Zebrafisch-Embryonen tarnen sich vor Fressfeinden, indem sie sich an den Untergrund anpassen. Neurobiologen der Universität Zürich haben nun herausgefunden, dass sich dieser Tarnmechanismus ursprünglich als Sonnenschutz entwickelt hat, um die Fische im Embryonalstadium vor kurzwelliger Sonnenstrahlung zu schützen, da diese das Erbgut in den Zellen schädigen kann.
Für tagaktive Tiere wie Zebrafisch-Embryonen, die in seichten Tümpeln in den Reisfeldern Indiens heranwachsen und beinahe durchsichtig sind, stellt die Sonnenexposition ein besonderes Problem dar. Denn kurzwelliges Licht - die ultraviolette Strahlung - besitzt eine hohe Energie und schädigt so das Erbgut. Die Neurobiologen Stephan Neuhauss und Kaspar Müller vom Institut für Molekulare Biologie der Universität Zürich wollten daher herausfinden, mit welchem Mechanismen und ab welchem Entwicklungsstadium Zebrafisch-Embryonen ihr Erbgut vor der aggressiven UV-Strahlung schützen. Wie die beiden Wissenschaftler nun in ihrem kürzlich im Wissenschaftsmagazin PLoS ONE veröffentlichten Artikel zeigen können, wird der Sonnenschutz-Mechanismus in zweiter Linie auch für Tarnzwecke genutzt.
Sonnenschutz schon ab dem zweiten Tag
Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler die Embryonen von Zebrafischen. Deren Hautzellen besitzen bereits am zweiten Tag nach der Befruchtung - also noch vor der Entwicklung der Augen - als Melanosome bezeichnete Pigmente. «Bei geringer Sonneneinstrahlung konzentrieren sich die Pigmente im Zentrum der Hautzellen. Bei starker Sonneneinstrahlung verteilen sich die Pigmente innerhalb der Zellen entlang vorgegebener Wege, worauf der Zebrafisch-Embryo dunkler erscheint», erläutert Stephan Neuhauss die Resultate. Wie die Forscher entdeckten, findet dieser Einlagerungsprozess von dunklen Pigmenten bei viel Licht immer statt, sowohl wenn sich der Embryo auf einem hellen als auch auf einem dunklen Untergrund befindet.
Das Auge macht den Unterschied
Überraschenderweise zeigen die Embryonen jedoch ab dem dritten Tag nach der Befruchtung eine auffällige Veränderung: Sie passen sich ihrem Untergrund an. Dies hängt gemäss Neuhauss damit zusammen, dass die Embryonen ab dem dritten Tag sehen können und Augen mit UV-sensitiven Fotorezeptoren in der Netzhaut besitzen. Von diesem Zeitpunkt an sind sie in der Lage zu erkennen, ob sie sich auf einem hellen oder einem dunklen Untergrund befinden und können sich entsprechend anpassen und dadurch tarnen. Solange sich das Tier im Embryonalstadium befindet und durchsichtig ist, überwiegt allerdings der Nutzen des UV-Schutzes.
Wenn die Haut schliesslich nicht mehr transparent ist und entsprechend keinen Schutz mehr vor aggressiver Strahlung benötigt, wird die selektive Verteilung der Pigmente innerhalb der Hautzellen vorwiegend zu Tarnzwecken eingesetzt. Mit gutem Grund: Sich einem helleren oder dunkleren Untergrund anpassen und tarnen zu können, reduziert die Chance entdeckt und gefressen zu werden. «Aus dem ursprünglichen UV-Schutz wird ein Tarnmechanismus - ein eindrückliches Beispiel für die sekundäre Nutzung einer bereits vorhandenen Fähigkeit», fasst Neuhauss zusammen.
Literatur:
Kaspar P. Müller, Stephan C. F. Neuhauss, Sunscreen for Fish: Co-option of UV light protection for camouflage. PLOS ONE. January 29, 2014. Link: http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0087372