ETH-Forscher rollen die Ursachen für die Erosion von Böden weltweit neu auf - und sie erkennen, dass Länder die Bodenerosion erstaunlich stark beeinflussen. Dieser «Ländereffekt» blieb bisher unerkannt.
Bodenerosion ist ein globales Problem, das die Ernährungssicherheit und die Funktionstüchtigkeit von Ökosystemen bedroht. Bodenerosion verschlechtert Wasser, Luft und den Boden selbst. Ausserdem verursacht Erosion eine Reihe indirekter Schäden, weil beispielsweise Landwirte den Verlust der natürlichen Bodenproduktivität mit mehr Dünger kompensieren. Zurzeit verliert der Mensch deutlich mehr Boden als neugebildet wird. Ohne Boden sind Agrarund Forstwirtschaft schlicht unmöglich. Viele Regierungen versuchen deshalb, die Erosion ihrer Böden zu bekämpfen.
Etliche Ursachen für Bodenerosion sind bis heute nicht gut verstanden. Zum Beispiel war nicht klar, ob und wie Länder ihre Bodenerosion beeinflussen. Bis anhin erkannte die Forschung vor allem wechselseitige Beziehungen, sogenannte Korrelationen, wie die, dass in armen Ländern die Erosion stärker ist als in reichen Nationen. Kausale Effekte zu identifizieren war und ist hingegen sehr schwierig.
Bodenerosion fernerkundet und modelliert
David Wüpper und Robert Finger von der Gruppe für Agrarökonomie und -politik der ETH Zürich sowie Pasquale Borrelli von der Universität Basel untersuchten nun anhand von Satellitenbildern und vielen weiteren Datenquellen die sozioökonomischen Ursachen der weltweiten Bodenerosion.
Auf der Basis von hochaufgelösten Fernerkundungs-Daten erstellten die Forscher eine Karte, auf der sie die modellierten Erosionsraten in Kilometerquadraten eintrugen. Mithilfe eines statistischen Modelles untersuchten die Forscher dann, ob sich die Erosionsrate kontinuierlich verändert, aber just an Ländergrenzen abrupt «springt». Solche Sprünge werden von den Ländern verursacht.
Auf einer zweiten Karte modellierten die Forscher auch die mögliche natürliche Erosionsrate. Somit konnten sie erkennen, wie gross der Unterschied zwischen aktueller und natürlicherweise auftretender Erosion ist und ob es an den politischen Grenzen natürliche Sprünge in der Erosionsrate gäbe.
Auf diese Weise ist es Wüpper und Finger gelungen, den «Ländereffekt» als Ursache für Bodenerosion festzumachen. Dies zeigen die Forscher in einer Studie, die soeben im Fachmagazin «Nature Sustainability» erschien.
Am deutlichsten sieht man den Ländereffekt entlang von politischen Grenzen, denn hier lassen sich Beobachtungen am besten vergleichen. «Die Rate, mit der Böden erodieren, hängt stark davon ab, auf welcher Seite einer Grenze und somit in welchem Land der Boden liegt», sagt Erstautor David Wuepper.
Als ein illustratives Beispiel dient den Forschern die Insel Hispaniola, auf der Haiti und die Dominikanische Republik liegen. Von Natur aus wäre die Insel einheitlich mit dichtem tropischen Wald bedeckt; die natürliche Erosion wäre sehr gering, da die Vegetation den Boden vor Regen schützen würde.
Sprunghafter Erosionsanstieg
Tatsächlich aber stellten die Forscher fest, dass entlang der Grenze die Böden Haitis pro Jahr und Hektare 50 Tonnen mehr Material verlieren als die Böden der Dominikanischen Republik. Wäre Hispaniola im Naturzustand ohne menschliche Eingriffe, gäbe es entlang der Grenze keinen sprunghaften Anstieg der Bodenerosion. «Dieser Sprung deutet auf politische Einheiten hin, nicht auf naturräumliche Grenzen», sagt Wüpper.
Die Erosionsdifferenz entlang der Grenze der beiden Karibikstaaten ist extrem hoch: sie ist 30 Mal höher als der weltweite Durchschnitt, der gemäss den Berechnungen der Forscher bei 1,4 Tonnen pro Jahr und Hektare Ackerland liegt. Zum Vergleich: die Erosionsrate Deutschlands ist um 0,2 Tonnen tiefer als die der Nachbarländer. Die Forscher werten dies als sehr positiv. Es deutet darauf hin, dass die Erosion in den meisten deutschen Nachbarländern ebenfalls eher niedrig ist. «Dies verdeutlicht, wie uneinheitlich das gefundene Muster global ist», sagt Wüpper. Den stärksten Einfluss auf die Bodenerosion der Länder hat die Landwirtschaft respektive die Art und Weise, wie Bauern den Boden bewirtschaften. Das Einkommensniveau der Länder hat hingegen keinen Einfluss.
Potenzial ersichtlich
Die Studie hebt nicht nur Versäumnisse und Mankos beim Bodenschutz hervor. Sie zeigt vor allem Potenziale auf, dass und wie Länder den Schutz der Böden verbessern können. Der Hebel, den der Ländereffekt biete, sei riesig, das sei vor der Studie so nicht klar gewesen. Bisher habe man die Bodenerosion vor allem als lokales Problem aufgefasst. «Nun zeigten wir auf, dass auch übergeordnete Ebenen die Erosion in einem Land stark beeinflussen», betont Finger.
Mit der Methode der ETH-Forscher lässt sich zudem feststellen, ob Massnahmen für besseren Bodenschutz, die Staaten ergreifen, wirksam sind oder nicht. Eine solche Massnahme ist beispielsweise das Schaffen von ökonomischen Anreizen für eine umfassendere Bodenbedeckung oder eine verminderte Bodenbearbeitung. Erosionsschutz kann aber auch in neuen Zielkonflikten resultieren, wenn zum Beispiel reduzierte Bodenbearbeitung mit steigendem Pestizideinsatz zur Bekämpfung von Unkraut einhergeht. «Als Grundlage für gute Politikentscheide gilt es, diese Zielkonflikte zu identifizieren und zu quantifizieren», sagt Finger.
Er und Wüpper arbeiten bereits an einer Nachfolgestudie, die solche Trade-offs untersucht. Sie wollen mit der gleichen Methodik weltweit den Zielkonflikt aller Länder zwischen Ertragssteigerung und Gewässerschutz beziffern.
Literaturhinweis
Wuepper D, Borrelli P, Finger R. Countries and the global rate of soil erosion. Nature Sustainability (2019). doi 10.1038/s41893-019-0438-4