Operationen bergen das Risiko von Infektionen an der Eingriffsstelle. Eine korrekte Hautdesinfektion vor dem Schnitt minimiert dieses Risiko. Weltweit werden dafür zwei Desinfektionsmittel verwendet, von denen bisher eines als besser galt. Eine gemeinsame Studie des Inselspitals, Universitätsspital Bern und Universität Bern in Zusammenarbeit mit den Universitätsspitälern Basel und Zürich zeigt nun, dass beide Mittel gleich wirksam sind. Dies ist besonders in Ländern mit beschränkten Ressourcen von Bedeutung, da das eine Mittel dort meist einfacher verfügbar und kostengünstiger ist.
Bei jedem chirurgischen Eingriff besteht ein Risiko von Wundinfektionen. Solche Infektionen treten bei etwa 0,5 bis 3 Prozent der Patientinnen und Patienten auf und können schwerwiegende Komplikationen nach sich ziehen. Oft sind sie auf Mikroorganismen zurückzuführen, die natürlicherweise auf der Haut vorkommen. Um das Risiko solcher Infektionen zu minimieren, ist die richtige Hautdesinfektion vor dem Schnitt entscheidend. Dabei stehen medizinische Fachkräfte vor der Wahl zwischen zwei weltweit verbreiteten Präparaten: Chlorhexidin-Gluconat und Povidon-Jod, die beide in alkoholischen Lösungen verwendet werden.
Globale Empfehlungen und wissenschaftliche Debatten
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bevorzugt in ihren Richtlinien alkoholische Lösungen mit Chlorhexidin-Gluconat gegenüber Povidon-Jod zur Hautdesinfektion vor Operationen. Dies, da frühere Studien auf eine Überlegenheit von Chlorhexidin-Gluconat in der Reduktion von Wundinfekten hingedeutet hatten. Die entsprechenden Studien waren jedoch klein, und mit einer geringen Anzahl an erfassten Infektionsereignissen beschränkt aussagekräftig. Zudem waren sie bezüglich Desinfektionsmittelformulierung und Desinfektionsprozess wenig standardisiert. Weiter gibt es wachsende Bedenken hinsichtlich der verbreiteten Anwendung von Chlorhexidin. Da es nicht nur in Operationssälen, sondern auch auf Intensivstationen für die Patientenpflege genutzt wird, besteht die Sorge, dass Bakterien zunehmend Resistenzen gegen dieses Desinfektionsmittel entwickeln könnten.
Klinische Studie zeigt gleiche Wirksamkeit
Da Hautdesinfektionsmittel weltweit bei allen operativen Eingriffen verwendet werden, wirken sich bereits kleine Vorteile einer Substanz in Form einer grossen Anzahl verhinderten Infektionen weltweit aus. Das Universitätsspital Basel und das Inselspital Bern haben deshalb in Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital Zürich eine umfangreiche multizentrische Cluster-randomisierte Studie zum Vergleich der zwei Substanzen initiiert. Die Durchführung
Verglichen wurde die Wirksamkeit der beiden erwähnten Substanzen in der Verhinderung von Wundinfektionen. Bei der Studienplanung und -durchführung wurde besonders Wert auf eine standardisierte Formulierung der Präparate und Desinfektionsmittelapplikation gelegt.
An der Studie nahmen 3360 Patientinnen und Patienten teil, die sich an einem der drei teilnehmenden Universitätsspitäler einer geplanten Bauchoder Herzoperation unterzogen. Die eingeschlossenen Personen wurden gruppenweise zufällig jeweils einem der zwei Präparate zugeordnet. Die Ergebnisse, die jüngst in der Fachzeitschrift ’Journal of the American Medical Association (JAMA)’ publiziert wurden, zeigen, dass Povidon-Jod bei der Prävention von Infektionen nach Bauchoder Herzoperation genauso wirksam ist wie Chlorhexidin-Gluconat.
Studienresultate könnten globale Desinfektionsprotokolle verändern
’Unsere Studie kann den Vorteil von Chlorhexidin Gluconat gegenüber alkoholischen Jodpräparaten nicht mehr bestätigen. Die zusätzliche Substanz als zweites gleichwertiges Hautdesinfektionsmittel vor Operationen ist insbesondere vor dem Hintergrund wichtig, dass Jod in Ländern mit beschränkten Ressourcen meist einfacher verfügbar und kostengünstiger ist,’ erläutert Philipp Jent, Letztautor der Studie, und fügt hinzu: ’Die Ergebnisse werden wahrscheinlich zu Anpassungen in den weltweiten Richtlinien zur Hautvorbereitung vor Operationen führen, und dazu, dass Krankenhäuser weltweit ihre Protokolle für die Hautdesinfektion vor Operationen überdenken.’