen. Die technischen Optionen müssen systematisch analysiert werden, um die bestmöglichen Lösungen in Bezug auf Versorgungssicherheit und Kosten zu finden und umzusetzen.Die Koalition wird bis Ende 2023 offiziell gegründet und kann Anfang 2024 mit den ersten Projekten beginnen. Auf der Grundlage bestehender Technologien werden Prototypen im Megawattbereich gebaut, die ab 2028 produktiv sein sollen und als Forschungsplattformen dienen. Zunächst wird für dieses Projekt ein Budget von rund 100 Millionen Franken benötigt.