Moldauische Präsidentin zu Besuch an der ETH Zürich

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Der Anlass stiess auf grosses Interesse. (Bild: ETH Zürich / Alessandro Della Be
Der Anlass stiess auf grosses Interesse. (Bild: ETH Zürich / Alessandro Della Bella)
Nicht weniger als die Zukunft der demokratischen Welt war Thema des Besuchs der moldauischen Präsidentin Maia Sandu an der ETH Zürich. Gemeinsam mit Bundespräsident Alain Berset nahm sie gestern an einer Podiumsdiskussion im Audi Max teil.

Die Veranstaltung an der ETH Zürich war Teil des zweitägigen offiziellen Besuchs der moldauischen Präsidentin in der Schweiz. Nach Gesprächen zur bilateralen Zusammenarbeit war Maia Sandu gemeinsam mit Bundespräsident Alain Berset an die Hochschule gekommen, um über die Rolle der Republik Moldau im breiteren geopolitischen Kontext Osteuropas und die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zu sprechen und sich Fragen von Studierenden zu stellen.

Hochaktuelles Thema

Willkommen geheissen wurden die hohen Gäste von Joel Mesot, Präsident der ETH Zürich, der sie im voll besetzten Audi Max begrüsste. Die ETH Zürich sei zwar vor allem für ihre Ingenieurund Naturwissenschaften bekannt, so Mesot bei seiner Begrüssungsrede, doch forsche die Hochschule auch zu Fragen der internationalen Sicherheitspolitik und berate die Schweizer Behörden. «Angesichts der globalen Herausforderungen kann und muss die Wissenschaft eine positive Kraft zur Förderung des Wohlstands und eines friedlichen Miteinanders sein», betonte der ETH-Präsident.

Die Folgen des Ukrainekriegs

Wie schwierig ein friedliches Miteinander in der aktuellen geopolitischen Lage ist, wurde sowohl in der Rede von Alain Berset als auch von Maia Sandu deutlich. «Ich bewundere, mit welcher Bestimmtheit Moldau seine Unabhängigkeit verteidigt und seine Verbindungen zur EU ausbaut», sagte Berset. Der Angriff Russlands auf die Ukraine habe gerade auch das Nachbarland Moldau hart getroffen.

Dies bestätigte Maia Sandu. Über eine Millionen Menschen seien bei Kriegsbeginn aus der Ukraine zunächst in ihr Land mit seinen 2.6 Millionen Einwohnern geflohen. Rund 80’000 Flüchtlinge lebten bis heute dort. Dies sei nur durch die Mithilfe der gesamten Bevölkerung zu bewältigen gewesen. Hinzu kämen Versuche Russlands, ihre demokratisch gewählte Regierung durch Desinformation oder den Stopp von Gaslieferungen zu stürzen.

Kampf zwischen zwei Systemen

Aus Sicht der Präsidentin Moldaus geht es bei dem Ukrainekrieg nicht allein um den Gewinn von Territorien, sondern um einen ideologischen Kampf. «Es ist ein Kampf zwischen einem autoritären System, das seine Ziele mit Gewalt durchsetzen will, und der freien demokratischen Welt». Zwar sei auch die Demokratie nicht perfekt, «aber es ist das Beste, was wir haben». Die Republik Moldau gehöre zum Kreis der Staaten in Europa, die Demokratie leben, deshalb strebe sie den EU-Beitritt bis 2030 an.

Damit die Demokratie auch in Zukunft bestehen könne, reicht es ihrer Meinung nach allerdings nicht, auf Abkommen zu setzen. Es brauche Wohlstand, Sicherheit und wirtschaftlichen Aufschwung, um Menschen für die Demokratie zu gewinnen. Dem pflichtete Berset bei. Es gelte, die Vorteile der Demokratie immer wieder zu verdeutlichen. Selbst in der Schweiz dürfe man die Demokratie nicht als Selbstverständlichkeit betrachten.

Angriff auf die Demokratie

«Die Demokratie selbst wird angegriffen», so auch die Einschätzung von Lars-Erik Cederman mit Blick auf die aktuelle geopolitische Lage. Der Leiter der ETH-Forschungsgruppe Internationale Konflikte moderierte die angeregte Podiumsdiskussion, die auf die Reden folgte. Diskutiert wurde unter anderem, wie sich die Transnistrienfrage auf einen EU-Beitritt auswirken könnte.

Maia Sandu berichtete, dass aktuell eine gewisse Annäherung zwischen diesem Landesstreifen, der von einer von Russland kontrollierten Regierung beherrscht wird, und der Republik Moldau stattfinde. Die besseren wirtschaftlichen Möglichkeiten Moldaus und Europas und die Aussicht auf ein Leben in Frieden würden diesen Prozess antreiben. Die Frage dazu, ob das Land neben dem EU-Beitritt auch eine Mitgliedschaft in der NATO anstrebe, verneinte Sandu. Moldau bleibe verfassungskonform bei seinem Status als neutrales Land.

Weitere Themen waren der Einfluss von sozialen Medien auf politische Prozesse, die grosse moldauische Diaspora mit rund einer Millionen Menschen oder die Suche nach Alternativen zum russischen Gas für die Energieversorgung des Landes. Die aktuelle moldauische Regierung unter Maia Sandu, das wurde deutlich, versucht bei all diesen Fragen möglichst viele Menschen einzubinden und so demokratische Prozesse zu etablieren. Ein Zurückdrängen der Korruption und verbesserte Pressefreiheit seien Teil hiervon, selbst um den Preis, dass dies neue Einfalltore für russische Propaganda öffne.
Inken De Wit