Was die grossen Hände des Maulwurfs prägt

Hand eines ausgewachsenen Iberischen Maulwurfs (Talpa occidentalis) (Bild:
Hand eines ausgewachsenen Iberischen Maulwurfs (Talpa occidentalis) (Bild: UZH)

Grabende Maulwürfe sind eng mit Spitz- und Hausmäusen verwandt, besitzen aber grössere Hände. Paläontologen haben herausgefunden, dass hier das SOX9-Gen mitspielt. Während bei den Mäusen das Gen gleichzeitig in Händen und Füssen exprimiert wird, tritt es beim Maulwurf zuerst in den Händen auf und dann in den Füssen. Dieser zeitliche Unterschied in der Genexpression ist ein Beispiel für die ausgeprägte Anpassung an die grabende Lebensweise. 

Maulwürfe sind kleine, insektenfressende Säugetiere, die sich in grabende Maulwürfe, oberirdisch lebende Spitzmausmaulwürfe und wasserbewohnende Desmane unterteilen. Grabende Maulwürfe zeigen aufgrund ihrer Anpassung an den unterirdischen Lebensraum einzigartige skelettale Veränderungen. Sie besitzen speziell starke Arme sowie grosse, verbreiterte Hände, die wie Grabschaufeln aussehen. Zudem weisen sie an Händen und Füssen eine fingerähnliche Struktur auf, «Os falciforme» genannt, die wahrscheinlich beim Graben unterstützend wirkt. Diese morphologischen Ausprägungen finden sich bei ihrer Schwestergruppe, den Spitzmäusen nicht, obwohl diese teilweise auch den unterirdischen Lebensraum erobert haben.

Nun zeigt ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Marcelo Sánchez-Villagra, Professor für Paläontologie an der Universität Zürich: Die im Vergleich zu den Füssen vergrösserten Hände gehen einher mit einer zeitlich veränderten Expression des SOX9-Gens.

SOX9-Gen zuerst in den Händen

SOX-Gene sind Transkriptionsfaktoren, die in die Regelung der embryonalen Entwicklung involviert sind. Dabei ist SOX9 speziell an der Differenzierung der Knorpelzellen beteiligt, so auch bei der Entwicklung des «Os falciforme». Die Forschenden haben die zeitliche und räumliche Expression des SOX9-Gens während der Embryonalentwicklung in Händen und Füssen des grabenden Iberischen Maulwurfs, der Spitzmaus und der Hausmaus genauer untersucht. Die Ergebnisse fasst Constanze Bickelmann vom Paläontologischen Institut und Museum der Universität Zürich wie folgt zusammen: «Wir haben herausgefunden, dass bei den drei Arten während der Embryonalentwicklung das Gen zeitlich unterschiedlich exprimiert wird. Während SOX9 in Händen und Füssen der Spitzmaus und der Maus gleichzeitig exprimiert wird, tritt es beim Maulwurf zuerst in den Händen auf und erst später in den Füssen.»

Dieser zeitliche Unterschied in der Genexpression bezeichnet man als Transkriptionelle Heterochronie. «Es ist ein Beispiel für eine ausgeprägte ökologische Spezialisierung, in diesem Fall die unterirdisch grabende Lebensweise, die sich schon früh in der Embryonalentwicklung auswirken kann», schliesst Constanze Bickelmann.