"Pastatarierin" aus Überzeugung
Mit dem Beginn meines Studiums begann zugleich meine Ära als «Pastatarierin»: Mein Menüplan beschränkte sich auf Pasta und das aus Überzeugung - aus meiner Überzeugung, Geld sparen zu müssen. Zwei Semester später hatte ich alle Pastaformen, -Farben und Kombinationen mit zunehmendem Bauchumfang und abnehmendem Enthusiasmus getestet. Ich beschloss, mein Essensbudget mittels Nebenjobs aufzubessern. Heute esse ich Pasta aus einer anderen Überzeugung: der Überzeugung, keine Zeit zu haben, etwas Aufwändigeres zu kochen. Teig beiseite, mit dem «Pastatarier-Phänomen» sind wir bereits mitten in der Pround Kontra- Abwägung von Job nebst Studium.Zeit ist Geld
Einen Job zu haben bedeutet, Zeit für Geld zu opfern. Aber woher nehme ich diese Zeit Überhaupt? Diese Frage geht beim Liebäugeln mit dem in Aussicht gestellten Kapital oft unter. Würde ich mein Leben nach Zeitverwendung grob einteilen, fänden sich sechs Hauptkategorien: Studium, Nebenjob, Freundeskreis, Sport, Zeit für mich und Schlaf. Diese Kategorien begrenzen sich gegenseitig. Nimmt zum Beispiel der Nebenjob mehr Platz ein, verkürzt sich automatisch mindestens eine der anderen Kategorien und es bleibt weniger Zeit zum Lernen, für die Fitness, für den Austausch mit Freundinnen und Freunden oder für den Schlaf.Im Gegenzug erlebe ich absolute finanzielle Freiheit. Eine Unabhängigkeit, die ich sehr zu schätzen weiss. Plötzlich kann ich mir auf dem Weg an die Uni ohne schlechtes Gewissen einen Kaffee gönnen, meinen Eltern Blumen kaufen, Geld anlegen, oder in meine Altersvorsorge investieren.
Die Opportunitätskosten neuer Erfahrungen
Ein Job bringt nicht nur Geld, sondern auch Erfahrungen, Know-how und Kontakte. Zudem macht berufliche Erfahrung individuelles Potential sichtbar. Nach dem Studium werde ich eine von vielen sein, die mit einem frischen Diplom in die Arbeitswelt einsteigt und sich gegen eine Vielzahl von Mitbewerbenden durchsetzen möchte.Ein Nebenjob ist Überdies eine gute Vorbereitung auf die Vollzeitbeschäftigung nach dem Studium. Vom sehr theoretischen, akademischen Denken werde ich in eine spezialisierte, praktische Arbeit eintauchen. Ein Nebenjob wird diesen Sprung ins kalte Wasser angenehmer gestalten. Einerseits wird er meinen künftigen Arbeitsgebenden (und auch mir selbst) beweisen, dass ich fähig bin, praktisch zu arbeiten. Andererseits werde ich mit beruflichen Abläufen, juristischen Rahmenbedingungen, meiner eigenen Verhandlungsposition und vielem mehr bereits vertraut sein.
Die Schattenseite ist, dass ein Nebenjob die Flexibilität im universitären Alltag einschränkt und ich stattdessen auf andere Erfahrungen verzichten muss. Ich kann beispielsweise nicht an Exkursionen oder Forschungsprojekten teilnehmen, die mich interessieren würden, wegen zeitlicher Überschneidung mit dem Job. Auch die Chance, frühzeitig eine akademische Karriere einzuschlagen, wird dadurch beeinträchtigt. Durch meinen Nebenjob bleiben mir keine freien Abende, um an Kolloquien zu networken oder in Seminararbeiten die Extrameile zu gehen.
Von wachsenden Kompetenzen und sinkenden Kapazitäten
Nebenjobs vermitteln neue Fähigkeiten. Sei es ein Handwerk, der Umgang mit Kundschaft und Vorgesetzten oder die Koordination von Beruf, Ausbildung und Privatleben. Davon profitiert man ein Leben lang. Diese mentale Anstrengung kann sich allerdings auch negativ auf mein Studium auswirken, denn gerade nach herausfordernden Arbeitserfahrungen kann ich die Gedanken daran nicht einfach abstellen. Das hemmt meine Lernkapazität. So kommt es vor, dass ich nach einem Arbeitstag versuche, für die Uni zu lernen und dabei mit inexistenter Aufmerksamkeit (dafür mit Überwältigender Disziplin) lediglich Buchstaben auf dem Laptop anstarre.Es lohnt sich!
Trotz der sporadischen Lernblockaden, zeitlichen Einbussen und nicht angetretenen Expeditionen Überwiegen für mich die Vorteile eines Nebenjobs. Die finanzielle Unabhängigkeit, die Vorbereitung auf die Zukunft und die Aneignung von Fähigkeiten Überzeugen mich. Selbst angesichts der Nachteile bin ich lieber «Pastatarierin» aus Zeitnot statt wegen eines leeren Portemonnaies.Dieser Artikel wurde von Chantal Hüsler, Bachelor-Studentin in Geschichte und Rechtswissenschaft, verfasst.