Die Schweiz hat Nachholbedarf im Bereich Digital Health

 (Image: Pixabay CC0)
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Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen belegt die Schweiz im internationalen Vergleich die hinteren Plätze. Um Ränge gutzumachen, müssten Entscheidungsträger den digitalen Wandel aktiver mitgestalten, so das Fazit einer neuen ZHAW-Studie.

Die Schweiz belegt in einem Ranking zum Digitalisierungs-Reifegrad im Gesundheitswesen der Bertelsmann Stiftung Platz 14 von untersuchten 17 Ländern. Eine neue Studie der ZHAW zeigt: Um in diesem Bereich aufholen zu können, müssten Entscheidungsträger proaktiv handeln und den digitalen Wandel im Gesundheitswesen aktiv steuern. Und das sei nötiger denn je, sagt ZHAW-Forscher Alfred Angerer vom Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie. Der Ökonom erwartet ein rasantes Wachstum des Digital-Health-Marktes. Für Angerer sind hier aber nicht nur die technischen Entwickler gefordert, sondern auch die Wirtschaft und die Politik. «Der Wandel im Bereich Digital Health hängt nicht nur von der Technologie allein ab, sondern von der Politik und den Managemententscheidungen, die dahinterstehen.» So eine der Einschätzungen der neuen ZHAW-Studie «Digital Health - Revolution oder Evolution?»

Doch was verstehen Experten eigentlich unter «Digital Health»- Das lässt sich am besten anhand neuer Technologien aufzeigen. Laut der ZHAW-Studie werden zurzeit zahlreiche Digital-Health-Lösungen getestet und eingeführt. Das Universitätsspital Zürich verwendet beispielsweise Augmented Reality Brillen für das Anzeigen von wichtigen patientenspezifischen Informationen während orthopädischer Eingriffe. Ein anderes Beispiel ist die neuste Generation von Herzschrittmachern, die zur Fernüberwachung an ein weltweites Netzwerk von Kardiologen angeschlossen sind. In den Bereich Digital Health gehören laut den Studienautoren auch Themen wie Roboter in der Pflege, digitale Avatare, Künstliche Intelligenz für medizinische Analysen oder ein spielerischer Zugang beispielsweise zu Prävention durch Games (Gamification). «Diese neuen Technologien werden den Digital-Health-Wandel massgeblich mitprägen», erklärt Angerer.

Die Studie zeigt auch auf, dass Patientinnen und Patienten vom Wandel durch Digital Health profitieren werden. So können mit dem Einsatz von Digital-Health-Technologien die Wartezeiten beim Arztbesuch verkürzt oder papierlose Rezepte realisiert werden. Der erleichterte Zugang zu Informationen durch digitale Kanäle kann zudem die Gesundheitskompetenz von Patientinnen und Patienten erhöhen und Arztbesuche aus Bagatellgründen vermeiden. Nicht zuletzt können laut der Studie auch die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen entlastet und Medizinerinnen und Medizinern der Zugang zum aktuellen Forschungsstand erleichtert werden.

Die Studie identifiziert zentrale Veränderungsfelder bei der Vernetzung aller Leistungserbringer zur Behandlung des Patienten - von der Prävention bis zur Rehabilitation (Health Value Chain). Hier sehen die Studienautoren Veränderungen beispielsweise bei der Prävention. Patienten werden künftig viel umfangreicher auch im privaten Umfeld persönliche Gesundheitsdaten erheben und besser an Gesundheitsinformationen gelangen können. Digital Health kann laut der Studie zudem bei der Koordination von Patientenwegen innerhalb von Organisationen helfen. Im Bereich Diagnostik wird künstliche Intelligenz (Machine-Learning) künftig medizinisches Personal bei der Erkennung von Mustern und Auffälligkeiten von Laborwerten unterstützen. Christian Russ, Co-Autor der Studie, fasst zusammen: «Erstens wird die universelle Verfügbarkeit von Gesundheitsinformationen und Krankheitsprävention verbessert. Zweitens werden die Kontaktpunkte und der Patientenfluss optimaler ausgestaltet. Schliesslich werden sich Diagnose und Therapie ebenso kontinuierlich weiterentwickeln. Es ist nicht mehr die Frage ob, sondern wie schnell die Digitalisierung die Gesundheitswelt verändert.»

Laut Angerer ist die Digital-Health-Transformation viel mehr als ein IT-Projekt. «Es ist ein Kulturwandel mit hohen Anforderungen an die Mitarbeitenden bezüglich der Toleranz gegenüber Veränderungen. Wie bei allen Kulturwandeln sollte man sich bewusst machen, dass nicht von Jahren, sondern eher von Jahrzehnten gesprochen wird, bis der Wandel gelungen ist.»

Die Studie «Digital Health - Revolution oder Evolution?» wurde am 3. Oktober im Rahmen des 1. Digital Health Lab Day in Wädenswil präsentiert. Dieser Anlass ist gleichzeitig die Grundsteinlegung des neugegründeten ZHAW Digital Health Labs. Das Lab vereint ZHAW- Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler aus den Bereichen Ökonomie, Gesundheit, Technik und Psychologie. Am Anlass haben sich zahlreiche Expertinnen und Experten aus verschiedenen Disziplinen im Bereich Digital Health ausgetauscht.