In der grossen Halle des Forschungsund Robotiklabors Arch Tec Lab auf dem Hönggerberg: Von der Decke hängen mehrere Roboterarme, am Boden stehen halbfertige beigefarbene geschwungene Gebilde, die an Skulpturen aus Sand erinnern. Auf einer Seite des Raums ragen aus Holzkisten rätselhafte Elemente.
Vor einer dieser Kisten steht Patrick Bedarf. Er arbeitet in der Gruppe Digitale Bautechnologien von Benjamin Dillenburger und hat Ende September sein Doktorat abgeschlossen. Im Rahmen seiner Dissertation untersuchte er, wie sich leichte und isolierende Bauteile, insbesondere auch komplexere Formen, materialsparend herstellen lassen. Dafür griff er auf nachhaltiges Dämmmaterial zurück, welches das ETH-Spinoff FenX aus Industrieabfällen herstellt. «Deren Mineralschaum ist ein innovativer Baustoff, der zu einer klimafreundlicheren Industrie beiträgt», sagt Bedarf.
Der Schaum wird hauptsächlich aus Flugasche hergestellt - einem Abfallprodukt aus der Hochofenindustrie. «Den ersten Werkstoff-Zyklus hat das Material also bereits hinter sich. Und es lässt sich nach Gebrauch wieder einfach rezyklieren», sagt Bedarf und zerbröselt das kleine Stück, das er aus der Holzkiste hervorgekramt hat, zwischen seinen Fingern. «Das Material lässt sich nun für einen neuen Schaum wiederverwenden.»
Weniger Materialverschleiss
Auch die Produktion der isolierenden Bauelemente sollte nachhaltig sein: Um weniger Material zu verbrauchen und die CO2-Emissionen zu senken, setzte der Doktorand auf 3D-Druck. «Anders als beim Giessen von Beton braucht es dazu keine Schalung. Diese herzustellen ist sehr aufwendig und lässt sich am Ende nur bedingt wiederverwenden», sagt Bedarf. Gerade bei der Herstellung von komplexen Geometrien sei der Abfall eine grosse Herausforderung.«Ohne Automatisierung ist ressourcenschonendes Bauen sehr aufwendig und teuer.»
Durch die Kombination von 3D-Druck mit Robotik lassen sich auch komplexe Bauelemente günstig herstellen, sagt Bedarf. «Ohne Automatisierung ist ressourcenschonendes Bauen sehr aufwendig und teuer, besonders wegen der Lohnkosten.»
Der Forscher zeigt erste Versuche von gedrucktem und gehärtetem Schaum. «Zum Beispiel dieses Stück hier, das aussieht wie eine Pizza», sagt er und zeigt auf eine flache Scheibe. «Am Anfang haben wir verschiedene solche kleinen gedruckt, danach immer grössere Stücke, um zu schauen, ob 3D-gedruckter Schaum auch für grosse Anwendungen möglich ist. »
Ein 3D-Drucker so gross wie der ganze Raum
Wer im Robotiklabor einen handelsüblichen 3D-Drucker vermutet, sucht vergebens - der ganze Raum funktioniert als 3D-Drucker. Flexible Mischkammern sorgen für die richtige Mischung des Rohmaterials. Am Ende der Roboterarme, die von der Decke hängen, befinden sich Druckköpfe, aus denen das Material Schicht für Schicht auf das Druckbett aufgetragen wird. «Die Roboter können jeden vorher definierten Punkt im Raum präzise ansteuern», erklärt Bedarf. «Wir programmieren den Pfad und geben ihnen vor, wo sie entlangfahren sollen und wie schnell. Und wie viel Material in welcher Zeit an welcher Stelle aus dem Druckkopf rauskommen soll.»Für die ersten Versuche hat Bedarf die Spezialbauteile mit Beton stabilisiert. Danach hat er es auch geschafft, allein mit dem Schaum stabile Bauteile herzustellen, wie der Prototyp des Projekts Airlements zeigt: ein zwei Meter hohes Eckstück aus vier 3D-gedruckten Segmenten. Die vier Einzelteile wurden mit Mörtel aneinandergeklebt und mit einem weissen zementfreien Putz besprüht.
Airlements - ein Wortspiel aus Luft und Elementen - besteht aus leichten Einzelteilen, die man von Hand heben und aufeinandertürmen kann. «Die Bauteile lassen sich in einer Fabrik drucken, danach bringt man sie zur Baustelle und platziert sie an der vorgesehenen Position», sagt Bedarf. «Um das Bauteil stabiler zu machen, würde man den hohlen Kern mit dichterem Schaum ausgiessen. So könnte das Bauteil dereinst auch tragende Funktionen Übernehmen.» Bisher kann Airlements nur als isolierende Aussenoder Innenwand eingesetzt werden.
«Wie in einer Sauna»
Jedes Einzelteil des Prototyps wurde in weniger als einer Stunde gedruckt und härtete eine Woche lang in der Fertigungsumgebung bei einer kontrollierten Temperatur von 20 bis 28 Grad Celsius und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 20 bis 70 Prozent aus. Die Regulierung von Luftfeuchtigkeit und Temperatur war wichtig, damit das Material problemlos härten kann und nicht reisst.Dafür hatte Bedarf eine spezielle Klimakammer entwickelt: ein grosses durchsichtiges Zelt, in dem der Roboter den vorgegebenen Druckpfad abfuhr. Überall gab es Dunst und Staub, und es war heiss wie in einer Sauna», sagt er und weist darauf hin, dass es durch diese Produktionsmethode keine energieintensive Verarbeitung mehr braucht. «Dies ist ein Fortschritt gegenüber früheren Arbeiten mit zementfreien Mineralschäumen, die entweder mit Zement oder durch nachträgliches Brennen im Ofen gehärtet wurden.» Die gewellte Textur von Airlements sorgt während der Aushärtung und im Endzustand für zusätzliche Festigkeit.
Airlements könnte dereinst zum nachhaltigen Bauen beitragen: Zum einen senken isolierende Elemente den Energieverbrauch eines Gebäudes. Zum andern fällt durch den 3D-Druck viel weniger Abfall an als bei der herkömmlichen Fertigung von Bauteilen und es braucht keine klimaschädliche Betonschalung. Und schliesslich ist Airlements komplett zementfrei, was kreislauffähiges Bauen ermöglicht. «Das Element kann man, wenn es nicht mehr gebraucht wird, komplett schreddern und wieder zu Staub und zu neuem Schaum verarbeiten.»
Andere fürs Bauen mit Maschinen begeistern
Bedarf möchte Airlements nun zusammen mit FenX weiterentwickeln. Dafür soll in deren Fabrik in Turgi eine Produktionseinheit aufgebaut werden. «Wir werden die Tragfähigkeit und das Dämmverhalten genau analysieren, um herauszufinden, wie sich dieses Material als Wandelement in einem geschlossenen Raum verhält. Durch Infrarotmessungen möchten wir herausfinden, wo die Wärmedämmung noch besser sein könnte. Und wie sich Schwachstellen durch Anpassungen am Druckpfad beheben lassen.»Nach seinem Doktorat arbeitet Bedarf im Bachelor-Kurs «Computational Design I&II» mit. Er freut sich, die nächste Generation von Architekten dafür zu begeistern, gleichzeitig geometrisch zu denken, aber auch mit Maschinen kommunizieren zu können. «Durch meine Arbeit mit Airlements habe ich viel über Baustoffe und den Einsatz von Informationstechnologie gelernt. Und eine grosse Freude entwickelt am Testen, welche Geometrien dadurch möglich sind. Es wäre schön, wenn ich andere anstecken kann.»