Schweizer Sicherheitspolitik in einer instabilen Welt

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Die Sicherheitspolitik der Schweiz müsse sich auf ein garstigeres Umfeld einstel
Die Sicherheitspolitik der Schweiz müsse sich auf ein garstigeres Umfeld einstellen, so Bundesrätin Viola Amherd. (Bild: Alessandro Della Bella / ETH Zürich)

Verteidigungsministerin Viola Amherd zeichnet bei ihrem Besuch an der ETH Zürich das Bild einer instabilen und unberechenbaren Welt, auf das sich die Schweizer Sicherheitspolitik einstellen müsse. Die ETH Zürich und die EPFL leisten durch die Ausbildung von Fachkräften und den Wissenstransfer einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit der Schweiz.

Auf Einladung des Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich und des Europa Instituts an der Universität Zürich hielt Bundesrätin Viola Amherd am 8. November 2021 einen öffentlichen Vortrag zum Thema «Eine sichere Schweiz - was wir dafür tun wollen und müssen». ETH Präsident Joel Mesot begrüsste die Magistratin im vollen Audimax und verwies auf die enge und vielseitige Partnerschaft der ETH mit dem Verteidigungsbereich des Bundes. Sicherheit, so der ETH-Präsident, sei keineswegs selbstverständlich und erfordere auch den Beitrag der Wissenschaft.

Die Zusammenarbeit zwischen ETH und Bund reiche von den politikwissenschaftlichen Analysen des CSS, über das technische Know-how des Zurich Information Security & Privacy Center (ZISC) bis hin zum neu gegründeten Cyber Defence Campus (CYD) mit einem Standort an der ETH Zürich. Nicht zu vergessen, so Mesot, sei ausserdem die an der ETH beheimatete Militärakademie MILAK, die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Rüstung armasuisse im Bereich der Robotik und SCION, das sichere Internet der nächsten Generation, hinter dem mehr als zehn Jahre Forschung an der ETH stecke.

Die Welt ist garstiger geworden

Die Mitte-Politikerin begann ihre Ausführungen mit der Feststellung, dass die Sicherheit der Schweiz aufs engste mit den Entwicklungen in ihrem Umfeld verknüpft sei. Und dieses sei instabiler und unberechenbarer geworden. Ein wesentlicher Grund dafür sei die verschärfte Rivalität zwischen Grossund Regionalmächten: «Die Rivalität zwischen den USA und China spitzt sich zu und Russland sowie Regionalmächte wie die Türkei, Saudi-Arabien oder Iran setzen ihre Interessen immer forscher durch», sagte die Verteidigungsministerin.

Gleichzeitig operieren Staaten zur Verfolgung ihrer Interessen vermehrt im Graubereich zwischen Krieg und Frieden. Cyberangriffe und Desinformationskampagnen, so die Bundesrätin, seien wichtige Instrumente im Rahmen hybriden Angriffsformen. Darüber hinaus verwies Amherd auf die sicherheitspolitischen Implikationen des Klimawandels, der bestehende Probleme wie die unkontrollierte Migration oder Konflikte in Krisenregionen zusätzlich verschärfe.

Insgesamt, so Bundesrätin Amherd, habe sich das sicherheitspolitische Lagebild verdüstert: «Internationale Spannungen haben zugenommen und das Spektrum an Bedrohungen und Gefahren ist breiter geworden». Um die Handlungsfähigkeit, Selbstbestimmung und die Integrität der Schweiz und ihrer Bevölkerung zu schützen, müsse sich die Sicherheitspolitik der Schweiz auf dieses garstigere Umfeld einstellen.

Den Schutz vor Cyberrisiken stärken

Vor dem Hintergrund dieser Bedrohungslage formulierte die Magistratin eine Reihe von sicherheitspolitischen Prioritäten. Neben einer besseren Früherkennung von Bedrohungen und Krisen betonte sie vor allem den Schutz vor Cyberrisiken. Gerade in diesem Bereich, so Amherd, sei die Zusammenarbeit mit der ETH Zürich und der EPFL besonders relevant.

So ist das vor zwei Jahren in Zürich eröffnete Labor des Cyberdefence-Campus ein wichtiges Element, um die benötigen Spezialisten für Bund, Wissenschaft und Wirtschaft auszubilden. Der neue Masterstudiengang in Cybersecurity , den die ETH Zürich zusammen mit der EPFL geschaffen hat, zeigt ausserdem, dass das Thema Cybersicherheit ein strategischer Schwerpunkt der eidgenössischen Hochschulen ist.

Konventionelle Bedrohungen bleiben bestehen

Doch der stärkere Fokus auf den Cyberraum heisse der VBS-Chefin zu Folge keinesfalls, dass konventionelle militärische Mittel irrelevant geworden sind. Im Gegenteil, die Armee müsse in einem breiten Spektrum rasch und flexibel einsetzbar und entsprechend ausgerüstet sein. Dazu gehört für Bundesrätin Amherd auch der Schutz des Luftraumes mit neuen Kampfflugzeugen. «Mit der Entscheidung für das amerikanische Flugzeug F-35 haben wir uns weder für noch gegen eine europäische Zusammenarbeit ausgesprochen, sondern uns einfach für das beste Kampfflugzeug entschieden.»

Ein weiterer Schwerpunkt der Schweizer Sicherheitspolitik ist für Viola Amherd die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit: «Angesichts von zunehmender Konfrontation und Blockbildung müssen wir uns international noch stärker und gezielter für Stabilität und Sicherheit einsetzen.» Ein wichtiger Beitrag dafür sei die militärische Friedensförderung. Die VBS-Chefin bestätigte erneut, die Beiträge der Schweizer Armee an die Friedensförderung weiterentwickeln zu wollen.

Resilienter gegenüber Katastrophen und Notlagen

Am Ende ihres Vortrages kam Amherd auf die Stärkung des Schutzes vor Katastrophen und Notlagen zu sprechen. Die Covid-19-Krise habe gezeigt, wie wichtig eine krisenresistente Versorgung mit kritischen, lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen ist.

Darüber hinaus gelte es aber auch auf Naturkatastrophen besser vorbereitet zu sein, da diese auf Grund des Klimawandels und der Siedlungsdichte in Zukunft häufiger und intensiver auftreten werden. Als Beispiel nannte die Bundesrätin die Einführung von sicheren Kommunikationskanälen für Krisenorgane, die auch bei extremen Ereignissen wie Stromausfällen einsatzfähig bleiben.

Europa und sicherheitspolitischer Dialog

In der anschliessenden Fragerunde stellte sich Bundesrätin Amherd den zahlreichen Fragen aus dem Publikum. Zwei Themenbereiche standen dabei im Vordergrund. Zum einen kam die Frage auf, wie der Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Europa beeinflusse. Bundesrätin Amherd betonte zunächst, dass sie selbst eine Fortsetzung des Dialoges mit der EU bevorzugt hätte. Gleichzeitig werde sie aber auf Basis der neuen Ausgangslage alles unternehmen, um die Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern auch ohne institutionelles Abkommen zu stärken.

Zum anderen wurde in mehreren Kommentaren aus dem Publikum die Notwendigkeit eines intensiveren Dialoges mit der Gesellschaft thematisiert. Bundesrätin Amherd pflichtete dieser Forderung mit der Feststellung bei, dass uns die Corona-Krise schmerzlich gezeigt hätte, dass Sicherheit nichts Selbstverständliches sei. Es sei daher notwendig, dem Thema Sicherheit in der öffentlichkeit mehr Beachtung zu schenken und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass wir auch in anderen Krisensituationen mit gewissen Einschränkungen zu rechnen hätten. Als Beispiel für einen solchen Dialog nannte die Verteidigungsministerin einen jährlich stattfindenden Sicherheitstag in Mittelschulen, an dem sich Schülerinnen und Schüler vertieft mit dem Thema beschäftigen würden. Im Kanton Thurgau finden diese Tage bereits als Pilotprojekt statt.

Christoph Elhardt