
Von Papst Franziskus lanciert, hat die römischkatholische Kirche vier Jahre (2021-2024) geübt, als Kirche «synodaler» zu werden. Synodalität bedeutet, gemeinsam auf dem Weg zu sein. Konkret ging es um die Anliegen von mehr Partizipation und Mitbestimmung. Wie ist das Verhältnis von Hierarchie und Kirchenvolk neu zu gestalten? Wie können wir besser aufeinander hören und miteinander entscheiden? Welchen neuen Stil braucht es in der Kirche, damit ihre Verkündigung an Glaubwürdigkeit gewinnt?
Bemerkenswert an diesem synodalen Prozess war, dass auf allen Ebenen Kirchenleitung und Basis zusammengearbeitet haben. Die Ergebnisse lokaler und kontinentaler Zusammenkünfte wurden in zwei Synodalversammlungen, je 2023 und 2024 in Rom, eingebracht. Was traditionell als reine Bischofssynode abgehalten wurde, fand nun als Prozess mit mehreren Phasen und unter Beteiligung von Laien statt.
Frauenordination: keine Diskussion
In der Schweiz haben viele Katholikinnen und Katholiken mit diesem synodalen Prozess Wünsche und auch Forderungen verbunden, als Kirche weniger «monarchistisch» zu sein und «demokratischer» zu werden. Konkrete und dringliche Anliegen wurden eingebracht, unter anderem vom Bistum Basel, «dass die Zulassung zu den Weiheämtern für Frauen und Verheiratete geöffnet wird». Weltweit erhoffen sich Gläubige von der Weltsynode und natürlich darüber hinaus, dass Reformen im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) vorangetrieben werden. Enttäuschend war deshalb für viele der Entscheid des Papstes, über die Frage der Frauenordination gar nicht erst zu diskutieren, sondern sie separat in einer Studiengruppe zu bearbeiten. Die Schlussversammlung war von diesem heimlichen Hauptthema geprägt.Überraschend und positiv war, dass Papst Franziskus das Abschlussdokument direkt bestätigt hat. Dass diese Weltsynode überhaupt möglich war, ist ein grosser Schritt in die richtige Richtung. Aber die mit diesem mehrjährigen Prozess angestossene Dynamik muss weiter genutzt werden für die Wandlung von Strukturen und Prozessen in der Kirche. Dafür sind die Bischöfe in ihren Bistümern mitverantwortlich. In der Schweiz wurde ausserdem durch die Bischofskonferenz und die Römisch-katholische Zentralkonferenz (RKZ) - es handelt sich dabei um den Zusammenschluss der kantonalkirchlichen Organisationen - eine nationale Synodalitätskommission eingesetzt, um über fünf Jahre synodale Prozesse auf allen kirchlichen Ebenen - lokal, regional und national - zu fördern.
Mit Reden allein ist es dabei nicht getan. Wesentlich ist das Aufeinander-Hören.
Seit dem biblisch bezeugten Apostelkonzil (50 n. Chr.) wird in als «Synoden» bezeichneten Kirchenversammlungen über Glaubensund Ordnungsfragen beraten und entschieden, um als Kirche dem Evangelium Christi trotz sich verändernder Lebensumstände treu bleiben zu können. Synodalität meint vom Wortsinn her wie gesagt «gemeinsam auf dem Weg sein» und verpflichtet jede Gemeinschaft, die in der Nachfolge Jesu Christi steht, der selbst «der Weg, die Wahrheit und das Leben» ist (Johannes 14,6). Jede christliche Kirche versteht sich deshalb als «synodale» Kirche. Mit Reden allein ist es dabei nicht getan. Wesentlich ist das Aufeinander-Hören. Mit «Wir sind ganz Ohr» war der synodale Prozess zu zentralen Fragen des Kircheseins in den Bistümern der Deutschschweiz 2021 überschrieben. Bereits 2019 hatten die deutschen Bischöfe zusammen mit dem Zentralrat der deutschen Katholiken (ZdK) den Synodalen Weg in Deutschland als Antwort auf die sogenannte Missbrauchskrise und die darauffolgende massive Welle an Kirchenaustritten gestartet. In beiden Beispielen ging es wesentlich um das Hören, aber auch um entsprechende Haltungen: sich genügend Zeit nehmen, um einander verstehen zu können; mit Mut sprechen und mit Demut hören; Vorurteile, Ideologien sowie Klerikalismus überwinden; Selbstgenügsamkeit bekämpfen. Vor allem aber ist Synodalität für alle christlichen Kirchen ein geistlicher Prozess. Ohne den Geist Gottes gibt es keine echte Synodalität. Er spricht auch und gerade durch den Glauben des Kirchenvolkes. Sogar durch jene, die aus Enttäuschung längst verstummt sind.
Synodalität nicht ohne Ökumene
Alle Kirchen haben eigene Erfahrungen mit Synodalität. Keine der Kirchen verwirklicht aber Synodalität im Vollsinn, da das Volk Gottes durch die Kirchenspaltungen getrennt ist. Kirchliche Synodalität ruft aus sich heraus nach mehr Ökumene, und Ökumene befördert echte Synodalität. Deshalb sollten und können die Kirchen voneinander lernen. Übereinstimmend anerkennen alle, dass kirchliche synodale Prozesse und Entscheidungen nicht einfach «demokratisch» sind, weil die Mehrheit nicht einfach recht hat. Hier könnte es auch ein gegenseitiges Lernen von Kirche(n) und Gesellschaft geben. Ein ökumenisch verantwortetes Synodalitätsverständnis würde einen echten Mehrwert auch für die Gesellschaft darstellen.Neu erhältlich ist der von Nicola Ottiger mitherausgegebene Sammelband «Synodale Kirche(n) und kirchliche Synodalität. Ökumenisch-theologische Perspektiven» (Theologischer Verlag Zürich 2024). Das Ökumenische Institut Luzern lädt in diesem Zusammenhang am 27. Januar zum Podiumsgespräch «Synodalität und Ökumene» mit Vertretern verschiedener Kirchen ein.
Nicola Ottiger
Honorarprofessorin für Ökumenische Theologie und Leiterin des Ökumenischen Instituts Luzernwww.unilu.ch/nicola-ottiger