Fruchtbar oder resistent gegen Mehltau?

Rebe mit Mehltau
Rebe mit Mehltau

Mehltau befällt Nutz- und Zierpflanzen und verursacht zusammen mit anderen Krankheitserregern bei Nahrungspflanzen riesige Ernteverluste. Trotz jahrzehntelanger Forschung ist bislang wenig darüber bekannt, welche molekularen Komponenten es diesem Pilz ermöglichen, in die Epidermiszellen der Wirtspflanzen einzudringen und welche Mechanismen Pflanzen anfällig für Mehltau-Infektionen machen. Jetzt hat ein Forschungsteam Erkenntnisse publiziert, die ein völlig neues Licht auf die Mehltau-Anfälligkeit bei Pflanzen wirft.

Ueli Grossniklaus, Professor für Pflanzengenetik an der Universität Zürich, befasst sich mit den molekularen Mechanismen der Reproduktion bei Pflanzen. Vor einigen Jahren identifizierte er und sein Team zwei Gene namens Nortia und Feronia, die eine zentrale Rolle bei der Kommunikation zwischen weiblichen und männlichen Zellen beim Befruchtungsprozess spielen. Bei Untersuchungen des so genannten Nortia-Gens machten die Forscher eine weitreichende Entdeckung: Die molekulare Struktur von Nortia ist derjenigen des Mlo-Gens der Gerste sehr ähnlich. Bei der Gerste ist Mlo für die Anfälligkeit für Mehltauinfektionen verantwortlich und Mlo-Mutanten sind gegen eine Vielzahl von Mehltau-Stämmen resistent. In der Züchtung von Saatgerste wird dieser einzig bekannte dauerhafte Resistenzmechanismus denn auch intensiv genutzt: Pflanzeneigene Resistenzen tragen dazu bei, Ernteausfälle zu verhindern und den Pestizideinsatz zu verringern. Gerstenpflanzen sind resistent gegen Mehltau, wenn ihnen das Mlo-Gen fehlt. Über molekulare Komponenten, die es dem Mehltau-Pilz ermöglichen in die Blattepidermiszellen einzudringen, war bislang nur wenig bekannt gewesen.

Ähnliche Kommunikationsmoleküle bei Befruchtungsprozess und Pilzbefall

Nortia und Feronia regulieren bei Blütenpflanzen das Spitzenwachstum des Pollenschlauchs bei der Penetration des weiblichen Geschlechtsapparats. Analog wie Pollenschläuche durchdringen auch Pilzhyphen pflanzliches Gewebe durch Spitzenwachstum. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Pollenschläuche denn auch als pilzähnliche Krankheitserreger aufgefasst, bevor ihre wahre Rolle für den Befruchtungsprozess erkannt wurde. Die Forscher untersuchten deshalb, ob zwischen dem Spitzenwachstum von Pollenschläuchen und dem von Pilzhyphen ein Zusammenhang besteht.

«Das Nortia-Gen wird nur im Geschlechtsapparat der Pflanze exprimiert. Es kann somit nicht für die Anfälligkeit auf Mehltau verantwortlich sein», erläutert Grossniklaus die nächste Hürde in seiner grundlegenden Forschungsarbeit. Deshalb untersuchten die Forscher Feronia, die zweite Mutante, die für die Pollenschlaucherkennung wichtig ist. Im Gegensatz zu Nortia ist Feronia in allen Pflanzenteilen aktiv, also auch in der Blattepidermis. In Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Ralph Panstruga vom Max Planck Institut für Züchtungsforschung in Köln konnten die Forscher nachweisen, dass Arabidopsis thaliana-Pflanzen mit dem Wildform Feronia-Gen anfällig auf Mehltau sind. Pflanzen mit inaktiviertem Feronia-Gen dagegen sind resistent gegen Mehltau. Doch diese Resistenz ist für die Pflanze mit einem hohen Preis verbunden: Die Pflanze ist unfruchtbar. Beide Erkennungsprozesse – Steuerung des Spitzenwachstums von Pollenschläuchen und von Pilzhyphen – scheinen also auf molekularer Ebene die gleichen oder wenigstens sehr ähnliche Moleküle zu nutzen. Dazu Grossniklaus: «Das erklärt, weshalb Pflanzen im Lauf der Evolution das Gen für die Mehltauanfälligkeit nicht loswerden konnten.»

Die neuen Resultate werden von Mehltau-Forschern weltweit mit grossem Interesse aufgenommen, da die Signalwege bei der Mehltau-Infektion immer noch schlecht verstanden werden. Angesichts der stetig wachsenden Weltbevölkerung wäre es wichtig, neben Gerste weitere, dauerhaft gegen Mehltau resistente Nahrungspflanzen züchten zu können. Die enge Koppelung von Mehltau-Anfälligkeit und Fruchtbarkeit zeigt aber, wie schwierig dieser Weg sein wird.