Lange fristete mobiles Bezahlen ein Nischendasein, holt nun aber auf: Die Zahl der Schweizer Nutzerinnen und Nutzer hat sich in einem Jahr verdoppelt, jene der Transaktionen verdreifacht. Vor allem Männer zwischen 20 und 40 Jahren nutzen zunehmend diese Art des Bezahlens.
Ob an der Kasse, unter Freunden oder im Online-Shop: Mobiles Bezahlen (Mobile Payment) mittels Smartphone und Bezahl-App ist heute vielerorts möglich, wurde bisher aber noch eher wenig genutzt. Mobile Payment ist mit monatlich etwa 1.75 Millionen Transaktionen (davon 1.02 Millionen über Twint) und einem Marktanteil von 0.5 Prozent (davon 0.3 Prozent Twint) zwar noch immer eine Nische, holt aber auf. Dies zeigt die Mobile Payment Studie Schweiz 2018 des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern.
Für diese Studie wurden Daten der Schweizerischen Nationalbank, des Bundesamtes für Statistik und anonymisierte Daten der Schweizer Bezahl-App Twint ausgewertet. Studienautor Andreas Dietrich von der Hochschule Luzern ist überzeugt: ‘Mobile Payment hat nun einen gewissen Reifegrad erreicht und dürfte zukünftig stark an Bedeutung gewinnen.’
Nutzerzahlen verdoppelt
Im Markt für Mobile Payment sind eindrückliche Wachstumszahlen feststellbar: So sind mittlerweile über eine Million Personen beim Markführer Twint registriert (August 2017: 500`000 Personen). Zieht man in der Schweizer Bevölkerung von den gut 8.4 Millionen Einwohnern die rund 1.4 Millionen Personen ab, die derzeit unter 15 Jahre alt sind, nutzen 13 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer die Bezahl-App. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass ein Drittel aller Bestandskunden in den ersten zehn Monaten 2018 noch keine Transaktion getätigt hat. Von jenen die Twint benutzt haben, hat knapp ein Fünftel in den ersten zehn Monaten 2018 erst eine Transaktion getätigt. Am häufigsten waren die gelegentlichen Nutzer, welche zwei bis fünf Transaktionen tätigten (31%). Ein Drittel aller Nutzer hat im 2018 mehr als einmal monatlich die App benutzt.
Im Oktober 2018 wurden über eine Million Transaktionen mit einem Volumen von CHF 65 Mio. über Twint getätigt. Gegenüber diesem Vorjahresmonat hat sich die Anzahl Transaktionen um 134 Prozent erhöht und das Volumen nahezu verdreifacht (siehe Abbildung).
Besonders häufig wird Geld von einem Nutzer zum Anderen übertragen (Peer-to-Peer; P2P), nämlich in 47 Prozent der Fälle. 39 Prozent der Transaktionen waren Zahlungen vor Ort an der Ladenkasse (Point of Sale; POS), 14 Prozent können dem Onlinehandel zugeordnet werden. Die durchschnittlichen Beträge variieren dabei in Abhängigkeit des Anwendungsfalles sehr stark. Während an der Ladenkasse im Schnitt Transaktionen in der Höhe von CHF 28 getätigt werden, liegen diese im Bereich der Peer-to-Peer-überweisungen (CHF 78) respektive im Bereich E-Commerce deutlich höher (CHF 117) (siehe Abbildung).
Beliebt bei Männern zwischen 20 und 40
Die Kundenanalyse zeigt, dass Mobile Payment derzeit überproportional stark von Männern genutzt wird. ’Dies ist ein typisches Phänomen des Adoptions-Verhaltens bei technologischen Innovationen’, sagt Andreas Dietrich. Nur gerade 34 Prozent aller Mobile Payment-Nutzer sind weiblich. In Bezug auf das Alter zeigt sich, dass Mobile Payment nicht ausschliesslich ein Thema für junge Nutzer ist. Die derzeit wichtigste Nutzergruppe ist zwischen 30 und 40 Jahren alt (Anteil von 26 Prozent). Die Gruppe der 20 bis 30-jährigen ist mit einem Anteil von 24 Prozent vertreten und rund 7 Prozent der registrierten Twint-Nutzer sind über 60 Jahre alt (siehe Abbildung).
Erwartungsgemäss ist die Anzahl der Verkaufsstellen, welche Twint anbieten, in den bevölkerungsreichen Kantonen wie Zürich (11`000 Verkaufsstellen), Bern (6`400) und Waadt (4`155) am höchsten. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl (Anzahl Twint-Transaktionen pro Einwohner) liegen jedoch neben den Städten Zürich und Bern die Bündner Regionen Davos und Chur vorne (siehe Abbildung). ’Ein möglicher Grund für dieses Phänomen könnte die Graubündner Kantonalbank sein, welche als Marktführerin in der Region ihre Twint-Version bei ihren Kunden stark forciert hat’, sagt Andreas Dietrich.
5.7 Millionen Transaktionen im Monat erwartet
Die Adoption von Innovationen im Bereich des Bezahlens verläuft vor allem in der Anfangsphase immer sehr langsam. ’Dass die Marktentwicklung von Mobile Payment in der Schweiz teilweise belächelt wurde, hängt primär mit überhöhten Erwartungen zusammen’, so Dietrich. über die weitere Entwicklung von Mobile Payment würden nun die Konsumenten sowie die Händler als Anbieter an der Verkaufsstelle entscheiden. Wird die vergangene Entwicklung von kontaktlosen Kartenzahlungen im Vergleich zu den gesamten Debitund Kreditkartenzahlungen am POS auf den Mobile Payment-Markt übertragen, würden im Jahr 2020 monatlich etwa 5.7 Mio. Transaktionen via Smartphone getätigt. Dies würde in Bezug auf die Anzahl der Gesamttransaktionen einem ’Marktanteil’ von rund 1.6 Prozent entsprechen.
Wichtig sei, dass es den Anbietern gelinge, Kunden und Händlern den Mehrwert gegenüber traditionellen Lösungen aufzuzeigen. Unterstützt etwa durch neue und weitere Anwendungsmöglichkeiten wie das Bezahlen an der Parkuhr, beim Pizzakurier oder ein Sofortkauf-Button im E-Commerce. Andreas Dietrich ergänzt: ’Je schneller und besser die Produkte weiterentwickelt werden und je höher der Mehrwert für die Nutzer ist, desto schneller erreicht Mobile Payment den Durchbruch’.
Mobile Payment Studie Schweiz 2018
Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern hat die Nutzung von Mobile Payment in der Schweiz in einer Studie analysiert. Neben verschiedenen Daten der Schweizerischen Nationalbank und dem Bundesamt für Statistik konnte mittels anonymisierten Daten der Schweizer Bezahl-App Twint ein vertieftes Bild über die Nutzung von Mobile Payment in den verschiedenen Anwendungsbereichen und Landesteilen gemacht werden. In der Studie wird die aktuelle Verbreitung sowie die Entwicklung der Nutzung über die vergangenen Monate analysiert. Die Mobile Payment Studie Schweiz 2018 steht in der untenstehenden Download-Liste kostenlos zur Verfügung. Weitere und detaillierte Ergebnisse unter blog.hslu.ch/retailbanking