Die Gefährlichkeit von Krebs «ertasten»

ARTIDIS beim Abtasten der Gewebestruktur einer Tumorbiopsie (Bild: Martin Oegger
ARTIDIS beim Abtasten der Gewebestruktur einer Tumorbiopsie (Bild: Martin Oeggerli)

Einer der Hauptgründe für den oft tödlichen Ausgang von Tumorerkrankungen ist die Ausbreitung von Krebszellen im gesamten Körper. Die Forschende berichten wie wichtig die einzigartigen nanomechanischen Eigenschaften von Brustkrebszellen für die Entstehung von Metastasen sind. Mit einer auf Rasterkraftmikroskopie basierenden Technik entdeckten sie einen spezifischen «Fingerabdruck» für Brustkrebs.

In der Schweiz erkranken jährlich rund 5500 Frauen an Brustkrebs, der häufigsten Krebsart bei Frauen. Trotz bedeutender medizinischer Fortschritte ist die Diagnose von Brustkrebs immer noch schwierig. Gefährlich sind die fehlenden Kenntnisse darüber, ob sich der Tumor bereits ausgebreitet hat und Metastasen bildet. Auch die spezifischen strukturellen Veränderungen von Krebszellen und der sie umgebenden extrazellulären Matrix – die eng mit der der Entstehung von Metastasen verknüpft sind – bleiben häufig unentdeckt. Das Team um Prof. Roderick Lim vom Biozentrum hat nun ein Diagnostiktool entwickelt mit dem die nanomechanischen Eigenschaften von Gewebebiopsien untersucht werden können.

Brustkrebs hinterlässt «Fingerabdruck»
Das Tool ARTIDIS (Automated and Reliable Tissue Diagnostics/Automatisierte und zuverlässige Gewebediagnostik) beruht auf der Technik eines Rasterkraftmikroskops. Dessen Herzstück eine wenige Nanometer lange Spitze, die als mechanische Messsonde fungiert. Mit ihr können einzelne Zellen und extrazelluläre Strukturen einer Gewebeprobe abgetastet werden. Die Erstellung eines nanomechanischen «Fingerabdrucks» erfolgt durch ein systematisches Abtasten der ganzen Biopsie mit 10’000 Messungen. Die Vermessung von über hundert Gewebeproben von Brustkrebspatientinnen mittels ARTIDIS zeigte nun, dass sich die «Fingerabdrücke» von bösartigen Brusttumoren deutlich von denen gesunden Gewebes und gutartiger Tumore unterscheiden. Die am Universitätsspital durchgeführten Gewebeuntersuchungen bestätigten diese Ergebnisse. Zudem zeigten am Friedrich Miescher Institut gemachten Studien am Tier, dass auch hier die Brusttumore dasselbe nanomechanischen Profil aufweisen.

Marija Plodinec, Erstautorin dieser Studie, erklärt: «Dieser einzigartige ‹ Fingerabdruck › spiegelt die sehr heterogene Struktur bösartiger Tumore wider, die bei gesundem Gewebe und gutartigen Tumoren sehr viel homogener ist.» Kennzeichnend für bösartig entartetes Gewebe war zudem das Auftreten einer sehr weichen Region, die für Krebszellen und das veränderte Mikroumfeld charakteristisch ist. Diese Erkenntnisse untermauern die Annahme, dass sich weiche Krebszellen leichter deformieren und dadurch besser in den umliegenden Zellverband hineinzwängen können. Die Anwesenheit des gleichen Typus von weichen Zellen in Lungenmetastasen von Mäusen bekräftigte den Zusammenhang zwischen den physikalischen Eigenschaften von Krebszellen und ihrem Potenzial zu metastasieren.

KTI unterstützt ARTIDIS-Weiterentwicklung
«Die Entdeckung einer so grundlegenden Eigenschaft von Krebs bekräftigt die Verwendung nanomechanischer ‚Fingerabdrücke‘ als quantitative Marker in der Krebsdiagnostik. Diese haben das Potenzial die Gefahr der Bildung von Metastasen abzuschätzen», sagt Mitautor Marko Loparic. Der Zeitaufwand von rund einer Woche für eine Diagnose mit herkömmlichen Verfahren verringert sich mit ARTIDIS auf etwa vier Stunden. Die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) entschied, Lim’s Team und die Schweizer Firma Nanosurf AG für die Weiterentwicklung von ARTIDIS in der Krebsdiagnose mit rund 1,2 Millionen Schweizer Franken zu unterstützen.