Virtuoser Wissensschöpfer und Innovationsvisionär

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Dimos Poulikakos im Labor, in dem er unzählige Stunden verbrachte. (Bild: ETH Zü
Dimos Poulikakos im Labor, in dem er unzählige Stunden verbrachte. (Bild: ETH Zürich / Gian Marco Castelberg)
Dimos Poulikakos wird im Januar 2024 emeritiert. Der Professor für Thermodynamik ging stets mit der Zeit und entwickelte viele praktische Anwendungen. Seine Grundlagenvorlesung besuchten während 27 Jahren über 8000 Studierende. Was er jungen Forschenden noch mit auf den Weg geben möchte.

Er ist ein vielseitig interessierter Mensch: Am liebsten würde Dimos Poulikakos sehr gut Klavier spielen können. Oder Gitarre. Oder Geige. Doch mit der Musik hat es bis heute nicht geklappt. Als Kind wendete er sich anderen Beschäftigungen zu, vor allem dem Sport. Er spielte Fussball und Basketball, heute schwimmt er, und man trifft ihn auf dem Tennisplatz. Er wandert und fotografiert gerne. Den nicht wenigen Einladungen zu Konferenzen möchte er auch nach seiner Emeritierung folgen und so das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden: Reisen und gleichzeitig der Forschung nahe bleiben. So wundert es nicht, dass sich Dimos Poulikakos auf seinen Ruhestand Ende Januar 2024 freut: «Ich bin bereit und freue mich darauf.» Vor wenigen Jahren war das noch anders, denn Poulikakos gehört zu den wenigen Professorinnen und Professoren, denen die ETH eine Verlängerung über ihr Pensionsalter hinaus bewilligte. «So konnte ich meine laufenden Projekte abschliessen, wofür ich der ETH sehr dankbar bin.»

Die Grundkonzepte der Thermodynamik verstehen

Die Karriere von Poulikakos war äusserst erfolgreich: Seine Arbeiten zur Thermodynamik wurden international stark beachtet, und auch ETH-intern erhielt er viel Anerkennung: So war Poulikakos Mitglied der Forschungskommission der ETH (2001-2005), Vizepräsident für Forschung (2005-2007) und Vorsteher des Departements für Maschinenbau und Verfahrenstechnik (2011-2014). Auch ausserhalb der Hochschule engagierte er sich, und wurde beispielsweise 2008 in die Schweizerische Akademie der Technikwissenschaften gewählt, deren Wissenschaftsrat er von 2012 bis 2015 als Präsident vorstand. Seit Januar 2020 präsidiert er die Abteilung «Programme» des Nationalen Forschungsrats beim Schweizerischen Nationalfonds.

Doch auf die Frage nach den Höhepunkten seiner Karriere steht für Poulikakos ein ganz anderer Punkt an erster Stelle: «Der Umgang mit Studierenden und Doktorierenden und das Unterrichten waren mir immer sehr wichtig.» In seiner Vorlesung zu den Grundlagen der Thermodynamik beging er von Anfang an neue Wege. Ihm war es wichtig, dass die Studierenden Grundkonzepte wie Energie, Enthalpie oder Entropie sowie die Bedeutung der Hauptsätze der Thermodynamik, tief und für sich allein verstehen. Dieses Verständnis diente den Studierenden und Doktorierenden als Basis, um neue, bahnbrechende Technologien zu entwickeln. Als die Grundvorlesung der Thermodynamik noch anhand wichtiger bestehender Technologien, wie zum Beispiel der Dampfturbine oder dem Verbrennungsmotor, unterrichtet wurde, schränkte dies seiner Meinung nach das Verständnis und die universale Gültigkeit des Faches ein.

Seine erste Vorlesung an der ETH hielt er auf Deutsch, obwohl er die Sprache nach bloss fünf Monaten Unterricht noch kaum sprach. «Mithilfe einer detaillierten Powerpoint-Präsentation und einem Assistenten, der einsprang, wenn mir ein Wort fehlte, ging es einigermassen.» Am Ende der Vorlesung erntete er stehenden Applaus, trotz seiner sprachlichen Grenzen. Dieses Zeichen der Wertschätzung bedeutete Poulikakos viel, und er fühlte sich bei dem grossen Wohlwollen sofort willkommen an der ETH.


In seinen 27 Jahren an der ETH Zürich hielt Poulikakos die Grundlagenvorlesung jährlich für rund 300 Studierende, was sich auf über 8000 Absolventinnen und Absolventen summiert. Eine beeindruckende Zahl. Hinzu kamen über 90 Doktorierende der ETH, die er betreut hat. Die Wertschätzung für seinen Einsatz ist auch im Büro sichtbar: Ein Töggelikasten steht dort, den ihm seine Gruppe zum 60. Geburtstag schenkte. «Den Kasten habe ich aber erst kürzlich wieder in mein Büro geholt. Vorher hatte ich leider keine Zeit, um ihn zu benutzen. Aber meine Gruppe hat ihn sehr geschätzt», sagt Poulikakos mit einem Augenzwinkern.

Grenzflächentransportphänomene interdisziplinär untersuchen

Poulikakos wurde 1996 als ordentlicher Professor für Thermodynamik an die ETH berufen. Er gründete das Labor für Thermodynamik in neuen Technologien und betrieb Grundlagenforschung in den Bereichen Thermodynamik und Transportprozessen in der Energie und Nanotechnologie. Dank seines Interesses und Verständnisses nicht nur für die Thermodynamik, sondern auch für neue Materialien und Prozesse, gelang es ihm auch immer wieder, praktische Anwendungen zu entwickeln. Ein Beispiel ist das 2D- und 3D-Drucken mit Dispersions-Tinten, die Nanoteilchen enthalten. Weitere mögliche Anwendungen wären die Kühlung von Elektronikchips und Methoden zur Regelung der Sonnenlichtabsorption von verschiedenen Materialien.

Die Entwicklung neuer Technologien im Schnittbereich zu anderen Fachgebieten interessierte Poulikakos besonders. Als Beispiel nennt er die Biomedizin. Einem interdisziplinären Team unter seiner Leitung ist es gelungen, eine Membran zu entwickeln, auf der keine Bindegewebezellen ablagern können. Diese Forschung führte zur Gründung eines Spin-offs, das solche Membranen zur Ummantelung von Herzschrittmachern vermarktet. Die Membran verhindert, dass Bindegewebe das implantierte Gerät umwuchert.

«Ich schätze es sehr, dass es an der ETH so viele Möglichkeiten für die fächerübergreifende Zusammenarbeit gibt.»


Als eine der grössten Herausforderungen nennt Poulikakos seine Amtszeit als Vizepräsident für Forschung. «Die ETH ist eine grossartige Hochschule. Sie ermöglicht einem viel. Deshalb war es mir wichtig mitzuarbeiten, wenn ich für eine Funktion oder Aufgabe angefragt wurde.» So erhielt er in einer turbulenten Zeit mit verschiedenen Reorganisationen diesen verantwortungsvollen Posten. Während seiner Amtszeit wurde Poulikakos schnell klar, dass seine Leidenschaft weniger im Management, sondern in der Lehre und Forschung liegt - die er trotz anderer Verpflichtungen weiterbetrieb. So fiel ihm der Rücktritt nach zwei Jahren entsprechend leicht.

Ein Tipp für junge Forschende

Für Dimos Poulikakos geht ein Kapitel zu Ende. Welchen Tipp würde er rückblickend jungen Forschenden geben, die am Anfang ihrer akademischen Laufbahn stehen? Sie sollen Dinge ausprobieren, auch mal Risiken eingehen und das Akzeptierte hinterfragen, sagt er. Und ganz wichtig: Spass haben! Vielen Forschenden sei gar nicht bewusst, welche technologischen Fortschritte in den letzten Jahrzehnten gemacht wurden und welche Vorteile sie mit sich bringen. «Während sich unsere Vorgänger vieles vorstellen mussten, haben wir Wege, um auf atomarer, molekularer oder submolekularer Ebene experimentell forschen zu können. Dieses Privileg sollten wir nutzen, um neue Technologien zu entwickeln, die die Menschheit einen Schritt weiterbringen.»

«Ich wünsche der ETH alles Gute und bedanke mich für die Jahre an dieser besonderen Hochschule.»


Auch wenn er sich auf seine Zeit nach der ETH freut, gibt es auch Dinge, die Poulikakos fehlen werden: «Ich werde es bestimmt vermissen, regelmässig in mein Büro zu kommen und ETH-Luft zu atmen. Und natürlich wird mir der Austausch mit meiner Forschungsgruppe und den Doktorierenden und Studierenden fehlen.» Nun, da alle seine Doktorierenden promoviert haben und laufende Projekte abgeschlossen sind, bleibt ihm nur noch übrig, sein Büro zu räumen. Viel hat sich in 27 Jahren angesammelt und es gilt zu entscheiden, was er mit nach Hause nimmt, und was entsorgt oder recycelt wird. Für den Töggelikasten ist zum Glück bereits ein Platz reserviert.
Deborah Kyburz