Die Studienbedingungen für Menschen mit Behinderung und chronischer Krankheit haben sich verbessert. Dennoch müssen sie an Schweizer Hochschulen immer noch zahlreiche Hindernisse überwinden, zeigte eine Studie. Oft sind keine Ansprechpersonen definiert. Beim Thema «Hindernisfreie Hochschule» wird zudem in erster Linie an Mobilitätsbehinderungen - und entsprechende bauliche Massnahmen wie Rampen oder WC’s für Rollstuhlgängige - gedacht. Wie aber findet sich beispielsweise eine sehbehinderte Studentin in der Bibliothek, beim E-Learning oder bei Prüfungen zurecht? Und erst bei einem Brand?
Beim Mangel an spezifischem Wissen zu Hindernisfreiheit in Bildungsinstitutionen setzt der neue Leitfaden an: Ein interdisziplinäres Forscherteam der ZHAW aus den Bereichen Gesundheit, Soziale Arbeit, Wirtschaft und IT hat mögliche Hindernisse systematisch identifiziert und die juristischen Rahmenbedingungen in der Schweiz zusammengefasst. Der daraus entstandene Leitfaden hilft, die Zugänglichkeit einer Hochschule für Studierende mit einer Hör-, Sehoder Mobilitätseinschränkung besser zu analysieren. Die Checkliste umfasst juristische, bauliche oder technische Aspekte von Hindernisfreiheit in Bildungsinstitutionen. Beispielsweise können Bibliotheksverantwortliche überprüfen, ob sie über einen gut ausgerüsteten Spezialarbeitsplatz mit spezifischer Tastatur und Bildschirm sowie Software wie Screenreader verfügen. Und ob es möglich ist, Hörbücher zu erstellen oder Blindenschrift zu drucken. «Es ist viel machbar, vor allem im technischen Bereich. Dazu ist jedoch Fachwissen und Sensibilisierung nötig», so Projektleiterin Julie Page vom ZHAW Departement Gesundheit. «Dies beginnt bereits bei der Integration der Grundsätze einer hindernisfreien Hochschule im Leitbild einer Bildungsinstitution sowie der Bestimmung einer mit fachspezifischem Wissen.»
An der ZHAW wurde der Leitfaden bereits getestet. Verantwortliche aus Facility Management, IT und Kommunikation, Rechtsdienst oder Sicherheit haben ihren Bereich mit der Checkliste bezüglich Optimierungspotenzial analysiert. Zusammengetragen wurde das Feedback von der Beauftragten für Diversity. «Bereits während der Standortanalyse werden die Fachpersonen sensibilisiert», so Page. «Der Leitfaden ist aber kein Mass-nahmenkatalog. Er ermöglicht jedoch eine umfassende Selbstevaluation mit Aspekten von Hindernisfreiheit in Bildungsinstitutionen. Diese können als Ideenquelle für Verbesserungen genutzt werden.» Konkrete Tipps und Empfehlungen, wie der Zugang für Menschen mit Behinderung zu Schweizer Hochschulen verbessert werden kann, hat AGILE entwickelt und sind ab dem 28. November auf ihrer Website zu finden.
Letztlich muss nach der Analyse auch eine Priorisierung der Massnahmen stattfinden, da nicht immer ausreichend finanzielle Mittel vorhanden sind. «Oft hilft auch ein Nachteilsausgleich, wenn etwa für Prüfungen mehr Zeit eingeräumt wird, da beispielsweise Rollstuhlgängige einen längeren Weg haben aufs WC oder Blinde mehr Zeit benötigen, um Texte zu lesen», so die ZHAW-Forscherin.