Dachwasser trinken und mit Abwasser duschen

Dachwasser trinken und mit Abwasser duschen

Dezentrale Systeme zur Trinkwasseraufbereitung könnten einen grossen Beitrag leisten zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele. Die Raumzelle «Self»  mit ihrem Wasserkonzept zeigt, dass die Membrantechnologie dazu eine Chance bietet.

Die Raumzelle «Self» ist als Wohn- und Arbeitsort für zwei Personen konzipiert. Sie hat die Grösse eines Schifffrachtcontainers. Mit einem Gewicht von rund 5 Tonnen lässt sich die Box per Lastwagen oder Helikopter transportieren.Da «Self» einfach transportiert und praktisch überall aufgestellt werden kann, eignet sie sich für den temporären Einsatz an den verschiedensten Standorten, etwa als mobile Forschungsstation, als Event-Location, als bewohnbarer Werbeträger und vieles mehr. Insbesondere versorgt sie sich selbst mit Energie - und auch mit Wasser. Self wird an der Swissbau in Basel einem breiten Publikum vorgestellt.

Trinkwassermangel

Weltweit ist mangelnde Trinkwasserhygiene eine der Hauptursachen für die Übertragung von Krankheiten, und zentralisierte Anlagen sind wegen der erforderlichen Infrastruktur für viele Situationen nicht geeignet. Die Eawag erforscht daher in mehreren Projekten, welche Methoden auf der Ebene eines einzelnen Haushalts oder eines Quartiers eine nachhaltige Aufbereitung von Wasser mit zweifelhafter
Qualität oder sogar von Abwasser zu Trink- und Brauchwasser ermöglichen. Ziel sind einfache Anlagenkonzepte mit ausreichend tiefen Investitionskosten sowie einem möglichst kleinen Betriebs- und Unterhaltsaufwand, welche lokal umgesetzt werden können.

Zwei Wochen ohne Frischwasser

Das unabhängige Haus self ist ein Gemeinschaftsprojekt mit der Empa, der Fachhochschule Nordwestschweiz und der Zürcher Hochschule der Künste. Die Eawag setzt in self ein Wasserkonzept um, das mit Hilfe einer Membrane Regenwasser ab dem Dach zu Trinkwasser aufbereitet und mit einer Membranbiokläranlage das verbrauchte Wasser (Grauwasser) soweit reinigt, dass es wieder zum Duschen, Geschirrwaschen und für die Toilettenspülung verwendet werden kann. Einzig das stark verschmutzte Abwasser der Wasser sparenden Toilette (Schwarzwasser) wird dem Kreislauf entnommen. So können zwei Personen selbst wenn Regenfälle ausbleiben ohne Komforteinbusse rund zwei Wochen im self leben, bevor das Frischwasser zu Neige geht.

Schwerkraft nutzen statt Pumpen

Ultrafiltration steht bildlich gesprochen für die Filtration des Wassers durch ein extrem feines Sieb. Dieses „Sieb“ ist eine Membrane aus Kunststoff. Ihre Poren sind nur Bruchteile von Mikrometern gross. Sie lassen das Wasser und gelöste Mineralstoffe passieren, halten aber Trübstoffe, Keime, Parasiten und sogar Viren wirkungsvoll zurück. Damit hat die mechanische Reinigung des Wassers gleichzeitig auch die Funktion einer Desinfektion, ohne dass chemische Hilfsmittel wie Chlor oder Ozon nötig wären. Ultrafiltrationsanlagen kommen in der zentralen Trinkwasseraufbereitung immer mehr zur Anwendung. Drei Hindernisse haben bisher ihren Einsatz im kleinen Massstab behindert.
Das Wassersystem in self zeigt jetzt, dass sie überwunden werden können:

  • Um in zentralen Systemen innert nützlicher Frist ausreichend Wasser zu filtrieren, sind entweder hohe Drucke oder sehr grosse Membranflächen erforderlich. Um den Wartungsaufwand klein und die Betriebssicherheit gross zu halten, verzichtet das System in self auf eine Pumpe. Es nutzt lediglich die Schwerkraft ohne Energieeinsatz. Denn der Druck aus der Höhendifferenz von nur einem Meter zwischen dem Regenwasserspeicher auf dem Dach und der Membran genügt in dieser Anwendung, weil dank dem sparsamen Umgang mit dem Trinkwasser nur rund 30 Liter pro Tag aufbereitet werden müssen. Die Filterfläche beträgt 0.7 m2, das entsprechende Membranmodul hat die Grösse einer Schuhschachtel.
  • Das System der Eawag nimmt eine geringe Filtrationsleistung der Membran bewusst in Kauf; die Forschung hat nämlich gezeigt, dass die Durchlässigkeit der Membran zwar anfänglich sinkt, dann aber auf dem tieferen Niveau über Monate stabil bleibt und nicht ganz einbricht. Dafür sorgt ein biologisch aktiver Bewuchs (Biofilm), der auf der Membran immer Fliesswege offen lässt. So kann auf Rückspülung und Reinigung der Membran verzichtet werden. Es müssen keine Chemikalien eingesetzt werden und die Anlage ist mit zwei Behältern sowie dem Membranmodul verfahrenstechnisch sehr einfach gebaut. Der Wartungsaufwand ist gleich Null.
  • Bis vor kurzem waren die Membranen teuer. Ihrem Einsatz in Entwicklungs- oder Schwellenländern waren enge Grenzen gesetzt. Dank massiv sinkenden Preisen können heute einfache Haushaltsysteme konstruiert werden, die kaum mehr als 10 US Dollar pro Familie kosten. Da auch für etwas grössere Anlagen, z.B. für ein ganzes Quartier, keine speziell aufwändige Technik erforderlich ist, können die Direktbetroffenen solche Anlagen sehr günstig selber erstellen und betreiben.


Grauwasserkreislauf dank Kleinstkläranlage

Läuft die Dusche ab oder ist das Gemüse gewaschen, spricht man beim Abwasser von Grauwasser - dies im Unterschied zum stärker verschmutzten Toilettenabwasser. In self will die Eawag zeigen, dass Grauwasser mit einer Waschmaschinen-grossen Kleinstkläranlage aufbereitet werden kann. Sie setzt eine biologische Reinigungsstufe und eine analog zur Trinkwasseraufbereitung mit Schwerkraft
getriebene Membranfiltration ein. An Orten, wo kein oder zu wenig Frischwasser zur Verfügung steht, ist das nebst einem sparsamen Verbrauch entscheidend, um ohne Komforteinbusse leben zu können.
So stehen in self gemäss den Berechnungen der Eawag täglich gut 100 Liter Wasser zur Verfügung. Ob das gelingt, werden erst der Praxiseinsatz von self und die Begleitforschung beweisen können. Dass der „abwasserlose Haushalt“ jedoch keine Zukunftsvision ist, hat die Eawag im Versuch mit einem Einfamilienhaus in Solothurn bereits 2006 aufgezeigt. Sowohl das aufbereitete Trink- als auch das Grauwasser werden in den zwei 200-Liter-Tanks in Intervallen mit einer UV-Lampe bestrahlt, um eine Wiederverkeimung bei längeren Standzeiten zu unterbinden.

Ein eigenes Kraftwerk

Self kann noch mehr, als Wasser aufbereiten. Self sorgt auch für eigenen Strom. 1280 Solarzellen auf dem Dach und dem Vordach liefern die benötigte Elektrizität. Mit 23% Wirkungsgrad sind die Solarzellen die besten, welche derzeit auf dem Markt erhältlich sind. Die voll integrierten Solarmodule aus 2 x 2 mm dickem gehärtetem Glas erbringen eine maximale Leistung von 3’750 Watt. Dies genügt, um SELF ganzjährig mit Strom zu versorgen.

Der selbst erzeugte Solarstrom dient nicht nur für Heizung und Kühlung, sondern auch für Warmwasser, Licht und sämtliche Geräte. Energieeffiziente Technologien und eine intelligente Steuerung stellen sicher, dass der verfügbare Strom so effizient wie möglich genutzt wird. Die gesamte Wärme für Heizung, Warmwasser und Abwaschmaschine wird durch eine effiziente Wärmepumpe bereitgestellt, welche die Abwärme aus der Abluft nutzt. Dafür wird auf eine thermische Solaranlage verzichtet. Für die Beleuchtung kommen ausschliesslich energiesparende LED-Leuchten zum Einsatz.

Saisonale Energiespeicher

Während etwa 3 Monaten im Jahr genügt die erzeugte Energie nicht um alle Bedürfnisse zu decken. Mittels Lithium-Polymer-Batterien werden 56 kWh Elektrizität an sonnenreichen Tagen gespeichert. Diese Energie genügt, um auch sonnenreiche Perioden von bis zu zwei Wochen zu überbrücken. Zusätzlich verfügt SELF auch eine Wasserstoffanlage. Mittels dieser können 120 kWh Energie im Sommer produziert, in neuartigen Metallhydridtanks gespeichert und im Winter zur Heizungsunterstützung sowie ganzjährig zum Kochen verwendet werden.

Während etwa 9 Monaten – an sonnenreichen Standorten sogar fast ganzjährig – liefert die Sonne ein Überangebot an elektrischer Energie. Diese kann während zum Betanken eines Elektrofahrzeugs genutzt werden. Täglich könnten mit einem Elektrofahrzeug 80 – 100 km mit eigener Sonnenenergie gefahren werden.

Lebendiges Forschungsprojekt
Self ist ein lebendiges Forschungsprojekt. Vieles muss noch getestet und optimiert werden. So ist in einer späteren Phase auch die Trennung von Urin und Fäkalien denkbar, um den Recyclinganteil beim Wasser weiter erhöhen zu können.

Kontakt
Trinkwasseraufbereitung: Dr. Wouter Pronk, wouter.pronk [at] eawag.ch; 044 823 53 81
Grauwasserrecycling: Dr. Adriano Joss, adriano.joss [at] eawag.ch; 044 823 54 08
Projektleitung: Mark Zimmermann, mark.zimmermann [at] empa.ch, Empa Bautechnologien, Tel. 044 823 41 78

CW