Im erwachsenen Gehirn befinden sich nur wenige Stammzellen. Diese bringen jedoch das gesamte Leben lang neue Nervenzellen hervor. Eine Forschungsgruppe vom Biozentrum der Universität Basel berichtet nun in Science von Verbindungen im Gehirn, die über weite Distanzen einen bestimmten Pool von Stammzellen in ihrer Nische ansteuern und diese dazu anregen, sich zu teilen und in Nervenzellen für das Riechzentrum zu entwickeln. So können je nach Bedarf spezifische Typen von Neuronen gebildet werden.
Unser Gehirn produziert sein Leben lang neue Nervenzellen. Unterschiedlichste Reize signalisieren dabei den Stammzellen in ihren Nischen sich zu Neuronen zu entwickeln, die anschliessend an ihren Einsatzort wandern. Das Team von Prof. Fiona Doetsch vom Biozentrum der Universität Basel konnte nun erstmals zeigen, dass Nervenzellen im Hypothalamus – eine Gehirnregion, die eine Vielzahl physiologischer Funktionen steuert – in Abhängigkeit von der Nahrungszufuhr einen ganz bestimmten Typ von Stammzellen dazu stimuliert sich zu vermehren und zu spezifischen Nervenzellen heranzureifen.
Stammzellen produzieren Neuronen für den Geruchssinn
Stammzellen kommen nur in wenigen Bereichen des Gehirns vor. Das grösste Reservoir stellt dabei die sogenannte subventrikuläre Zone dar. Hier liegen ruhende, also inaktive Stammzellen dicht gedrängt beieinander. Signale aus der Umwelt regen diese zur Teilung an. Die Stammzellen, die sich in der subventrikulären Zone befinden, versorgen den Riechkolben mit Neuronen. Bei Nagetieren wandern täglich über 10’000 neue Nervenzellen aus ihrer Stammzellnische in den Riechkolben. Dort werden die Geruchsreize aus der Nase verarbeitet und an andere Hirnareale weitergeleitet. Das eng verästelte Netzwerk aus diversen Typen von Neuronen im Riechzentrum ist für die Unterscheidung von Gerüchen wichtig.
Aktivierung von Stammzellen über weite Distanzen
Bereits jede Vorläuferzelle hat, je nach dem wo sie sich in der subventrikulären Zone befindet, ihre eigene regionale Identität. Aus ihnen entstehen ständig neue Nervenzellen. Unklar war bislang, wie es gelingt, dass die Nischen-Signale ganz unterschiedliche Pools von Stammzellen kontrollieren können.
«Wir haben nun erstmals eine neue ‹Fernverbindung› zwischen dem Hypothalamus und der subventrikulären Zone im Gehirn entdeckt. Und wir konnten auch zeigen, dass Hunger und Sättigung die Rekrutierung ganz spezifischer Stammzellpopulationen und damit verbunden, die Bildung von bestimmten Nervenzelltypen im Riechkolben steuern», erklärt Doetsch.
Wenn die Tiere hungerten, sank die neuronale Aktivität der Nervenzellen im Hypothalamus und damit auch die Vermehrungsrate des angesteuerten Stammzellpools. Das Ganze kehrte sich ins Normale, wenn die Tiere wieder Nahrung erhielten. Demnach wird die Teilung von Stammzellen durch die veränderte Aktivität der Nervenzellen im Hypothalamus, welche auf Nahrungszufuhr reagieren, kontrolliert.
Wie die Forscher weiter berichten, entwickeln sich aus dieser Subpopulation die tiefen Körnerzellen des Riechkolbens, welche bei der Anpassung an die Umwelt möglicherweise eine Rolle spielen. Die Ergebnisse der Studie lassen zudem vermuten, dass auch andere Nervenzellnetzwerke im Gehirn unterschiedliche Pools von Stammzellen aus der subventrikulären Zone regulieren und damit auf verschiedene Reize und Zustände reagieren.
Originalbeitrag
Alex Paul, Zayna Chaker and Fiona Doetsch
Hypothalamic regulation of distinct adult neural stem cells and neurogenesis
Science (2017), aal3839