Gibbons sind Menschenaffen wie Schimpansen und Gorillas. Dennoch sind sie kaum bekannt. Die neue Sonderausstellung «Gibbons - die singenden Menschenaffen» im Anthropologischen Museum der Universität Zürich stellt die Tiere, ihren beeindruckenden Gesang, ihre Kletterkünste vor und macht auf ihre prekäre Lage aufmerksam: Früher verehrt, sind heute beinahe alle Arten sind vom Aussterben bedroht. Die Ausstellung öffnet am 10. April ihre Pforten.
Lautes Heulen, ein kehliges Flöten, rhythmisches Stakkato, Melodien in aufsteigenden und fallenden Tonhöhen - ein Lied höchst exotischer Art singen die Gibbons im südostasiatischen Dschungel bei Tagesanbruch. Die territorialen Morgengesänge dieser Menschenaffen gehören zu den spektakulärsten Rufen unter den Säugetieren und gelten als bestes Modell für die Entwicklungsgeschichte der menschlichen Musik. Die Gibbons sind nämlich dem Homo sapiens nach den Schimpansen, Gorillas und Orang Utans verwandter als alle anderen Primaten. Doch im Gegensatz zu ihren grossen Verwandten ist in der Öffentlichkeit nur wenig bekannt über diese kleinen Menschenaffen, die sich in den Baumwipfeln des Urwalds tummeln. Die neue Sonderausstellung im Anthropologischen Museum der Universität Zürich ist den Gibbons gewidmet, die mit ihren 19 Arten rund 70 Prozent der Menschenaffen ausmachen, weltweit aber vom Aussterben bedroht sind. «Die Ausstellung soll die faszinierenden Tiere vorstellen und die Besuchenden in die unbekannte Welt der Gibbons entführen», sagt Primatenforscher und Projektverantwortlicher Thomas Geissmann.
Effizientes Hangeln von Ast zu Ast
Auch abgesehen vom Gesang, mit dem sie sich im dichten Blätterwerk verständigen und in Duetten ihre Beziehung pflegen, sind die Gibbons in vieler Hinsicht einzigartig unter den Menschenaffen. So leben sie in kleinen Familiengruppen, bestehend aus einem erwachsenen Elternpaar sowie ein bis drei seiner Jungtiere. Diese monogame Gruppenstruktur kommt nur bei rund drei Prozent aller Säugetiere vor. Die Kleinfamilien bewohnen die Kronenregion der Urwaldbäume, wo sie sich hauptsächlich von Früchten und Blättern ernähren.
«Um diesen Lebensraum einzunehmen, haben die Gibbons ihre Fortbewegungen verglichen mit anderen Primaten hochgradig spezialisiert», erklärt Geissmann. Die rund fünf bis zwölf Kilo schweren Gibbons beherrschen das sogenannte Schwinghangeln perfekt: Es ist nicht nur energiesparend, sich mit den Armen von Ast zu Ast zu hangeln, sondern es erweitert ihren Bewegungsspielraum erheblich. «Während andere Affenarten sich zum Essen auf einen Ast setzen müssen, kann der Gibbon zusätzlich unter dem Ast hängend Früchte erreichen und verzehren», erklärt Geissmann. Der kleine Affe kann zudem auf den Ästen stehen und so aufrecht gehen wie kein anderer Menschenaffe.
Verehrt und trotzdem beinahe ausgerottet
Die Ausstellung beleuchtet auch die ambivalente Beziehung des Menschen zu diesen Tieren: Einerseits waren die Gibbons die ersten Menschenaffen, die eine wichtige Rolle in der menschlichen Kultur spielten und in China seit mehr als 2000 Jahren Eingang in Literatur und Malerei fanden. Sie wurden als Symbol für die Verbindung zwischen Mensch und Natur verehrt, da die Affen scheinbar menschliche Gestalt annehmen könnten. Gar vermutete man, dass Gibbons unsterblich seien, da sie durch ihren Gesang besonders viel «Qi» - nach daoistischer Philosophie also Lebensatem - erlangten.
Andererseits sind diese Menschenaffen vom Aussterben bedroht, weil der Mensch ihren Lebensraum zerstört, die Wälder abholzt und die Tiere jagt, um sie zu verzehren, als Haustiere zu verkaufen oder zu traditioneller «Medizin» zu verarbeiten. «Heute haben die Gibbons in China 99 Prozent ihres ursprünglichen Verbreitungsgebietes verloren», sagt Geissmann. Ältere Malereien und Gedichte der Verehrung ermöglichen heute die Rekonstruktion früherer Siedlungsgebiete in China. Ähnlich problematisch sieht die Situation in den anderen Ländern aus, in denen Gibbons vorkommen, zum Beispiel Bangladesch, Thailand, Kambodscha, Vietnam, Laos oder Indonesien. Gemäss Roter Liste der «World Conservation Union» sind weltweit 18 von 19 Gibbonarten bedroht, vier davon kritisch. Mit dieser Ausstellung hofft Thomas Geissmann, der die Tiere seit Jahren in Asien erforscht, auf die Gefährdung dieser Menschenaffen aufmerksam zu machen.