Dass die Leistungsfähigkeit von Ökosystemen direkt von der Artenvielfalt abhängt, ist eine gut belegte Tatsache. Eine neue Studie mit ETH-Beteiligung zeigt nun, dass der Effekt umso grösser ist, je heterogener das Ökosystem ist.
Der Zusammenhang wurde in Feldexperimenten schon mehrfach bestätigt: Je grösser die Artenvielfalt in einem Ökosystem ist, desto grösser ist auch seine Leistungsfähigkeit. So produzieren beispielsweise artenreiche Wiesen mehr Biomasse als artenarme. Alleine schon aus diesem Grund, so die nahe liegende Schlussfolgerung, lohnt sich der Erhalt der Artenvielfalt. Kritiker von künstlich angelegten Experimenten weisen allerdings darauf hin, dass diese Versuche der realen Welt nur bedingt gerecht werden. Natürliche Ökosysteme seien wesentlich heterogener als die Untersuchungsfelder, auf denen die Experimente durchgeführt würden. Der Einfluss der Umweltfaktoren auf die Wirkungsweise der Biodiversität würde demnach unterschätzt.
Tatsächlich wirken sich Umwelteinflüsse wie klimatische Faktoren oder die Verteilung der Nährstoffe im Boden massgeblich auf die Leistung eines Ökosystems aus. Ein internationales Forscherteam mit ETH-Beteiligung konnte nun jedoch kürzlich in der Fachzeitschrift PLoS nachweisen, dass sich eine hohe Biodiversität auch in realen Ökosystemen positiv auf die Leistungsfähigkeit auswirkt. „Unsere Studie zeigt klar, dass die Artenvielfalt umso wichtiger ist, je heterogener die Umweltbedingungen sind“, erklärt Nina Buchmann, Professorin für Graslandwissenschaften am Institut für Pflanzenwissenschaften der ETH Zürich.
Drei verschiedene Systeme
Der Nachweis dieses Zusammenhangs gelang den Forschenden in einer Metastudie, bei der sie bereits bestehende Daten aus drei früheren Studien miteinander kombinierten. Die ETH-Forschenden steuerten dabei Resultate aus Graslandversuchen in Mitteldeutschland bei. Bei der ursprünglichen Studie ging es darum, den Einfluss von klimatischen Veränderungen auf die Produktivität der Wiesenökosysteme zu untersuchen. Die Neuauswertung der Daten ergab nun, dass die Pflanzenvielfalt auf Böden mit stark variabler Nährstoffverteilung eine viel grössere Rolle spielt als auf vergleichsweise homogenen Böden. Auf heterogenen Böden produzieren artenreiche Wiesen demnach ein Mehrfaches an Wurzelbiomasse als auf artenarmen Wiesen. Bei homogenen Böden hingegen ist der Zuwachs bedeutend geringer. Der Grund dafür liegt auf der Hand: In heterogenen Ökosystemen gibt es mehr Nischen, die von unterschiedlichen Pflanzen besiedelt werden können. Je heterogener das Ökosystem ist, desto grösser sind die Chancen, dass sich für die einzelnen Nischen geeignete Pflanzen finden.
Die beiden anderen Studien, welche für die Metastudie berücksichtigt wurden, basieren auf Felduntersuchungen in Ecuador und Indonesien. In Südamerika konnten die Wissenschaftler zeigen, dass in heterogenen Ökosystemen die Parasitierungsrate viel stärker zunimmt, wenn die Vielfalt an Parasitoiden grösser ist. Und in Indonesien zeigen die Daten, dass in Kaffeefeldern die Bestäubungsrate nicht nur von der Vielfalt an Bienen abhängt, sondern auch davon, wie homogen die Kaffeepflanzen verteilt sind. Auf unterschiedlich dicht bepflanzten Feldern fällt die Vielfalt an Bienen viel stärker ins Gewicht als auf homogenen Feldern.
Komplexer statistischer Nachweis
Der Nachweis, wie sich Heterogenität und Artenvielfalt auf die Produktivität oder eine andere Ökosystemleistung auswirken, gelang den Forschenden dank einem ausgeklügelten statistischen Verfahren. „Wir machten für jeden einzelnen Fall eine anspruchvolle Pfadanalyse. Dabei wird die Bedeutung der einzelnen Einflussfaktoren im Detail ausgerechnet.“ Buchmann ist überzeugt, dass es der Gruppe mit dieser Metastudie gelang, eine Theorie aus der Biodiversitätsforschung mit Felddaten zu belegen. „Für unsere Studie haben wir Daten aus ganz unterschiedlichen Regionen und ganz unterschiedlichen Ebenen der Nahrungskette analysiert. Und überall fanden wir dasselbe Muster.“
Quellen:
Originalartikel: Jason M. Tylianakis et al.: Resource Heterogeneity Moderates the Biodiversity-Funktion Relationsship in Real World Ecosystems. PloS Biology, Vol. 6, Issue 5 (May 2008).