Zurich - University of Zurich |
Männliche Menschenaffen haben wechselnde Partnerinnen und schenken ihrem Nachwuchs kaum Beachtung. Anders die Krallenaffen. Gustl Anzenberger hat ihr monogames Sozialverhalten während 30 Jahren erforscht. Ruth Jahn Feste Paarbeziehungen gibt es bei Fischen, bei Vögeln sind sie gang und gäbe. Bei unseren nächsten Verwandten im Tierreich sucht man vergeblich nach treuem Verhalten: Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans ist die Monogamie fremd. Krallenaffen hingegen schliessen mit ihrem Partner einen Bund fürs Leben. Krallenaffen zählen zur Unterordnung der Neuweltaffen und kommen in Südamerika vor. Dazu gehören etwa Seidenäffchen, Löwenäffchen oder Springtamarine. Die putzigen Tierchen fehlen in keinem Zoo. Sie sind klein, wiegen nur gerade ein halbes Kilogramm, haben ein wuscheliges Fell, einen langen buschigen Schwanz und Krallen, mit denen sie jeden Baumstamm erklettern. Ihr Sozialverhalten macht die Krallenaffen für Forscher wie Gustl Anzenberger von der Universität Zürich zu einer aufschlussreichen Tiergruppe. Krallenaffen bilden Familien. In diesen pflanzt sich jeweils nur das an der Spitze der Rangordnung stehende Elternpaar fort. Dieses Alphapaar lebt monogam. Bei der Aufzucht der Jungen helfen der Affenvater und die Kinder des Paares tatkräftig mit. «Schon das fast gleiche Aussehen der Geschlechter bei den Krallenaffen weist auf eine, man könnte fast sagen, emanzipierte Lebensweise hin, bei der es zu einer ausgeprägten Angleichung der Geschlechtsrollen kommt», sagt Anzenberger. Anzenberger interessiert unter anderem, weshalb Monogamie bei Primaten und anderen Säugetieren eine so selten anzutreffende Sozialstruktur ist: «Bei jeder Spezies stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit sich monogames Leben lohnt.» Dabei spreche bei Säugern die Art ihrer Reproduktion eigentlich gegen die Monogamie, zumindest für das Männchen. Denn bei den Säugetieren werden die Weibchen innerlich befruchtet, diese Frucht wächst in ihrem Körper heran, und auch die erste Nahrung der Neugeborenen – die Muttermilch – wird vom Weibchen bereitgestellt. «Bei der Fortpflanzung herrscht bei den Säugern ein extremes Ungleichgewicht zu Ungunsten des Weibchens», bilanziert Anzenberger. Anders als etwa bei Vögeln, wo die in Schalen verpackten Embryos auch vom Männchen ausgebrütet und die Nestlinge dann von beiden Geschlechtern gefüttert werden können. Da männliche Säuger viel weniger in ihre Nachkommen investieren müssen als die Weibchen, kann ein Männchen auch viel mehr Junge haben als ein Weibchen. Deshalb ist Vielweiberei die erfolgreichste Fortpflanzungsstrategie. Die meisten männlichen Säugetiere leisten denn auch bloss einen indirekten Beitrag zur Jungenaufzucht – indem sie etwa das Territorium gegen Eindringlinge verteidigen. Krallenaffenväter dagegen, besonders Weissbüschelaffenväter, sind präsent im Kinderzimmer und am Kletterbaum: Sie pflegen und schützen ihre Affenbabys und tragen sie herum – was sehr wichtig ist, denn die ersten vier Wochen verbringen die Äffchen fast ausschliesslich auf dem Rücken ihrer Verwandten, erst danach laufen und klettern sie selbständig. Einzig für das Säugen der Jungen ist die Affenmutter alleine zuständig. Aber selbst das überfordert die Weissbüschelaffen-Mama: Auf sich gestellt, ist die Affenmutter, die jeweils Zwillinge gebärt, kaum im Stande, ihre Jungen durchzubringen. Ist kein Vater da, ist das Überleben der Affenbabys gefährdet. Kommt dazu, dass Weissbüschelaffenmütter noch während des Säugens der Jungen wieder trächtig werden können. Somit sind sie unter Umständen durch Laktation und Trächtigkeit gleich doppelt belastet. «Die hohe physische Belastung des Weibchens ist ein Selektionsdruck, der monogames und fürsorgliches väterliches Verhalten begünstigt haben könnte», sagt Anzenberger. Monogame Arten zeichnen sich durch starke Familienbande aus. Doch auch die können reissen. Dies hat Gustl Anzenberger bei Weissbüschelaffen aufgezeigt: Schwesternpaare, die mit einem fremden Männchen zusammengesetzt wurden, wurden zu Rivalinnen. Das unterlegene Weibchen nahmen die Forscher dann jeweils aus dem Käfig, um es vor der Aggression durch die überlegene Schwester zu schützen. Die Konkurrenz der Schwestern um das Männchen ist gross, «wohl nicht als Sexual-, sondern vor allem als Aufzuchtpartner», meint Anzenberger. Intrasexuelle Aggression ist typisch für Monogame. Das hat Gründe: «Bei Krallenaffen oder auch bei Wölfen hilft sie mit, Inzucht zu vermeiden», weiss Anzenberger. Selbst geschlechtsreif gewordene weibliche oder männliche Nachkommen des Alphapaares bleiben zum Teil noch bei Vater und Mutter, ohne dabei selbst sexuell aktiv sein zu dürfen. «Paying for staying» oder «psychische Kastration» wird dieses für Monogame typische Verhalten deshalb auch genannt. Inwiefern lässt sich vom Verhalten der Krallenaffen auf den Menschen schliessen? Fakt sei, dass sich die Entwicklungslinien der Neuweltaffen (Krallenaffen gehören dazu) und Altweltaffen (zum Beispiel Makaken und Paviane, kleine und grosse Menschenaffen sowie Menschen) vor 35 Millionen Jahren getrennt haben, betont Gustl Anzenberger. Die Lebensweise monogamer Menschen habe deshalb keinesfalls den gleichen Ursprung wie diejenige der Krallenaffen. Deshalb seien Vergleiche zwischen dem Menschen und Vertretern der Hundeartigen wie Wölfen oder Schleichkatzen wie Erdmännchen fast genauso tauglich, sagt der Forscher. «Diese sind zwar noch weiter entfernt verwandt, aber sie leben ebenfalls sozial monogam. Auch hier helfen der Vater und ältere Geschwister bei der Aufzucht, und die Tiere leben in Familiengruppen, in denen die Eltern ein Fortpflanzungsmonopol haben.» Menschenaffen und Menschen sind sich stammesgeschichtlich viel näher: Die Äste des Stammbaums von Schimpansen und Menschen zum Beispiel trennten sich vor nur etwa 5 Millionen Jahren. Menschenaffen leben nicht monogam, und Menschenaffenweibchen haben lange Geburtsintervalle von bis zu neun Jahren. «Einer der Gründe ist wohl, dass die Menschenaffenmänner nichts zur Kinderaufzucht beitragen», folgert Anzenberger. Bei den Menschen indes leben zumindest manche Männer monogam. Und Frauen aus Naturvölkern haben – verglichen mit Menschenaffenweibchen – deutlich kürzere Geburtsintervalle. Sie können es sich offenbar leisten, sich körperlich durch die Mutterschaft mehr zu verausgaben. Menschenmänner zeigen passend dazu väterliche Fürsorge. Ruth Jahn ist freie Journalistin |
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Was Affenmännchen treu macht
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