Bienen-Teenager beschleunigen das Altern der Älteren

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Bienen-Teenager beschleunigen das Altern der Älteren
Bern, 06.12.2016 - Honigbienen-Völker sind komplexe Gesellschaften, in denen die Arbeit nicht zentral verteilt wird. Wie genau diese Arbeitsaufteilung erfolgt, ist immer noch wenig bekannt. Ein Forschungsteam vom Zentrum für Bienenforschung von Agroscope und dem Institut für Bienengesundheit der Universität Bern hat entdeckt, dass junge Bienen diesen Prozess beeinflussen. Sie veranlassen die älteren Bienen dazu, Aufgaben ausserhalb des Nestes zu übernehmen, und reduzieren so drastisch deren Lebenserwartung.


In den Völkern der Honigbiene, der Apis mellifera, legt eine einzelne Königin Tausende von Eiern aus denen später die Arbeiterinnen schlüpfen. Alle diese Arbeiterinnen führen Aufgaben durch, die für die Instandhaltung der Völker notwendig sind. In jungem Alter pflegen sie die Brut, später bauen und verteidigen Sie das Nest. Gegen Ende ihres Lebens verlassen sie den sicheren Bienenstock, um Futter für die Völker zu sammeln. Dieser wichtige Wechsel zur Sammeltätigkeit beschleunigt aber das Altwerden, da die Sammelbienen während der Futtersuche einer grossen Auswahl von Gefahren wie Krankheiten, Räuber und ungünstigen Wettereinflüssen ausgesetzt sind.

Trotz ihres Namens entscheidet nicht die Königin, wer was zu tun hat im Bienenvolk. Wie genau die Arbeit zwischen den Schwesterbienen aufgeteilt ist, ist noch grösstenteils unbekannt. Frühere Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass die Aufgabenaufteilung auf der Kommunikation zwischen der Königin, der Brut und den Arbeiterinnen basiert. Zum Beispiel reduziert die Präsenz von älteren Sammelbienen die Wahrscheinlichkeit, dass jüngere Bienen den Stock zur Futtersuche verlassen. Es ist auch bekannt, dass die Präsenz von Brut (Larven) die Lebenserwartung der erwachsenen Bienen reduziert, da die für die Brut sorgen und Futter sammeln müssen. Diese Erkenntnisse wurden durch Experimente erlangt, in denen die Larven experimentell entfernt wurden. Da mit den Larven auch die jungen erwachsenen Bienen entfernt wurden, konnte somit ein möglicher Einfluss der jungen Bienen nicht untersucht werden.

‘Durch eine experimentelle Trennung der Effekte von Larven und jungen erwachsenen Bienen auf das restliche Bienenvolk konnten wir zum ersten Mal die Rolle beider Faktoren auseinander halten’ sagt Vincent Dietemann von Agroscope. ‘Wir konnten zeigen, dass sowohl die Präsenz von Brut als auch die von jungen erwachsenen Bienen die Lebenserwartung der älteren Bienen deutlich reduzieren’ erklärt der Erstautor Michael Eyer von Agroscope und dem Institut für Bienengesundheit. Die neu entdeckte Rolle der jungen Arbeiterinnen für die soziale Organisation von Honigbienenvölkern erweitert unser Wissen, wie die Altersverteilung in Völkern funktioniert. ‘Durch diese soziale Regulierung des Sammelverhaltens, könnten sich Bienenvölker schnell an ändernde Umwelteinflüsse anpassen’, führt Ko-Autor Peter Neumann vom Institut für Bienengesundheit aus.

Verständnis von Insektenstaaten, Alterung und Signifikanz für Imkerei

Diese Ergebnisse sind ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der Organisation von sozialen Insektenstaaten, was die technologischen Innovationen zum Beispiel in der Robotik inspirieren kann. Des Weiteren, liefern die Ergebnisse auch Informationen zu Alterungsprozessen, ausserhalb von sozialen Insekten. Honigbienen dienen nämlich auch als Modellsystem der Altersforschung für andere Organsimen, wie beispielsweise auch beim Menschen. Die erlangten Kenntnisse dienen auch der imkerlichen Praxis, die manchmal die Entfernung der Brut und von jungen Arbeiterinnen erfordert, z.B. vor einer Behandlung gegen die Varroa Milbe (Varroa destructor). Durch diesen Entzug verlängert sich die Lebenserwartung der Arbeiterinnen, was den Kolonien erlaubt, dies zu kompensieren und weiter zu funktionieren.

Zitierung des Artikels

Social regulation of ageing by young workers in the honey bee, Apis mellifera;  Experimental Gerontology: Volume 87, Part A, January 2017, Pages 84’91; Michael Eyer, Benjamin Dainat, Peter Neumann, Vincent Dietemann
http://www.sciencedirect.c­om/science­/article/p­ii/S053155­6516305125

Diese Studie wurde finanziell durch die Stiftung Sur-La-Croix, die Stiftung Vinetum und Agroscope unterstützt und von Forschenden von Agroscope (Schweizer Zentrum für Bienenforschung, Schweizerische Eidgenossenschaft) und von der Universität Bern, Schweiz (Institut für Bienengesundheit, Vetsuisse-Fakultät) durchgeführt.

Zusatzinformation:

Tätigkeiten der Honigbienen und Bestäubung - Hintergrund

Im Frühling und Sommer bestehen die Honigbienen-Kolonien aus den sogenannten ’Sommerbienen’. In der ersten bis dritten Woche übernehmen junge Bienen ausschliesslich Aufgaben innerhalb des Bienenstockes. Sie putzen das Nest und kümmern sich um die Brut. Später verlassen sie die sichere Behausung, um Nektar und Pollen, beides Futter für die Larven zu sammeln. Ein bis zwei Wochen nach Beginn der Sammeltätigkeit sterben die Bienen. Im Spätsommer reduzieren die sinkenden Temperaturen die Sammeltätigkeit und die Brutaufzucht nimmt kontinuierlich ab. Aus der zuletzt aufgezogenen Brut entwickeln sich die sogenannten lang-lebenden ’Winterbienen’. Ihre Aufgabe ist es, das Nest auf einer konstanten Temperatur zu halten, welche es einer Kolonie ermöglicht, den Winter zu überleben. Im nächsten Frühling übernehmen die Winterbienen auch die Brutpflege der nächsten Generation, bevor Sie die Sammeltätigkeit einleiten und kurz darauf sterben. Die Lebenserwartung der Arbeiterinnen ist dementsprechend sehr plastisch und variiert gemäss der Phase des Lebenszyklus einer Bienenkolonie.

Zusätzlich zur Produktion von Honig, Wachs, Propolis und Gelée Royale tragen Honigbienen wesentlich zur Bestäubung einer breiten Palette landwirtschaftlicher Kulturen bei, eine Leistung deren wirtschaftlicher Wert weltweit über 150 Milliarden Euro beträgt. Des Weiteren bestäuben Honigbienen zusammen mit anderen Insekten auch viele Wildblumen und sind deshalb für ein gut funktionierendes terrestrisches Ökosystem von zentraler Bedeutung, wobei der ökonomische Wert immens hoch ist.