Starke, aber zeitlich begrenzte Temperaturabkühlungen unter der Lupe

Sogenannte plinianische Eruption des Vulkans Sarytschew (Russland) am 12. Juni 2
Sogenannte plinianische Eruption des Vulkans Sarytschew (Russland) am 12. Juni 2009. © NASA

Grosse Vulkanausbrüche schleudern beträchtliche Mengen an Schwefeldioxid in die Atmosphäre, die sich in Aerosole umwandeln, in der Stratosphäre verteilen, dort einen Teil der Sonneneinstrahlung blockieren und so die Erdoberfläche für einige Jahre abkühlen. Ein internationales Forscherteam mit Berner Beteiligung hat nun dank der Kombination von Jahrringuntersuchungen an Bäumen und Klimamodellen einen Ansatz entwickelt, mit dem die Abkühlung besser quantifiziert und realitätsnah simuliert werden kann. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift «Nature Geoscience» veröffentlicht.

Der Ausbruch des Vulkans Pinatubo im Juni 1991 gilt als einer der gewaltigsten seiner Art im 20. Jahrhundert. Dabei wurden etwa 20 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre geschleudert, was zu einer globalen Abkühlung von durchschnittlich 0,4 Grad Celsius führte.

Ein internationales Forscherteam um Markus Stoffel von der Universität Bern und der Universität Genf hat solch kurzfristige Episoden starker Abkühlung der Temperaturen nach Vulkanausbrüchen der vergangenen 1500 Jahre gemessen, welche grösser waren als jene des Pinatubo. Dazu verwendeten die Wissenschaftler zwei Ansätze: die sogenannte Dendroklimatologie, bei der Klimainformationen aus Jahrringen von Bäumen gewonnen werden, sowie numerische Simulationen des Klimas nach Vulkanausbrüchen.

Bisher lieferten die beiden Ansätze teilweise widersprüchliche Ergebnisse, was eine Bezifferung der Auswirkungen grosser Vulkanausbrüche auf das Klima stark erschwerte. Die in Modellen simulierte Abkühlung der Oberflächentemperaturen war zwei bis viermal stärker und dauerhafter als die aus den Jahrringen berechneten Werte. Diese Unterschiede bewogen so manchen Geophysiker dazu, die Eignung der Jahrringanalyse für die Berechnung der Klimaauswirkungen von Vulkanausbrüchen zu bezweifeln oder die Abbildung von derart extremen Ereignissen in Modellrechnungen in Frage zu stellen.

Zwei Ansätze versöhnen

Nun ist es Forschern der Universitäten Bern und Genf, des Institut de recherche pour le développement (IRD, Paris) und des Centre national de la recherche scientifique (CNRS, Clermont-Ferrand und Paris) und des französischen Kommissariats für Atomenergie und alternative Energien (CEA) gelungen, die beiden Ansätze zu versöhnen und einen neuen Ansatz zu entwickeln, mit dem sich die Auswirkungen künftiger Vulkanausbrüche auf unsere Gesellschaft präziser einschätzen lassen.

Die Dendrochronologen der interdisziplinären Forschergruppe entwickelten dazu eine neue Rekonstruktion der Sommertemperaturen für die Nordhalbkugel und die vergangenen 1500 Jahre. Dazu analysierten sie die Breite und vor allem die Dichte der Jahrringe von Bäumen, da diese sehr sensibel auf Temperaturveränderungen reagieren. Dieser Aspekt wurde in der Vergangenheit häufig vernachlässigt. Dank der neuen Rekonstruktion konnten die Wissenschaftler alle grossen Vulkanausbrüche der letzten 1500 Jahre nicht nur nachweisen, sondern auch die hervorgerufene Abkühlung beziffern. Demnach wird im Jahr nach einem gewaltigen Ausbruch eine deutlichere Abkühlung festgestellt, als dies in früheren Jahrringrekonstruktionen beschrieben wurde. Die Abkühlung scheint in der Regel jedoch nicht länger als drei Jahre anzudauern.

Die Klimaphysiker ihrerseits berechneten die Abkühlung mit einem ausgeklügelten Klimamodell. Die beiden grössten Ausbrüche des vergangenen Jahrtausends trugen sich in Indonesien zu und wurden durch die Vulkane Samalas im Jahr 1257 und Tambora im Jahr 1815 verursacht. Im Modell, das in dieser Arbeit verwendet wurde, kann der Ort des Vulkans, die Jahreszeit des Ausbruchs sowie die Menge an ausgeworfenem Schwefeldioxid berücksichtigt und in einem mikrophysikalischen Modul des Klimamodells integriert werden, so dass der Lebenszyklus vulkanischer Aerosole simuliert wird, von ihrer Entstehung durch die Oxidation von Schwefeldioxid bis hin zu ihrer Ablagerung auf der Erdoberfläche.

«Dieser ungewöhnliche Ansatz erlaubt eine realistische Darstellung der Grösse und damit auch der Verweildauer vulkanischer Aerosole in der Atmosphäre. Dadurch kann direkt das Ausmass und die Dauer der Abkühlung berechnet werden, die durch den Vulkanausbruch hervorgerufen wurde», erklärt Markus Stoffel, Professor an der Universität Bern und der Universität Genf. Die neuen Simulationen zeigen auch, dass der Einfluss von Vulkanausbrüchen in bisherigen Arbeiten teils stark überschätzt wurden, auch in solchen, die in den letzten Bericht des Weltklimarates (IPCC) mit eingeflossen sind.

Zum ersten Mal bestätigen sich die Ergebnisse von Rekonstruktion und Klimamodellen hinsichtlich des Ausmasses der Temperaturabkühlung und zeigen auch, dass die Ausbrüche des Samalas und Tambora während der Sommer in den Jahren 1258 und 1816 eine Abkühlung zwischen 0.8 und 1.3 Grad Celsius auf der Nordhalbkugel hervorriefen. Die beiden Ansätze kommen auch zum gleichen Ergebnis hinsichtlich der Dauer der Abkühlung, die mit zwei bis drei Jahre berechnet wird. Diese Resultate öffnen den Weg für ein besseres Verständnis der Rolle der Vulkanaktivität hinsichtlich der Entwicklung unseres Klimas, erklärten die Forscher.

Quelle: Universität Genf