Mit dem «Internet der Dinge» die Abwasserentsorgung verbessern

Abb.1:Um die Systemdynamik der Abwasserentsorgung besser zu verstehen, installie
Abb.1:Um die Systemdynamik der Abwasserentsorgung besser zu verstehen, installieren die Forschenden Funksensoren direkt in der Kanalisation.
Forschende der Eawag untersuchen mit modernen Sensoren und der innovativen Datenfernübertragung LoRaWAN, wie Niederschläge und die folgenden Abflussprozesse zusammenhängen. Die neue Technik, auch schon «Internet der Dinge» genannt, soll helfen, die Abwasserentsorgung und die Kanalisation optimal zu betreiben und die Abwasserund Gewässerqualität zu überwachen.

Indem Sensoren in alltäglichen Gegenständen, Geräten und Maschinen installiert werden, können Prozesse jeglicher Art verbessert werden. Denn dank dem LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) können Maschinen und Geräte unabhängig vom Stromnetz oder Kabelverbindungen miteinander kommunizieren und kleine Datenmengen übermitteln. Mit dem Wissen über den aktuellen Füllstand von Abfall-Containern können Städte und Gemeinden zum Beispiel ihre Sammelrouten optimieren und so Kosten und CO2-Emmissionen reduzieren. Ein landesweites Netzwerk für die Kommunikation zwischen Geräten, manchmal auch als «Internet der Dinge» bezeichnet, ist in der Schweiz momentan im Aufbau. Forschende der Eawag haben das Potential der Technik erkannt und nutzen das LoRaWAN bereits. Seit Mai 2016 bauen sie zusammen mit der ETH in der Gemeinde Fehraltorf ein Sensornetzwerk auf. In einem «urbanhydrologischen Feldlabor» testen sie, ob die Neuerung für die Wasserforschung wie auch für Gemeinden und Städte geeignet ist.

Überwachung der Dynamik in Echtzeit


Um die Zusammenhänge zwischen Niederschlägen und Abflussprozessen zu untersuchen, haben die Forschenden in der Kanalisation Funksensoren installiert. Die von der Eawag und vom Empa-Spin-off Decentlab entwickelten Sensoren messen Niederschlag, Abflüsse und Pegelstände und senden die Informationen verschlüsselt an die Basisstationen des LoRaWAN. Anschliessend entschlüsselt ein zentraler Netzwerkserver die von den Basisstationen gebündelten Daten und macht sie für den Benutzer in einer Datenbank zugänglich. Dank der räumlich und zeitlich hochaufgelösten Messungen können die Forschenden die Systemdynamik vom Computer oder von mobilen Geräten aus quasi in Echtzeit überwachen.

LoRaWAN: Long Range Wide Area Network
Das LoRaWAN ist ein Netzwerkprotokoll, das auf dem offenen Industrie-Standard LoRa basiert und von der Organisation LoRa Alliance spezifiziert wird.
Es ermöglicht eine bidirektionale Kommunikation zwischen Geräten wie zum Beispiel Sensoren und Basisstationen.Die Daten werden per Funk mit einer maximalen Sendeleistung von 25 Milliwatt übermittelt. Dies entspricht ungefähr einem Vierzigstel der maximalen Sendeleistung eines Mobiltelefons.
Die Vorteile sind der geringe Energiebedarf, tiefe Hardwarekosten und die verschlüsselte Datenübertragung.

Momentan untersuchen die Forschenden mit dem Sensornetzwerk die räumliche und zeitliche Dynamik von Mikroverunreinigungen im Abwasser und die möglichen Einflüsse der urbanen Landnutzung. Denn täglich gelangen Substanzen wie Pestizide, Arzneimittel und Körperpflegeprodukte in das Abwasser und verschmutzen die Umwelt. Das Ziel der Forschenden ist, diese Schadstoffflüsse zuverlässig zu messen und zu interpretieren. Durch das Sensornetzwerk wissen sie beispielsweise, wann die Kanalisation überlastet ist und unbehandeltes Abwasser in die Umwelt gelangt. Dann können sie die Wasserqualität gezielt überprüfen.

Abb.2.: Die Funksensoren liefern den Forschenden räumlich und zeitlich hochaufgelöste Messungen von Abflüssen und Pegelständen.

Das LoRaWAN übermittelt nur kleine Datenmengen. Die Forschenden haben an einem Überlauf zum Beispiel einen Sensor installiert, der die Information «nass» oder «trocken» übermittelt. Die Geräte benötigen dementsprechend wenig Energie. Die Basisstationen funktionieren mit Solarenergie und die Herstellungsund Wartungskosten der batteriebetriebenen Sensoren sind tief. Trotzdem weist das LoRaWAN eine Reichweite von über 20 Kilometer auf. Diesen Sommer empfing eine in der Nähe von Aarau aufgeschaltete Basisstation bei aussergewöhnlich günstigen Bedingungen sogar Informationen über den Niederschlag aus dem 56 Kilometer entfernten Fehraltorf. Laut Christian Ebi , der als Techniker für verschiedene Abteilungen der Eawag arbeitet, können dank der neuen Technologie auch entlegene Bergtäler mit dem LoRaWAN kostengünstig erschlossen werden. Das Hauptaugenmerk der Forschenden liegt aber nicht auf dem Aufbau neuer Infrastruktur, sondern auf dem optimalen Betrieb und dem Unterhalt der bereits bestehenden Entwässerungsnetze. Ihre Vision ist eine «gläserne Stadt». Denn um zum Beispiel Hochwasserrisiken und Gewässerverschmutzungen zu vermindern, ist es notwendig, die bisher unsichtbare Abwasser-Infrastruktur und das Geschehen im Untergrund zu verstehen. Zu diesem Zweck arbeitet die Eawag zusammen mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und der Hochschule für Technik Rapperswil an der Weiterentwicklung der Sensorik und baut das Netzwerk aus. Auch die Installation von Sensoren direkt im Grundwasser und in Gewässern ist geplant.

Enge Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis


Dank des gemeinsamen Projekts der Eawag, der ETH und der Gemeinde Fehraltorf erhalten angehende Umweltingenieurinnen und -ingenieure Einblick in die Entwicklung und den Betrieb des Feldlabors und können praxisrelevante Fragen mit der neusten Analysemethoden beantworten. Inwiefern sich der Gewässerschutz durch die neue Technik weiter verbessern lässt, wird sich in Zukunft zeigen. Eines ist bereits heute sicher: Das Projekt fördert den aktiven Austausch zwischen Wissenschaft, universitärer Ausbildung und Praxispartnern im Umweltbereich.