Boris Salak, Sie haben untersucht, welche Standorte für erneuerbare Energien in der Schweiz infrage kommen und welche Kosten dabei berücksichtigt werden müssen. Was kam dabei heraus?
Wir zeigen mit unserer Studie, die mit der ETH gemeinsam durchgeführt wurde, dass unterschiedliche Planungsprioritäten verschiedene räumliche, ökologische und soziale Kosten mit sich bringen. Wir haben herausgefunden, dass es nicht die eine «richtige» Planungspriorität gibt, sondern, dass dies ein Abwägungsprozess zwischen den Prioritäten ist. Wir sehen, dass eine Optimierung nach sozialen Aspekten ein guter Kompromiss zwischen den anderen beiden Prioritäten ist. Diese Optimierung bringt die tiefsten sozialen Kosten, also die höchste Akzeptanz, ist räumlich gesehen vergleichbar effektiv wie eine Optimierung nach Energieeffizienz, zeigt dabei aber einen deutlich geringeren Verlust an Ökosystemleistungen.
Was bedeutet dies in Bezug auf die aktuelle Energie-Strategie des Bundes?
Die Energiestrategie des Bundes hat im letzten Jahr eine Wende genommen. Bislang war es nicht denkbar, Fotovoltaikanlagen in Mengen, die für eine Energiewende relevant wären, in der Landschaft zu platzieren. Nun haben sich die Rahmenbedingungen verändert. Zu einem gewissen Grad war dies bereits absehbar, weshalb wir in dieser Studie die erwähnten Szenarien jeweils mit und ohne Einbezug von Freiflächenfotovoltaik berechnet haben. Sowohl die potenzielle Flächeninanspruchnahme als auch die ökosystemrelevanten und sozialen Kosten sind höher, wenn man die Energiewende ohne Freiflächenanlagen umsetzten möchte und die Priorität «roof first» beibehält. Das bedeutet aber nicht, dass alle benötigten Anlagen in die freie Fläche kommen. Zwei Drittel der Energie muss weiterhin mit PV von unseren Dächern erzeugt werden, in etwa ein Viertel aus Freiflächenanlagen und der Rest mit Windenergieanlagen.Wie haben Sie untersucht, welche Standorte die Bevölkerung bevorzugt?
Wir haben eine repräsentative Umfrage in der ganzen Schweiz durchgeführt. Die Teilnehmenden sahen jeweils zwei Szenarien. Auf den Bildern waren Windkraftanlagen, Fotovoltaikanlagen auf Dächern oder auf Freiflächen sowie Hochspannungsleitungen zu sehen. Die Befragten sollten nun entscheiden, welches Bild für sie am stimmigsten ist oder ob ihnen keines der gezeigten Energieszenarien zusagt. Diese Präferenzen zeigen, wie gut bestimmte Landschaften zu verschiedenen Energieanlagen passen. Gemeinsam mit Informationen zu Ökosystemleistungen und Energieproduktion konnten diese sozialen Informationen in ein Optimierungsprogramm integriert werden. Im Vergleich aller Planungsprioritäten zueinander fällt auf, dass es Orte gibt, die von allen Strategien als am besten geeignet nominiert werden. Diese Orte scheinen für die Schweizer Energiewende besonders bedeutend zu sein.Welche Orte sind das?
Es zeigt sich, dass die Energiewende vor allem in den landwirtschaftlichen und siedlungsgeprägten Bereichen des Mittellandes von St. Gallen bis Genf, in den urban geprägten Hauptalpentälern, etwa im Rhonetal, und in den von touristischer Infrastruktur geprägten Alpenlandschaften, zum Beispiel in Skigebieten, stattfinden wird. Mit diesen Standorten sind teilweise hohe Kosten verbunden, aber sie sind für eine erfolgreiche Energiewende so bedeutsam, dass sie nicht adäquat ersetzt werden können. Unsere Studie zeigt auch, dass es Standorte für Energieanlagen gibt, die eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung haben, räumlich effizient sind und die Umwelt möglichst wenig belasten. Dies erfordert jedoch einen Paradigmenwechsel in der Planung und eine stärkere Einbindung der Bevölkerung in den Entscheidungsprozess. Es geht nicht nur darum, technische Lösungen zu finden, sondern auch darum, die soziale Dimension der Energiewende zu verstehen und zu integrieren. Nur so kann das Ziel von 25 Terawattstunden erneuerbarer Energie pro Jahr erreicht werden.Forschende der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, der ETH Zürich und der TU Wien haben einen innovativen Ansatz für die Auswahl von Standorten für Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien (EEI) entwickelt. Der Erstautor Boris Salak (WSL/TU Wien) und seine Kollegen Felix Kienast und Marcel Hunziker (WSL) sowie Adrienne Grêt-Regamey, Ulrike Wissen Hayek und Reto Spielhofer (ETH Zürich) lösen sich von traditionellen Methoden, die vor allem technische und wirtschaftliche Faktoren berücksichtigen.