An der Weltnaturkonferenz in Montreal vom letzten Dezember vereinbarten die Staaten Überraschend, 30 Prozent der weltweit degradierten Landschaften bis 2030 unter Schutz zu stellen. Das Abkommen betont insbesondere auch die Notwendigkeit, die Rechte lokaler und indigener Gemeinschaften zu achten.
Allerdings haben die Renaturierungsmassnahmen der letzten Jahre trotz ehrgeiziger Pläne und wachsenden finanziellen Interesses die globalen Ziele verfehlt: Nur 18 Prozent der für 2020 zugesagten Flächen wurden bis 2019 wiederhergestellt.1 Und auch für 2030 ist die Welt derzeit nicht auf Kurs.2
Bis anhin wurde die globale Restaurationsagenda in erster Linie durch Erkenntnisse der Ökologie geprägt, welche Art der Wiederherstellung in welchem ökologischen Kontext geeignet ist. Kartierungsstudien, die das weltweite Potenzial für Renaturierung ermittelten, machten auf die globale Dimension dieser Aufgabe aufmerksam und trugen entscheidend dazu bei, Ressourcen zu mobilisieren.
Ob eine ökologische Restauration gelingt und auf Dauer besteht, ist jedoch nicht nur eine Frage der Ökologie. Insbesondere soziale Aspekte wie Machtverhältnisse, Governance-Systeme oder der Umgang mit unterschiedlichen Werten spielen ebenfalls eine zentrale Rolle. Solche sozialen Faktoren wurden in Politik und Praxis lange zu wenig beachtet.
Zusammen mit Kolleg:innen konnte ich kürzlich in einer Studie3 zeigen, dass in den Gebieten, die prioritär renaturiert werden sollten4, mehr als eine Milliarde Menschen leben, die Überproportional von schlechter Gesundheit, tiefer Bildung und niedrigen Einkommen betroffen sind. Diese Menschen sind in vielen Fällen direkt von ihrer Landschaft abhängig und sind oft kulturell eng mit ihrem Land verbunden.
Warum soziale Fragen entscheidend sind
Renaturierung findet oft im Kontext starker Machtgefälle statt. Im schlechtesten Fall beeinflussen externe Geldgeber wichtige Entscheidungen, ob, wo und wie restauriert werden soll, während die lokalen Gemeinschaften, die direkt davon betroffen sind, oft am wenigsten zu sagen haben.Zudem unterscheiden sich die Ziele der Akteure mitunter erheblich. Während die lokale Bevölkerung eher von Projekten profitiert, die Restauration mit Landwirtschaft kombinieren, waldbaulichen Praktiken folgen und dabei wirtschaftliche Vorteile bringen, bevorzugen private Geldgeber häufig Projekte, die den Klimaschutz fördern: Sie investieren tendenziell mehr in schnell wachsende Kohlenstoffmonokulturen, die den Zielen der lokalen Gemeinschaften direkt zuwiderlaufen und Ökosysteme schädigen können. 5
«Renaturierungsprojekte werden eher beständig und ökologisch vorteilhaft sein, wenn sie den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung entsprechen.»Bei all dem stellt sich die Frage, wer über das Land und seine Nutzungspolitik bestimmt. Projekte, bei denen einflussreiche Akteure im Globalen Norden entscheiden, was im Globalen Süden umgesetzt wird, laufen Gefahr, lokale Gemeinschaften zugunsten von Kohlenstoffzielen zu marginalisieren.6 Umgekehrt zeigen zahlreiche Belege, wie die lokale Bevölkerung von sinnvoll wiederhergestellten Ökosystemen profitieren, wenn dezentral und fair entschieden wird.7
Sara Löfqvist
Offensichtlich gibt es ein moralisches Argument für gerechte Renaturierung: Die Menschen vor Ort, die am meisten betroffen sind, sollten das grösste Mitspracherecht haben.
Davon abgesehen ist es nur naheliegend, dass Eingriffe eher beständig und ökologisch vorteilhaft sind, wenn sie den Wünschen und Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung für ihr Land entsprechen.8 Menschen sind schlicht eher bereit, ein Wiederherstellungsprojekt aufrechtzuerhalten, wenn es partizipativ ist und ihnen nützt.