Traditionelle Baustoffe wie Holz und Lehm sind klimafreundlich und ergänzen sich hervorragend. Damit diese künftig auch grossflächig im Bauwesen eingesetzt werden können, forscht die Empa zusammen mit Schweizer Hochschulen und Industriepartnern in einem von der Innosuisse geförderten «Flagship»-Projekt, «Think Earth - Regeneratives Bauen».
Es ist hinlänglich bekannt, dass die Bauwirtschaft mit ihren Treibhausgasemissionen erheblich zum Klimawandel beiträgt. Weniger klar ist jedoch, wie sich der CO2-Ausstoss am besten reduzieren liesse. Einen vielversprechenden Ansatz verfolgt das «Flagship»- Hier setzt ein breites Konsortium unter der Leitung der ETH Zürich auf moderne Bautechniken mit Holz und Lehm, um die Umweltauswirkungen im Bauwesen zu verringern. Die Kombination dieser umweltfreundlichen Materialien verstärkt ihre jeweiligen Vorteile: Holz sorgt für die nötige Tragfähigkeit und Steifigkeit, während Lehm zusätzliche Tragfähigkeit und Masse hinzufügt, was zur Wärmeregulierung, Schwingungsdämpfung und Brandsicherheit beiträgt. Bis 2029 sollen in verschiedenen Teilprojekten effiziente und skalierbare Bauweisen entwickelt werden, um das klimaneutrale Bauen und Wohnen voranzubringen.
«Flagship»-Initiative: Grosse Fragestellung, breites Netzwerk
Mit ihrer «Flagship»-Initiative fördert die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung Innosuisse systemische und transdisziplinäre Innovationen, die für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen in der Schweiz von zentraler Bedeutung sind. Anders als sonst bei Innosuisse-Projekten, die meist konkrete Probleme einzelner KMU oder Start-ups lösen, arbeiten Forschende aus verschiedenen Institutionen mit zahlreichen Industriepartnern hier gemeinsam an einer übergeordneten Fragestellung. Das «Flagship»-Projekt «Think Earth - Regeneratives Bauen» umfasst zehn Teilprojekte, die von der Materialwissenschaft und Verfahrenstechnik bis hin zu Prototypen für den Hochbau sowie Fallstudien und Normen für die Architektur reichen. So sollen die Grundlagen für klimaneutrales Bauen mit hybriden Elementen aus Holz und Lehm geschaffen werden.
Flexible Holzverbindungen gefragt
Holz ist zwar eine erneuerbare natürliche Ressource, doch um es im Bauwesen nachhaltig nutzen zu können, muss es wiederverwendet werden. Derzeit liegt die Wiederverwendungsrate von Holz bei lediglich 10 Prozent - im Rahmen des «Flagship»-Projekts soll diese mit Hilfe weiterer regenerativer Materialien wie erdbasierter Baustoffe auf 90 Prozent gesteigert werden. Dabei spielen Holzverbindungen eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zu Betontragwerken, die als monolithische Strukturen gegossen werden, sind Holztragwerke auf die Verbindung einzelner Bauteile angewiesen. Diese sind laut Forscher Pedro Palma genauso wichtig wie die Holzbauteile selbst und aus statischer Sicht oft kritischer. «Die Verbindungen sorgen für Kontinuität und verbessern das strukturelle Verhalten durch Eigenschaften, wie etwa die Fähigkeit, sich zu verformen und Energie abzuleiten, die die Holzbauteile selbst nicht bieten können.» In einem Teilprojekt arbeitet die Empa-Abteilung Ingenieurstrukturen mit Forschenden der ETH Zürich, der Berner Fachhochschule BFH und 13 Industriepartnern an der Demontage und Wiederverwendung von Holzverbindungen. Gleichzeitig entwickeln sie digitale Werkzeuge, die diesen Prozess unterstützen und so die Kreislaufwirtschaft stärken.
Schwinden verhindern
Erdbasierte Baustoffe haben eine gute CO2-Bilanz, und Roherde ist nahezu unbegrenzt verfügbar. Allerdings werden sie häufig nur für kleinere Anwendungen wie Ziegel verwendet, da ihre Struktur beim Trocknen schwindet und sich Risse bilden. Um dies zu vermeiden, sind laut Pietro Lura, Leiter der Empa-Abteilung Beton und Asphalt und an der ETH Zürich, geeignete Zusatzstoffe entscheidend. «Lehm kann immer wiederverwendet werden, solange er unverändert bleibt. Sobald aber ein mineralischer Stabilisator beigemischt wird, verschlechtern sich die Energiebilanz und die Rezyklierbarkeit.» Um dieses Problem zu lösen, arbeiten Forschende der ETH Zürich und der Empa-Abteilung Beton und Asphalt zusammen mit den Industriepartnern BASF Schweiz AG und Eberhard Bau AG an biobasierten und biologisch abbaubaren Zusatzstoffen. Die Forschenden testen deren Fähigkeit, das Schwinden zu reduzieren, während die Rezyklierbarkeit sowie die Wasseraufnahme erhalten bleiben. «Die grosse Herausforderung besteht darin, funktionierende Zusatzstoffe zu finden, die sowohl aus natürlichen Rohstoffen bestehen als auch biologisch abbaubar sind», sagt Yi Du, Forscher an der Empa und an der ETH Zürich. Die vielversprechendsten Zusatzstoffe werden in grossem Massstab getestet, um mit grüner Chemie rissfreie Lehmbaustoffe herzustellen und den Erdaushub zu verringern.