Effizienz im Tiefbau: Optimale Infrastrukturentwicklung durch nahtlose BIM- und GIS-Integration

Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik

Natalia Kudinova und Marie-Theres Roth haben im Juni 2024 den CAS Geoinformation & BIM abgeschlossen. Geoinformationen bilden die Basis für raumbezogene Planungen, Entscheidungen und Massnahmen. In ihrer gemeinsamen Zertifikatarbeit haben sie sich der Datenintegration für eine erfolgreiche Infrastrukturentwicklung im Bereich Tiefbau gewidmet. In ihrem Bericht schildern sie den Handlungsbedarf, ihr Vorgehen und die gewonnenen Erkenntnisse.

Aktuelle Praxissituation im Tiefbau

Die zunehmende Komplexität unseres Lebensraums und die Herausforderungen an Infrastruktur und Umwelt treiben auch die Digitalisierung der Prozesse im Tiefbau voran. Es besteht ein wachsender Bedarf, Fachleute aus verschiedenen Bereichen von Infrastrukturprojekten zusammenzubringen und den Dialog zu fördern. Building Information Modeling (BIM) hat sich als Standard etabliert und verfügt über eigene technische Methoden für verschiedene Prozessphasen und ermöglicht die digitale Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Bauwerken im lokalen Umfeld, während Geografische Informationssysteme (GIS) grossräumige Daten verwalten und visualisieren. Beide Plattformen bieten Vorteile für Bauprojekte. Die Integration von BIM und GIS ist entscheidend, um eine maximale Effizienz im Bauprojektmanagement zu erreichen.

Die Norm SIA 112 strukturiert den komplexen Prozess des Tiefbaus von der Bedürfnisabklärung bis zum Unterhalt. Diese Struktur bildet die Grundlage für die Bauplanung. Es gibt verschiedene Herausforderungen, die im heutigen Bauprozess auftreten.
  • Getrennte Projektierungen durch verschiedene Ingenieurbüros führen oft zu Datenbrüchen. Intern durchläuft ein Projekt verschiedene Abteilungen, wobei der Datenfluss einseitig bleibt. Ein bidirektionaler Datenfluss könnte Verbesserungen ermöglichen.
  • Unterschiedliche Software in Ingenieurbüros und städtischen Abteilungen führt zu Darstellungsabweichungen und zeitaufwändiger Nachbearbeitung.
  • Informationsfluss wird häufig in E-Mails und Notizen gespeichert, was später zu Verlusten führen kann. Oft fehlt ein zentraler Speicherort.
  • Mehrfache Überprüfungen der Pläne erfordern stets aktuelle Dokumente auf beiden Seiten. Eine zentrale Plattform könnte Datenund Informationsverluste verhindern .
  • die bereits seit langem in der Planungsphase sind, sind teilweise noch als handgezeichnete Pläne oder PDFs verfügbar, während neuere Schritte bereits digital sind. Um diese Diskrepanzen zu Überwinden, ist eine fortgesetzte Digitalisierung erforderlich.



Diese Situation verdeutlicht den Bedarf an verbesserter Koordination, standardisierten Softwarelösungen und durchgängiger Digitalisierung im Tiefbau, um die Effizienz und Qualität der Projekte zu steigern und formuliert die Anforderungen an die Integration von BIM und GIS je nach Sicht. Die Baukoordination soll durch verbesserte Sichtbarkeit von Leitungen, transparente Darstellungen und der Integration von Höheninformationen optimiert werden, um die Zusammenarbeit zu verbessern und Kollisionen zu vermeiden. In der ist die Integration von BIM und GIS-Daten essenziell, um alle Bauteile vollständig zu modellieren und den Bestand präzise abzubilden. In der Ausführungsphase verschwinden die Papierpläne und werden durch digitale Pläne oder Modelle ersetz. Dies führt zu einer Effizienzsteigerungen wie beispielsweise beim Austausch von zentralen Informationen.

Herausforderungen bei der Leitungsverlegung

Leitungen spielen sowohl im Hochals auch im Tiefbau eine zentrale Rolle. Dennoch gibt es deutliche Unterschiede in den Bauphasen, insbesondere bei der Arbeit mit Modellen.

Im Tiefbau müssen zunächst die Daten der vorhandenen Infrastruktur erhoben werden. Oftmals sind die Lageund Höheninformationen der Daten ungenau, insbesondere bei älteren Leitungen. Die Klassifizierung der Genauigkeit der Lageund Höhenangaben ist entscheidend und wird durch Informationen auf den Leitungen angezeigt. Dies beeinflusst die Ausführung erheblich, da bei Grabarbeiten sowie beim Verlegen neuer Leitungen nicht exakt nach Modell gearbeitet werden kann. Leitungen müssen direkt nach dem Einbau vermessen werden, da sie nicht exakt dem Modell entsprechen. Die erfassten Daten fliessen in die As-built-Dokumentation sowie in das GIS ein und sind entscheidend für die weitere Nutzung und Wartung der Infrastruktur.

Lösung für effizientere Infrastrukturprojekte: BIM-GIS-Integration

Die Integration von BIM und GIS bietet eine leistungsstarke Lösung und Unterstützung für grossflächige Infrastrukturprojekte. BIM ermöglicht die Erstellung und Verwaltung eines digitalen 3D-Modells eines Bauwerks oder einer Infrastruktureinrichtung während seines gesamten Lebenszyklus. Auf der anderen Seite bietet GIS die Möglichkeit, geografische Daten zu sammeln, zu verwalten, zu analysieren und zu präsentieren.

Die ZA-Arbeitsgruppe hat sich zum Ziel gesetzt, die Ist-Situation auf Basis der in der Branche vorhandenen Erfahrungen durch Interviews zu erheben. Daraus ergeben sich aussagekräftige Erkenntnisse.
  • Aktuelle Tiefbauprojekte unternehmen erste Schritte zur Einführung von BIM, indem sie Pilotprojekte durchführen und Erfahrungen sammeln. Die Integration von BIM und GIS erfolgt jedoch noch getrennt.



Abbildung 1: Tiefbau (ZA-Gruppe 24.04.)
  • Bei der Integration von BIM und GIS im Tiefbau wurden insbesondere die Themen Schnittstellen und die Qualität der Datengrundlagen als zentrale Bereiche mit Handlungsbedarf genannt. Weitere Herausforderungen zeigen sich in den folgenden Aspekten: Bauphasen, CAD, technologische Grenzen, Datenmenge, Standards, Interaktion und Ausbildung.



Abbildung 2: Herausforderungen BIM&GIS (ZA-Gruppe 24.04.)
  • Bei der Anwendung von BIM in Projekten werden die SIA-Phasen wie Projektierung, Ausschreibung und Realisierung angepasst, jedoch stellen fehlende vertragliche Voraussetzungen oft ein Hindernis dar, da diese nicht immer mit der BIM-Methodik vereinbar sind und den Mehrwert stark einschränken können.

  • Der Mehrwert von BIM in Tiefbauprojekten liegt in verbesserten Zusammenarbeitsmöglichkeiten, effektivem Phasenmanagement, räumlichem Vorstellungsvermögen, Optimierung von Produktion und Ressourcen, Projektsteuerung, umfassender Datennutzung, Tiefbauoptimierung und erhöhter Qualitätskontrolle. Um diese Vorteile zu realisieren, sind modellbasierte Prozesse, frühe Einbindung aller Beteiligten, verbesserte Visualisierung zur Variantenoptimierung und eine umfassende, nutzerorientierte Datengrundlage entscheidend.



Abbildung 3: Vorteile, Nachteile und Realisierung BIM&GIS (ZA-Gruppe 24.04.)
  • Die Integration von BIM und GIS spielt im Tiefbau aufgrund der komplexen unterirdischen Strukturen eine zentrale Rolle und erfordert innovative Lösungen für anspruchsvolle Geodaten, die bei Grossprojekten und bei der Verwaltung unterirdischer Querungen eine Herausforderung darstellen.



Abbildung 4: Perspektiven, die sich durch die Integration von BIM und GIS vereinen (Basler&Hofmann, 2020)

Anforderungen und Umsetzungskonzept für ein BIM-GIS-Ökosystem

Basierend auf der Analyse der Ausgangslage und Auswertung der Befragung macht die ZA-Arbeitsgruppe nun den nächsten Schritt zur Formulierung der Anforderungen und Erstellung des Grobkonzepts als Vision für die zukünftige Umsetzung von BIM in Tiefbau Projekten und Integration von BIM und GIS.

Das Konzept des BIM-GIS-Ökosystems umfasst grundlegende Prinzipien wie durchgängige Prozesse über den gesamten Lebenszyklus mit einer zentralen Datenbanklösung, eine zentrale Datenablage für das gesamte Umfeld unter Berücksichtigung der BIM-Anforderungen, Echtzeit- Kollaboration für alle Projektbeteiligten zur simultanen Arbeit am Modell sowie konfigurierbare Systeme und Anwendungen, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Ziele verschiedener Fachgruppen und Projektphasen angepasst sind.

Abbildung 5: Vision der Architektur Ökosystem BIM-GIS im Tiefbau (ZA-Gruppe 24.04.)

 Die Integration der BIM-GIS-Umgebung darf die produktiven Instandhaltungsprozesse nicht beeinträchtigen. Daher wird ein schrittweiser Ansatz zur Erweiterung und Skalierung der GIS-Lösung verfolgt, um die BIM-Methodik zu integrieren. Dazu gehören die Definition von Anforderungen und Zielen, Planung, Priorisierung, Rollenzuweisung, Aufbau der Umgebung, schrittweise Übernahme von Grundlagendaten, Dokumentation, Wissensmanagement, Schulung, Unterstützung, Skalierung der Umgebung und kontinuierliche Aktualisierung gemäss der Roadmap zur Erreichung des Soll-Zustands, einschliesslich der Abstimmung zwischen BIM und GIS, sowie der Betrieb auf Basis einer zentralen BIM-GIS Datenablage.

Die Integration von BIM und GIS für Infrastrukturprojekte im Tiefbau erfordert eine umfassende Koordination auf politischer, rechtlicher und technischer Ebene. Die Verantwortlichkeiten für diese Koordination und die Steuerung der für die Weiterentwicklung notwendigen Investitionen sollten klar definiert werden. Entscheidend ist die effektive Organisation der Prozesse, darunter die Schulung aller betroffenen Mitarbeitenden, um deren aktive Beteiligung sicherzustellen, kontinuierlich Erfahrungen zu sammeln, zu reflektieren und den BIM-Prozess entsprechend anzupassen. Die besonderen Herausforderungen im Tiefbau, insbesondere im Leitungsbau, erfordern den Umgang mit Diskrepanzen und Unsicherheiten in den Plänen gegenüber der Realität im Boden, was langfristig durch eine genaue Dokumentation des Untergrundes verbessert werden kann. Deshalb ist es wichtig, heute schon die Grundsteine dafür zu legen, um in Zukunft vom Mehrwert der BIM-Methode profitieren zu können.

über Natalia Kudinova

Natalia Kudinova hat ihren Masterabschluss im Bereich Fernerkundung und Geowissenschaften erworben. 20 Jahre lang arbeitete sie in der schweizerischen und internationalen Geodatenbranche als Projektleiterin und Spezialistin für räumliche Daten, GIS, digitale Zwillinge sowie die Entwicklung automatisierter Prozesse. Um den Kundenbedürfnissen in der Gestaltung komplexer Lebensräume näherzukommen, begann sie eine Zusammenarbeit mit den innovativen Unternehmen Basler & Hofmann. Seit 2023 leitet sie dort Projekte in den Bereichen Werkleitungsund BahnGIS, BIM, Entwicklung und Analytik. Die Teilnahme am CAS GeoBIM an der FHNW war für sie eine wertvolle Entscheidung. Das erworbene Wissen hat sich bereits in der Praxis bewährt und unterstützt die effiziente Entwicklung von Schnittstellen zwischen Fachbereichen in Tiefbauund Infrastrukturprojekten.

über Marie-Theres Roth

Marie-Theres Roth begann ihre Karriere mit der Ausbildung zur Geomatikerin. In den darauffolgenden Jahren sammelte sie in verschiedenen Projekten wertvolle Berufserfahrung. Ihr Weg führte sie zur Wasserversorgung, wo sie nach einigen Jahren die Gruppenleitung der Vermessung Übernahm. Neben der Vermessung hat sie ein grosses Interesse am Thema Wasser und Wasserversorgung, weshalb sie sich zur Brunnenmeisterin weiterbildete und diese erfolgreich abschloss. Da das Thema BIM im Bereich Tiefbau immer präsenter wird, absolvierte sie im Jahr 2024 den CAS GeoBIM. Diese Weiterbildung verschaffte ihr eine solide Grundlage in diesem Bereich, sodass sie in Zukunft Theorie und Praxis noch effektiver miteinander verknüpfen kann.

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